Ottenthal, ein Dorf in einem freundlichen Thale gelegen, nördlich von Kirchberg am Wagram, südlich von Großriedenthal, ist von der Kremserstraße ¾ Stunden entfernt und wird gegen Osten von einer mäßigen Anhöhe, die sich von Norden nach Süden hinzieht begränzt, während an den übrigen Seiten sich ziemlich flache Felder ausbreiten.
Über den Ursprung dieser Ortschaft so wie über die Entstehung des Namens Ottenthal läßt sich nichts Bestimmtes angeben, da alle Urkunden darüber mangeln. So viel aber dürfte gewiss sein, daß dieses Dorf schon zu Anfang des zwölften Jahrhunderts bestanden habe, denn Fischer zitiert in seiner Geschichte von Klosterneuburg (II.Bd., S.24) eine Urkunde wie folgt: "Domina Hazicha de tregirnwoch tradivit ad altare S. Maria predium suum silum in loco qui dictur Outendale et Veluarum. H.r.t. 5. Henrich filius et Otto de Leginbach." /: Frau Hazicha … spendete zum Altar der h. Maria ihr Gut, das in einer Ortschaft Outendal genannt gelegen war. :/ Somit erscheint dieses Gut zu Ottenthal einer Schenkung einer Ministerialen, das heißt Besitzerin eines Gutes wie es im Mittelalter die fränkischen Könige ihren Vasallen, welche nebst den Kriegsdiensten auch zu Hofdiensten verpflichtet waren, schenkten, zu sein des Grafen Leopold IV. des Heiligen an das Stift Klosterneuburg zur Zeit, als die große Stiftskirche daselbst (zwischen 1114 und 1122) erbaut wurde.
Am 25.7.1316 verschreibt Ortlieb v. Winchel (J.Keiblingers Geschichte v. Melk II.B., S. 850) seiner Gemahlin Erspet welche ihm 350 Mark Silbers Wiener Gewicht gebracht hatte nachstehende Besitzungen: "Alle von Heidenreich dem Burggrafen von Gars und dessen Gemahlin Getraut verbriften Güter zu Rapostal (Ruppersthal) und Ottenthal ferners von Frau Katrein Gunachers des Werders von Drozz Wittwe erworbenen Güter zu Ottentahl und Rytenthal."
Um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts lebte ein Michael, der Riedenthaler, dessen als eines schon Verstobenen in einer Urkunde (Wien 9. Dezbr. 1364) Erwähnung geschieht, da Friedrich von Walser, Hptm. zu Drosendorf, dem Gebhardt, Pfarrer zu St. Stefan (Kirchberg am Wagram zwei Weingärtl verleiht, die ihm Michael der Rittenthalär geschafft (vermacht) hat für 1 lb Geldes, die gelegen sind an der Herwareleitten (Höbersleiten) bei Ottenthal, wovon er jährlich 7 Wiener Pfennige nach Ottenthal dem Amtmanne Friedrich von Walsee dienen soll. In einem Worte von J.K. Kaltenböck (Pau und Burgteidingbücher in Österreich, Bd. 338) vom Jahre 1846 lesen wir: "Sie (die Schöffen) melden weiter bei Irem Eidt, daß die nachbestimmten Aigen Gründt und Güter sambt jene Zugehörungen von Alter her wie vorgemeldet, dem Gotteshaus Klosterneuburg zugehörig je und allweg des Gotteshaus Amtmann zu Maissau mit einbringen der Dienst, Steuer und andere einkohmen bewolwen gewest, der auch all seines Amts treulichen zu verreiten (verrechnen) schuldig /: folgt nun die Aufzahlung darunter :/ Idem zu Rittenthal 2 halbe Lehnen n. s. w. zu Ottenthal ein gantz Lehen ein Hofstatt und Purgknecht auf der Schonn." (Amt Maissau 1512).
Aus diesen wenigen Daten geht hervor, daß Ottenthal nie als eigene Herrschaft bestanden habe, sondern die einzelnen Besitzungen Lehensgüter waren, die in späterer Zeit durch Kauf, Tausch, Vermächtnis oder Schenkung von einer Hand in die andere übergegangen sind. Daraus erklärt sich auch, warum die einzelnen Häuser verschiedenen Grundherrschaften unterthänig waren, nämlich Grafenegg, Klosterneuburg, Gars, Neudegg, Stelzendorf und Winkelberg, unter denen erstere seit beiläufig 150 Jahren zugleich Landgericht, Orts- und Konskriptionsobrigkeit gewesen. In neuester Zeit ist die Gemeinde Ottenthal dem Bezirksgerichte Kirchberg am Wagram und der Bezirkshauptmannschaft Krems zugetheilt. Geschichtlich Merkwürdiges, was insbesondere auf dieses Dorf Bezug hätte, finden wir nichts aufgezeichnet. Den Unbilden des Krieges war Ottenthal insoferne ausgesetzt, als im Jahre 1805 nach der Schlacht bei Austerlitz Franzosen: dahin kamen, aber ohne Aufenthalt weiter zogen. Im Jahre 1809 jedoch hatte französisches Militär durch ¼ Jahr daselbst sein Hauptquartier aufgeschlagen, und die Bewohner waren gehalten, die Soldaten nicht bloß zu verpflegen, sondern auch mit neuer Montur zu versehen. Auf dem Heimwege der Kranken im Jahre 1866 wurden auch hier wie überall, wo die unliebsamen Gäste sichtbar waren, Requisitionen gemacht, die aber erträglicher Natur waren.
