Während der Arbeiten zur Errichtung des Donaukraftwerkes Altenwörth wurde ein Schiff geborgen. Es handelt sich dabei um den ältesten Schiffsfund der Oberen Donau. Es kam wahrscheinlich aus Hieflau im Ennstal und sank etwa 1810 – vermutlich wegen seiner schlechten Bauweise und Überladung.
Das Schiff ist als Dauerleihgabe des Historischen Museums der Stadt Krems/Donau im Schifffahrtsmuseum Spitz ausgestellt.
Ein Teil des umfangreichen Fundes befindet sich im Museum Krems:
Die Verlegung der Donau infolge des Kraftwerksbaues ließ, begünstigt durch den gleichzeitig herrschenden Niedrigwasserstand, einen im Flussschotter des alten Donauarmes am linken Ufer bei Stromkilometer 1980,67 eingelagerten Bodenfund von höchstem Seltenheitswert zutage treten. Bereits der erste Lokalaugenschein am Tag der Fundmeldung an die Kulturverwaltung Krems am 10. November 1975 ergab, dass ein historisches Donauhandelsschiff, beladen mit handwerklich erzeugten Eisenprodukten vorlag. Nach den vorhandenen Umrissen war einer kleinere Zillenform mit einer Länge von ca.15 m, einer Breite von ca. 2,6 m und einer Höhe von ca. 0,7 m anzunehmen. Das Schiff muss sich auf Grund seiner Ladung eindeutig auf der Naufahrt befunden haben.
Nach übereinstimmender Auskunft der ältesten Bewohner, der Herren Emerich Mayer (geb. 1890, ehemals Fischereiaufseher) und Rupert Wanko (geb. 1892, Urfahrer), die Zeit ihres Lebens im Bereich der Donau tätig waren, existierte keine mündliche Überlieferung eines Schiffunfalles an der betreffenden Stelle. Die Fundstelle war aber Herrn Wanko bereits etliche Jahre bekannt. Der ehemalige Schulleiter Dir. Friedrich Süß erwähnte bereits vor Jahren Herrn Bürgermeister Ing. Hans Knofel gegenüber Lage und Art des Fundobjektes.
Die Fundstelle lag an der Außenseite der Stromkrümmung, etwa 15 m vom Fuß der künstlichen Uferböschung entfernt. Erst 8 bis 12 m von der Fundstelle gegen die Strommitte hin befand sich der Übergang zur damaligen Fahrrinne, der in diesem Bereich durch eine mit Gesteinskugeln untersetzte Schotterstufe verdeutlicht war. An der Fundstelle scheint zur Zeit des Unglückes ein so hoher Wasserstand geherrscht zu haben, dass nicht nur die üblichen sofortigen, sondern auch eventuelle spätere Versuche, die teure Schiffsladung zu bergen, ausgeschlossen waren. Das Unglück dürfte schon vorher seinen Lauf genommen haben und das Schiff bereits einige Zeit ungesteuert gewesen sein, ehe es - vielleicht ohne Augenzeugen und möglicherweise beeinflusst von einem Wirbel bei der Mühlkamp-Mündung - so tief sank, dass weder die in Altenwörth tätigen „Außifahrer“, noch die auf demselben Ufer gegenwärts strebenden Schiffszüge jemals darauf stießen.
Um die Fundstelle heute aufzusuchen, darf man sich nicht an die neue Kilometrierung beim Kraftwerk halten, denn im Zuge des Kraftwerkbaues wurde die Donau durch das Abschneiden der Biegung bei Altenwörth um einige hundert Meter verkürzt. Da es technisch nicht möglich war, die Strecke bis zum Ursprung neu zu vermessen, wurden ca. 700 Meter vernachlässigt. Das Kraftwerk liegt bei Stromkilometer 1979,8, die nächste Marke im 100-Meterschritt liegt bereits bei 1980,5. Da die Donau, wie schon gesagt, von der Mündung an gemessen wird, muss man von der neuen Marke 1980,6 etwa 700 m dazurechnen, um am Altarm zur richtigen Stelle für den Schiffsfund zu kommen.
Der Fund versprach der Forschung zwei Pioniertaten: erstens die Bergung und wissenschaftliche Bearbeitung eines reichhaltigen Warensortiments der Kleineisenindustrie; vor allem aber zweitens die Ausgrabung eines zum Großteil erhaltenen Schiffskörpers, welche das Bundesdenkmalamt beabsichtigte. Sehr zustatten kam dabei, abgesehen von der glücklichen Fundsituation, die von Seiten der Österreichischen Donaukraftwerke A.G., Bauleitung Altenwörth, in Aussicht gestellte maschinelle Hilfe für die unerlässliche Aufschüttung eines Dammes, um die Fundstelle für die Ausgrabung trockenlegen zu können.
