Weistümer bezeichnen das Gewohnheitsrecht, das im Einzugsgebiet einer Grundherrschaft oder eines Dorfes Geltung hatte. Ab dem 14./15. Jahrhundert wurden sie aufgezeichnet. Gustav Winter hat die noch vorhandenen Weistümer gesammelt und in mehreren Bänden um 1900 veröffentlicht. Das Weistum, das von Winkl vorhanden ist, heißt „Fischerrechte zu Winkl“ und stammt von ca. 1530.
Zum besseren Vergleich ist nach jedem Absatz des Originals die Übersetzung angefügt.
Zum besseren Vergleich ist nach jedem Absatz des Originals die Übersetzung angefügt.
Vermerkt die gerechtigkait und vischwait meines genedigen herrn graff Jullion zu Neuen-Stetenwurg, das etwan gehert hat geen Winckhl mit aller herligkait und zuegehörungen.
Vermerkt die Rechtsbefugnis und das Fischereirecht meines gnädigen Herrn Graf Julion zu Neuen-Stetenberg (Grafenegg), das früher gehört hat zu Winckl mit aller Herrlichkeit und Zugehörungen.
Item, unser gerechtigkait hebt sich an im Altenwerdt bei dem alten kettenstecken, und sagt unser gerechtigkait der maisterschaft uber Thuenau, und geet ganz hinab an die Heywiß da Khirchaimer wasser ausser rint.
Also, unser Hoheitsgebiet beginnt in Altenwörth beim alten Kettenstecken*, geht über die Thuenau und geht hinunter an die Heuwiese, wo das Kirchheimer Wasser* herausrinnt.
*Kettenstecken: Pfahl zum Einhängen einer Kette am Wege, als Grenzmarke
*Khirchhaimer Wasser: Kirchheim ist ein verschollener Ort südlich von Absdorf, von dort dürfte ein Gewässer Richtung Donau geflossen sein.
Item, das ist meines genedigen herrn gerechtigkait: wan ain maister ain hausen oder ain duck vecht, so soll er in den vischmaister anfailen und der vischmaister soll den hausen oder duck die an herrn bringen. ob er in kaufen well, so soll er in bezallen in acht tagen; wer aber des nicht, so soll der herr in wissen lassen an oder ab, so geit er die visch wem er will.
Also, das ist meines gnädigen Herrn Gesetz: Wenn ein Meister einen Hausen oder einen Duck (Flussfisch) fängt, so soll er ihn dem Fischermeister anbieten und der Fischermeister soll den Hausen oder den Duck zum Herrn bringen Wenn er ihn kaufen will, so soll er ihn innerhalb von 8 Tagen bezahlen; wenn nicht, so soll es ihn der Herr wissen lassen ob ja oder nein, so kann er die Fische geben, wem er will.
Item, das ist meins gnedigen herrn gerechtigkait: wan ain vischer ausvert für eiß und hat nit zeug genueg und sagt dem vischmaister nicht darzue, der ist schuldig zwaiunddreissig phunt pfening.
Also, das ist meines gnädigen Herrn Gesetz: Wenn ein Fischermeister ausfährt zum Eisfischen und hat nicht genug Fischerzeug und sagt es dem Fischermeister nicht, der muss 32 Pfund Pfennig bezahlen.
Item, ob ain vischer außgieng oder schlueg ain eiß mit ainer hacken und entorret das eiß, der ist umb zwen und sechs schilling pfening zu wandl und ain phunt wax, maister und gselln ain emer wein.
Ebenso, wenn ein Fischer ausgeht und das Eis mit einer Hacke zerschlägt und das Eis verdirbt, der ist mit zwei und sechs Schilling Pfennig bestrafen und ein Pfund Wachs, sowie dem Meister und Gesellen einen Eimer Wein.
Item, das ist der maister gerechtigkait: was er mag umblengen mit ainem gereütersack, da darf er dem herrn nicht davon geben in ainem eißheckln.
Also, das ist der Meister Gesetz: Was er mit einem Reusensack umfangen kann, davon darf er dem Herrn nicht in einer Eishacke geben.
Item, welcher ausvert an sant Steffans tag zu den weinachten ehe die sun aufgeet, der ist umb zwelf pfening zu wandl.
Also, wer am St. Stefanstag zu Weihnachten vor Sonnenaufgang ausfährt, der ist mit zwölf Pfennigen zu bestrafen.