Am 17. Februar 1976, wenige Tage vor Abschluss der diesbezüglichen Gespräche, wurde jedoch die Fundstelle durch einen Schwimmbagger der-selben Firma von Grund auf durchwühlt und dabei in archäologischer Hinsicht völlig zerstört. Der Schwimmbagger war damit beauftragt, in der Fahrrinne nach Gesteinskugeln zu suchen. Baggerarbeiten im Uferbereich, wo die Fundstelle liegt, waren dabei nicht vorgesehen gewesen, aber auch nicht zu ver-denken, da ja auch dort Gesteinskugeln aufgetreten sein könnten. Der Bauleiter räumte allerdings auch persönliche Neugier des Schwimmbaggerführers ein, da die Fundstelle durch wiederholtes Erscheinen den „Grabungswilligen“ bekannt gewesen sei. Er berief sich aber auf das Ersuchen der Kulturverwaltung Krems um Geheimhaltung um zu begründen, dass er den Schwimmbaggerführer nicht von der Lage der Fundstelle in Kenntnis gesetzt hat. Das Schicksal eines Bodenfundes, der einem Unglücksfall zu verdanken war, wurde durch ein neuerliches Unglück endgültig besiegelt.
Die vorgefundene Ladung umfasste Hämmer, Bohrer, Beiß- und Flachzangen, Scheren, Schraubstöcke, Stemmeisen, Hobelmesser, diverse Messerklingen, Säbelklingen, Nägel aller Art, Ahlen, Klampfeln, Maultrommeln, Sägeblätter, Bleche, Bandeisen und Draht. Eine Drahtrolle und mehrere Fässer, mit Nägeln, die zu Klumpen verfestigt waren bildeten zwei gegenüberliegende, krummlinige Wulste, die offenbar die Konturen des Schiffskörpers markierten. Der geringste äußere Abstand zwischen ihnen betrug etwa 1,6 m, der größte etwa 2,6 m. Die Fässer ragten etwa 30-40 cm hoch über das Niveau des Flussbettes heraus. Leicht bewegliche Teile der Ladung waren flussabwärts in geringen Entfernungen lose auf dem Flussschotter abgelagert; kleine Metallgegenstände, wie Maultrommeln, Nägel, Scheren und Hobelmesser, lagen noch in einer Entfernung von 30 m stromabwärts. Im Bereich der Umrisse des Schiffskörpers fanden sich hingegen die gewichtigeren Güter, wie die Drahtrolle und die Nagelfässer, Schraubstöcke und gebündelte Bleche, welch letztere zum Teil beiderseits über die Schiffswände nach außen gestürzt und ziemlich geordnet lagen.
Der Fund kann als Repräsentant der historischen Donauschifffahrt angesehen werden, die zu dieser Zeit ihren zahlenmäßig höchsten Stand erreicht hatte und ausschließlich auf Flößen oder flach gebauten hölzernen Schiffen abgewickelt wurde, wie sie bereits Jahrhunderte vorher in derselben Form die Donauszenerie beherrscht hatten. Der dokumentarische Wert für einen so langen Zeitraum wurde durch die Einmaligkeit des Fundes - handelte es sich doch um den ersten Schiffsfund in Österreich - noch vervielfacht.
Aus einem Objekt der Schiffsladung konnte anhand der Schlagmarke Inerb(erger) H(aupt) G(ewerkschaft) (1)809 die Herkunft und das Herstellungsjahr bestimmt werden. Unter der Annahme, dass die Ware spätestens im darauffolgenden Jahr in den Handel gegangen ist, kann der Untergang des Schiffes mit einiger Sicherheit um 1810 angesetzt werden.
Ein unter dem Schiff befindlicher Eichenstamm, der ursprünglich zehn Meter lang war, wurde ebenfalls geborgen. Er war von vier Metern Schotter bedeckt und lag etwa 7.000 Jahre im Strom, was die Verkohlung an der Oberfläche beweist. Raner, wie solche versunkenen Baumstämme genannt werden, waren von den Schiffleuten gefürchtet, da sie unvermutet aufschwimmen konnten.
Die dargestellte Bauweise entspricht im allgemeinen der Überlieferung. Die mangelhafte Ausführung und Schoppung lässt die Annahme zu, dass das Schiff auf seiner Fahrt so viel Wasser aufgenommen hat, dass es schließlich nicht mehr zu halten war. Auch die nahezu horizontale Lage des Wracks auf dem Flussgrund würde darauf hindeuten, daß das Schiff durch ständigen Wassereinbruch in seiner Schwimmlage gesunken ist. Da sich die Fundstelle in Ufernähe, abseits vom Hauptstrich des Stromes befindet, könnte ferner angenommen werden, daß die Schiffleute versuchten, mit dem sinkenden Schiff das Ufer zu erreichen. Die Gründe, warum man diesem nachlässig gebauten Schiff eine so wertvolle Ladung anvertraut hat, lassen sich bestenfalls vermuten.
Quellen:
Mitteilungen des Kremser Stadtarchivs 15/16, Der Schiffsfund von Altenwörth, 1. Teil: Vorläufiger Bericht, HELMUT HUNDSBICHLER, 1976
Informationstafel im Schifffahrtsmuseum Spitz, 16.7.2017
Nicht benannte Fotos: Maria Knapp
Das Schiff, das zweimal unterging
Ernst Trost, der ein großer Freund der Donau war, veröffentlichte in der Kronen Zeitung einen Bericht über die Auffindung des einst versunkenen Trauners:
Ein uneingeweihter Spaziergänger würde grimmig über die Verschmutzung der Donauufer schimpfen: rostige Metallbänder, verbogen und geknickt, rotbraune Bleche, ein paar faulige Bretter, gekrümmte Nägel, Steine, Schlick, ein Abfallhaufen. Doch das alte Eisen ist älter als man denkt, und deshalb kein altes Eisen mehr. Denn was man hier sieht, gehört zum Strandgut einer kleinen Tragödie. Und die friedliche Strompromenade von Altenwörth, deren Horizont heute allerdings die Erdwalle der Kraftwerkbaustelle einengen, wurde zum Tatort. Denn hier ist ein etwa 170 Jahre altes mit Eisenwaren beladenes Donauschiff gleich zweimal untergegangen. Zuerst zu Napoleons Zeiten und nun vor kurzem, als der Schwimmbagger zuschlug.
Es kann kein Zufall gewesen sein, es muß eine Absicht dahinter gesteckt haben“, sagt man in Altenwörth. Seit nämlich das Fernsehen vor zehn Tagen über das Ende des Schiffes berichtet hat, reißt die Diskussion nicht ab. Bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln liegt ein Strafantrag des Bundesdenkmalamtes; und die Behörden versuchen dahinterzukommen, warum ein Baggerführer aus Ybbs, ein Mann mit Kapitänspatent, die Greifer seiner Maschine ausgerechnet in Ufernähe in die Reste des Donauschiffes geschlagen hat.
Daß er nichts von dem Wrack gewußt hat, erscheint unwahrscheinlich. Nachdem Ausflügler im Spätherbst am Rand der Altenwörther Baustelle, wo sich der Wasserspiegel wesentlich gesenkt hat, die Umrisse eines Schiffes entdeckt hatten, kamen neben den Denkmalschützern und Kremser Museumsleuten bald auch Neugierige und Andenkensammler, die sich dort zu schaffen machten. Und wahrscheinlich spukte in den Köpfen der Menschen die Idee von einem verborgenen Schatz herum – von einer Schiffskasse, von einer Gold- oder Geldkiste usw. Und vielleicht wollte irgend jemand einmal gründlich nach-sehen. Zu gründlich. Und dadurch wurde der wahre Schatz, das Schiff nämlich total zerstört.
„Wir hätten die technischen Möglichkeiten gehabt, das Schiff als Ganzes zu konservieren“. Sagt Frau Dr. Fossler vom Denkmalamt. „Durch unsere Arbeiten an den Pfahlbauten in den Salzkammergutseen sind wir in der Lage, auf chemischem Weg Naßholz gut zu erhalten.“ Das Besondere an dem Altenwörther Fund: man weiß zwar viel über die Donauschiffahrt, man hat viele Bilder davon und Beschreibungen, ein altes hölzernes Schiff ist bis jetzt jedoch keines auf uns gekommen. Das lag schon am System des Donauhandels. Viele Schiffe erlebten überhaupt nur eine einzige Fahrt und wurden am Ziel dem „Plättenschinder“ als Brennholz verkauft; andere wieder hatten eine Lebensdauer von nur ein paar Jahren. Die Schiffsmeister – so hießen die großen Reeder der Donau – ließen alljährlich vor Beginn der Saison meist eine ganze Flotte neuer Schiffe bauen. Wenn ein Schiff sank, versuchte man es wieder zu heben und um jeden Preis die Ladung zu bergen.