Item, das ain vachort von dem andern ist ain stainwuerf oder [als weit man] mit aim stain gewerfen mag; das ist der maister gerechtigkait.
Also, eine Einbauwand* muß von der anderen einen Steinwurf oder so weit man einen Stein werfen kann entfernt sein, das ist der Meister Gesetz.
*Vachort: Ort des Einbaus einer Abdämmung (aus Holz) im Wasser zu Fischereizwecken
Item, wer setzt ain senkl in ainem segngrunt, der ist umb zwenundsibenzig pfening und ain phunt wax zu wandl; das ist der maister gerechtigkait ain emer wein.
Also, wer ein Senknetz* in einen Fischgrund *setzt, wo mit Netzen gefischt wird, derselbe ist mit zweiundsiebzig Pfennig und einem Pfund Wachs zu bestrafen, das ist das Gesetz der Meister einen Eimer Wein.
*Segngrund: ein Fischwasser, worin mit Netzen gefischt wird. Segen –Netze
*Senkl: Senkgewicht zum Versenken des Fischnetzes
*Senkl: Senkgewicht zum Versenken des Fischnetzes
Item, wer schlecht taupel in ain segngrunt, der selbig ist wandl schuldig zwelf pfening, ain phunt wax und den maistern ain emer wein.
Also wer in einem Fischgrund, wo mit Netzen gefischt wird, schlecht taupelt , der ist mit zwölf Pfennig zu bestrafen, ein Pfund Wachs und dem Meister einen Eimer Wein.
*taupeln: Mit einem größeren Fischnetz an einem Stiel fischen.
Item, das ist der maister gerechtigkait das soll ain reischen aine von der andern funf lessen* lang ligen; und welcher das nit thät, der ist umb zwelf pfenning zu wandl.
Also, das ist des Meisters Gesetz, dass eine Reuse von der anderen fünf Lessen weit entfernt liegt. Wer sich nicht daran hält, ist mit 12 Pfennigen zu bestrafen.
*Lessen: Maßangabe
Item, wan ich kumb mit ainem zeug, mit ainer garnreischen und für das Holtzwasser, so leg ich im die reischen an das lant und leg das mein an die stat; ist unser gerechtigkait.
Ebenso, wenn ich mit dem Fischerzeug komme, mit einer Garnreuse für das Holzwasser, so lege ich ihm die Reuse ans Land und lege dafür meine hinein, dies ist unser Recht.
Item, wer hebt runsen und pricht der nicht auf am dritten tag, der ist schuldig wandl zwenundsibenzig pfening und ain phunt wax, maister und gseln ain emer wein; das ist der maister gerechtigkait.
Wer ein Rinnsal* aufgräbt und dieses am dritten Tag nicht aufmacht, der ist mit 72 Pfennig zu bestrafen und ein Pfund Wachs, dem Meister und Gesellen einen Eimer Wein; das ist der Meister Gesetz.
*Runsen: Rinnsal, das zum Fischen angelegt wird.
Item, wer ausfert an heiligen tägen, an unser lieben frauen tägen oder an suntägen oder an zwelfpottentägen ân des vischmaisters willen, der ist verfallen zwenundsibenzig pfening und ain phunt wax, maister und gsellen ain emer wein; das ist der maister gerechtigkait.
Also, wer ausfährt an heiligen Tagen, an unserer lieben Frauen Tagen oder an Sonntagen oder am Zwöflbotentag* nach des Fischermeisters Willen, der muss 72 Pfennig und ein Pfund Wachs bezahlen, dem Meister und Gesellen einen Eimer Wein; das ist der Meister Gesetz.
*Zwölfbotentag: 15. Juli - der Tag an dem die Apostel sich trennten und in die Welt hinausgingen, um das Evangelium zu predigen.
Item, wer sein zeug nicht aufhebt an unser lieben frauen tägen oder an dem abent und an zwelfpottentägen oder nächten und an suntägen, der ist verfallen zwenundsibenzig pfening und ain phunt wax, maister und gselln ain emer wein; und das nicht thuet bei der sun ehe die sun zu rest geet, der ist umb zwenundsibenzig pfening zu wandl.
Also wer, sein Fischerzeug an unserer lieben Frauen Tagen oder am Abend und am Zwöflbotentag oder -nächten und an Sonntagen nicht heraushebt, der muss 72 Pfennig und ein Pfund Wachs zahlen, Meister und Gesellen einen Eimer Wein. Und wer das nicht tut bei Sonne bevor die Sonne untergeht, der ist mit 72 Pfennig zu bestrafen.
Item, wer vor sant Gilgen tag griebl rämbt, der ist umb zwelf pfening zu wandl, und das ist der maister gerechtigkait, ain phunt wax, maister und gselln ain emer wein.
Wer vor dem St. Ägidius-Tag (1.Sept.) die kl. Grube (zum Fischen) räumt, der ist mit 12 Pfennig zu bestrafen, und das ist des Meisters Gesetz, ein Pfund Wachs und dem Meister und Gesellen ein Eimer Wein.
Item, wer ausfert mit ainem pern oder mit ainer dicken wadt, der ist schuldig zwenundsibenzig pfening zu wandl und ain phunt wax, maister und gselln ain emer wein.
Also, wer mit einem Pern* ausfährt oder mit einer dicken Wadt* der ist 72 Pfennig Strafe schuldig und ein Pfund Wachs, dem Meister und Gesellen einen Eimer Wein.
*Per, peer: an einem Stief befestigtes Fischernetz
*wadt: großes, aus zwei Wänden und einem Sack in der Mitte bestehendes Zugnetz
*wadt: großes, aus zwei Wänden und einem Sack in der Mitte bestehendes Zugnetz
Item, welcher maister nit kumbt an sant Gilgen tag zu den gereider* tailen*, und der hat seine laß gereider versaumbt.
Also, welcher Meister im Ägidius-Tag nicht zu den Gereider Teilen kommt, dessen Anteil am Gereider ist verfallen.
*Gereider: Flechtwerk aus Reisig, das im Wasser befestigt wird und unter dem sich kleine Fische sammeln
*Gereider Teile: Ortsangabe, Platz, wo sich die Gereider befinden.
*Gereider: Flechtwerk aus Reisig, das im Wasser befestigt wird und unter dem sich kleine Fische sammeln
*Gereider Teile: Ortsangabe, Platz, wo sich die Gereider befinden.
Item, welcher stet auf einem gereider und schüt das, der ist umb zwen und sechs schilling pfening zu wandl und ain phunt wax, maister und gsellen ain emer wein.
Also, wer auf einem Gereider steht und es zuschüttet, der ist mit zwei und sechs Schilling Pfennig zu bestrafen, einem Pfund Wachs und dem Meister und Gesellen einen Eimer Wein.
Item, das ist der maister gerechtigkait das ain gereider von dem andern soll ligen ainer weitzillen lang; und welcher des nit hielt, der ist umb zwenundsibenzig pfening zu wandl und ain phunt wachs, maister und gselln ain emer wein.
Also, das ist der Meister Gesetz, dass ein Gereider vom dem anderen eine Fischerzille weit entfernt sein soll, wer sich nicht daran hält, der ist mit 72 Pfennig zu bestrafen und einem Pfund Wachs, Meister und Gesellen einen Eimer Wein.
Item, welcher ain dem andern sein gereider außwürft, der ist umb zwen und sechs schilling pfening zu wandl und ain phunt wax, maister und geselln ain emer wein, und ainem sein schaden abzutragen vor maister und gselln.
Auch, wer dem anderen sein Gereider auswirft, der ist mit zwei und sechs Schilling Pfennig zu bestrafen und einem Pfund Wachs, Meister und Gesellen einen Eimer Wein und muss dem Meister und den Gesellen den Schaden wieder gut machen.
Item, welcher vert für ain gereiter und strit das uber ain per oder mit ainer schaltn drein schuß, als oft man des von im innen wirdt so ist er umb zwen und sechs schilling pfening zu wandl und ain phunt wax, maister und gselln ain emer wein; ist der maister gerechtigkait.
Also, wer um ein Gereider ausfährt und es über ein Fischnetz mit einer Stange* hängt oder es mit der Stange beschädigt, wenn man das über ihn erfährt, so ist er mit zwei und sechs Schilling Pfennig zu bestrafen und einem Pfund Wachs, Meister und Gesellen einen Eimer Wein, das ist der Meister Gesetz.
* Schaltn: Stange zum Abstoßen eines Schiffes
* Schaltn: Stange zum Abstoßen eines Schiffes
Item, das ist der maister gerechtigkait: es sei ain zülln oder holzwerch oder ander ding das er aufvecht mit seiner zillen, das soll er füern zu dem scheffweg, und das er solches behalt vierzehen tag in seiner au. kumbt aber der recht geschöll in vierzehen tagen nicht, so soll er dem thuen wie und er well.