Eine erste Überprüfung der Fundstelle ergab, daß das Altenwörther Schiff noch ganz war. Wegen der Tiefe der Donau hatte dort früher niemand an einen Rettungsversuch denken können. Wahrscheinlich wußte man überhaupt nicht, wo das Wrack lag. Mit Hilfe der Donaukraftwerke AG wollte das Denkmalamt im Frühjahr die Fundstelle durch einen Damm sperren und so das Wrack aus dem trockenen Strombett holen. Später wäre es vielleicht einmal im Schiffahrtmuseum in Spitz in der Wachau aufgestellt worden. Vorher hätte die Wissenschaft jedoch unschätzbare Daten über die Schiffbautechnik der Vergangenheit gewonnen. Der Altenwörther Kahn dürfte seine letzte Fahrt um 1800 angetreten haben. Aber bis dahin hatte sich bei der Schiffsbautechnik fast tausend Jahre lang kaum etwas wesentlich geändert.
Doch davon sind jetzt nur ein paar Trümmer geblieben. Im Strafantrag des Denkmalamtes steht zwar auch die Forderung nach Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Das ist jedoch nur ein theoretisches Verlangen, denn das Schiff ist unwiederbringlich dahin. An der Baustelle verantwortet man sich heute damit, daß das Wrack zur Wasserseite hin zu wenig gekennzeichnet gewesen sei. Man hätte es durch eine Boje markieren sollen. Wenn man jedoch an der Stätte der Zerstörung steht, erscheint einem ein Versehen des Baggerführers fast ausgeschlossen. Zu eindeutig ist die Situation. Und doch wird sich der wahre Hergang dieses Kulturfrevels wohl kaum rekonstruieren und be-weisen lassen. Das Boot ist hin, seine Ladung wird jedoch noch so manches vom Donauhandel der Vergangenheit verraten. Im Kremser Historischen Museum sieht es auf dem Schreibtisch Magister Hundsbichlers wie in einer Stahlwarenhandlung aus: der graue Glanz weist die guten Stücke als neuwertig aus. Denn diese Hobel, Sägen, Nägel, Messer und Zangen wurden bereits von ihrer Rostschicht befreit. Und Metallexperten bescheinigten die hohe Qualität des Stahles und Eisens. Bei moderneren Produkten wäre die Korrosion nach einem so langen Bad wesentlich ärger. Und dieses Muster österreichischer Schmiedekunst liefern auch die Spuren und Hinweise für eine langwierige Detektivarbeit zur Ermittlung der Produktionsorte und der Datierung der Ladung.
Das Schiff dürfte ein „Trauner“ gewesen sein, eine der gebräuchlichsten Warenschiffstypen auf der Donau, mit denen vor allem Holz und Salz transportiert wurden. Wegen seinen etwa 15 Metern Länge, 2,6 Metern Breite und einem Tiefgang von nur 70 Zentimetern gehörte das Altenwörther Schiff zu den kleinsten Ausgaben eines „Trauners“. Aber es war schwer beladen: 50 Bündel Bleche (die für Dächer oder als Türbeschläge gedacht waren) zu je 30 Kilo, mehrere Drahtrollen, viele drei Meter lange Bandeisen (für Faßreifen), dann mindestens acht Fässer mit Nägeln, mehr als 100 Säbelklingen, weiters Sägeblätter, Hobel- und Messerklingen (Feitl), Beißzangen, Flachzangen, Hämmer, Bohrer, Stemmeisen, Schusterahlen, einige Schraubstöcke und einige Maultrommeln.
Bis auf die Hämmer und Zangen waren die meisten Fabrikate nur halb-fertig: die Holzteile sollten wahrscheinlich erst in Wien, dem vermutlichen Bestimmungsort der Ware, montiert werden. Über den Herkunftsort werden die Schmiedezeichen Auskunft geben, die in die Klingen eingebrannt sind: Schlüssel, Hämmer, Messer, Säbel und andere Symbole. Aus den Meisterbüchern in Steyr, Ybbsitz oder anderen Zentren der eisenverarbeitenden Kleinindustrie lassen sich danach die Namen der Schmiede herauslesen.
Mit Fuhrwerk, auf der Enns auch per Schiff, wurden die Produkte der Hämmer aus den Bergtälern zur Donau verfrachtet. Und von dort ging die Ware auf die Weltmärkte, bis nach Polen und Rußland, nach Ungarn und in die Türkei. Das Altenwörther Schiff ist das Glied einer phantastisch funktionierenden Handelskette. Die Wirtschaftshistoriker werden durch diesen Fund noch etwas mehr darüber erfahren. Die Donaumenschen, die Schiffahrtskundler und alle, denen Überlieferung, Tradition und Geschichte etwas bedeuten, müssen sich jedoch wehmütig eingestehen, daß Unvernunft oder Habgier oder brutaler Materialismus einen unersetzbaren Wert vernichtet haben.
(Kronen Zeitung vom 14.3.1976, Ernst TROST)
Erika Schwarz, Maria Knapp
März 2012