Also, das ist der Meister Gesetz: Sei es eine Zille oder ein Holzstück oder ein anderer Gegenstand, die er mit seiner Zille auffiängt, das soll er zum Weg bringen, der zum Halteplatz der Schiffe führt und das soll er 14 Tage in seiner Au behalten. Kommt der rechtmäßige Besitzer innerhalb von 14 Tagen nicht, so soll er damit machen, was er will.
Item, das ist unser gerechtigkait das wir gelengen mügen mit aim praiten hagken uber die gestetten hinaus. nun mügen wir des nit woll beraichen, es sei holz oder scheiter, so tret wir hinacher drei griet, es sei pfaffen oder hoffleit oder paurn, niemant außgenomen. - und der uns den zeug hebt, es sei reischen oder ander zeug, und begreiften und ubermag den nicht allain, so soll er zu im nemen maister und gselln, und soll im wirhen ain reischen und sol in darein thuen und soll in füern mitten an die naufart, und soll im kaufen ain messer umb ain pfening und soll ims in die hant geben und in werfen in das wasser; mag er sich außschneiden, so ist ime des paß.
Also, ist das unser Gesetz, dass wir mit einem breiten Haken über das Ufere gelangen mögen. Und wenn wir es nicht übersehen mögen, seien es Bäume oder Scheiter, so treten wir drei Schritte hinaus, seien es Pfarrer oder Hofleute oder Bauern, niemand ausgenommen – und wer uns das Fischerzeug herausnimmt, seien es Reusen oder anderes Zeug und nehmen will und wenn er ihn nicht alleine überwältigen kann, so soll er Meister und Gesellen dazu nehmen und soll ihm eine Reuse machen und soll ihn hineingeben und soll ihn mitten auf die Strömung (oder in die Flussmitte) bringen und soll ihm kaufen ein Messer um 1 Pfennig und soll es ihm in die Hand geben und ihn ins Wasser werfen. Wenn er sich herausschneiden kann, so ist es gut.
Item, welcher der ist der ainem sein zeug hebt oder fuder fiert, es sei reischen oder visch oder ander ding, das ainem deup zuegehert, dem ist das hantwerch verpotten und die vischwait, der soll urlaub haben von maister und gselln; und ist unser aller gerechtigkait.
Also, wer dem anderen sein Fischerzeug hebt oder wegführt, sei es Reuse oder Fisch oder etwas anderes, das einem Dieb gehört, dem ist das Handwerk verboten und das Recht zur Fischerei. Der soll vom Meister und Gesellen Abschied nehmen; und ist unser aller Gesetz.
Item, welcher nit kumbt zu mitter vasten, dem soll man kain zilln nicht lassen; und das ist der herrn gerechtigkait.
Also wer zu Mitter vasten * nicht kommt, dem soll man keine Zille lassen, und das ist der Herren Gesetz.
*Mitter vasten: Laetare, 4. Sonntag in der Fastenzeit
Item, welcher sein zillendienst nit verricht zu sant Mertten tag, dem soll der vischmaister die vischwait niderlegen.
Also, wer am Sankt Martinstag nicht seine Fischerabgabe entrichtet, dem soll der Fischermeister seine Fischgründe wegnehmen (bzw. das Fischerrecht entziehen).
Item, das ist der maister gerechtigkait das flidern aine von der andern funf lessen lang soll ligen. der aber des nit thät, der ist umb zwelf pfening zu wandl.
Also, das ist der Meister Gesetz: dass eine von der anderen Schwelle* fünf lessen entfernt liegen sollen. Wer das nicht macht, ist mit 12 Pfennigen zu bestrafen.
*flidern: Schwellenvorrichtung zu Fischereizwecken
Quellen:
G. Winter: Niederösterreichische Weistümer I, Wien, 1886, NÖ Landesbibliothek
G. Winter: Niederösterreichische Weistümer IV, Nachträge und Register, mit einem Glossar, bearbeitet von Josef Schwarz, Wien 1913; NÖ Landesarchiv
G. Winter: Niederösterreichische Weistümer I, Wien, 1886, NÖ Landesbibliothek
G. Winter: Niederösterreichische Weistümer IV, Nachträge und Register, mit einem Glossar, bearbeitet von Josef Schwarz, Wien 1913; NÖ Landesarchiv
Dezember 2011, letzte Änderung April 2024
Maria Knapp
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