Ottenthal zählt gegenwärtig 65 ebenerdige nette in 2 Reihen gebaute Häuser, von denen viele mit Ziegeln gedeckt sind, sie erhielten im Laufe der Zeit durch Um- oder Neubau ihre jetzige Gestalt. Von einem Brandunglück wurde diese Ortschaft im Jahre 1780 einmal und 4 mal im Jahr 1859 und 1860 heimgesucht, beim Brande im Jahre 1780 fielen 6 Häuser in Asche. Achtzehn Wochen später brauste in Folge eines Wolkenbruchs eine so gewaltige Wassermenge gegen das Dorf, daß die abgebrannten und mittlerweile neu erbauten Häuser dem ungestümen Andrängen nicht zu widerstehen vermochten, sondern völlig hinweggeschwemmt wurden, und von ihnen nichts weiter zu sehen war, als die auf dem Erdboden aufsitzenden Dächer. Überhaupt ist hier die Wassergefahr nicht selten. Denn nach heftigen Regengüssen sammelt sich das Gewässer in den Niederungen und wälzt sich gleich einem tosenden Stromme im sogenannten Sandweg nach Ottenthal, das sich jetzt durch 2 längs den beiden Häuserreihen hinlaufenden Dämmen gesichert hat.
Die Bewohnerschaft beschäftiget sich mit Feld und Weinbau. Der ganze Gemeindebezirk umfaßt 1197 Quadratjoche, worin 60 Joch freies Eigenthum der Gemeinde sind. Die Felder liefern viel Roggen, Hafer, türkischen Weizen und die Anhöhen die fast durchwegs mit Reben bepflanzt sind, eine große Quantität Wein welcher zu der besseren Sorte unter den hiesigen Landweinen gehört. Auch erzählt ein Schriftsteller von schönen Obstgärten, die besonders schmackhaftes Obst lieferten, von denen aber jetzt die meistern verbaut sind.
Flüsse, Bäche, Berge und Wälder sind hier nicht vorhanden. Das nöthigste Wasser, welches sich durch besondere Güte auszeichnet liefert ein großer, mitten im Dorfe sich befindlicher Radbrunnen, der ?(unleserlich) tief und ohne Zweifel so alt als das Dorf ist. In neuerer Zeit sind jedoch schon mehrere Hausbrunnen gegraben worden.
Die Einwohner 483 an der Zahl bekennen sich sämmtlich zur katholischen Religion und sind der Pfarre Kirchberg am Wagram zugetheilt. Des in der Jetztzeit seltenen Falles wegen mag angeführt sein, daß bis zum heutigen Tage noch kein Israelit sich in Ottenthal einzubürgern vermochte.
Im Orte besteht eine festgebaute, ihrem Zwecke vollkommen entsprechende Kirche, die mit einem hölzernen Turme und 2 Glocken versehen ist und unter dem Schutze des heiligen Ulrich steht.
Die Erbauung der Kirche fällt in das Jahr 1793 und die Kosten wurden theils aus der Gemeindekasse, theils durch freiwillige Beiträge gedeckt. Die Benediktion derselben hat am 23. Jänner 1794 Grädinger Dechant und Pfarrer zu Kirchberg am Wagram in feierlicher Weise vorgenommen. Dieses für die ganze Gemeinde höchst erfreuliche Fest erhielt durch einen Ackt seltener Großmuth einen erhöhten Glanz. Leopold Ehrentraut, Besitzer des Hauses Nro. 39 in Ottenthal spendete an diesem Tage zur Kirche 500 fl w.w. mit der Bestimmung, daß jeden Sonn- und Feiertag das heilige Meßopfer zum Wohle der ganzen Gemeinde dargebracht werden solle. Nie, auch nicht in spätester Zukunft wird die dankbare Erinnerung an diesen so wie an alle jene Männer durch deren Edelsinn der Bau des Gotteshauses ermöglichet wurde, den Herzen der Dorfbewohner entschwinden, sondern ihr Andenken wird von allen kommenden Generationen stets hoch in Ehren gehalten werden.
Zeugnis hiervon gibt schon die schöne Gepflogenheit, daß täglich am Schluß der hl. Messe für die verstorbenen Wohlthäter 5 Vater unser nebst dem Glauben gebetet werden.
Anfänglich hatten die Ottenthaler nicht Gelegenheit, täglich die hl. Messe zu hören, weil kein eigener Priester angestellt war, und nur alle Sonn- und Feiertage von Kirchberg aus Gottesdienste abgehalten wurden. Aber auf Anregung der damaligen Gemeindevertretung unter dem Ortsvorstande Josef Diwald und dem Gemeinderate Josef Schaupp wurde der Beschluß gefaßt, dahin zu wirken, daß in Ottenthal ein eigener Priester angestellt und ihm der nöthige Unterhalt von Seiten der Gemeinde zugewiesen werde.
Sofort wandte man sich an das f.e. Consistorium, welches der Bitte der Gemeinde auch willfahrte, und die Besetzung der Aushilfspriesterstelle anordnete. Der erste Priester mit einer ständigen Wohnung in Ottenthal Nro. 30 war der hochw. Herr Adolf Eder (geboren 1791, Priester 1816). Derselbe war früher Localkaplan in Ardagger gewesen auf welche Stelle er resignierte. Später wurde er Aushilfspriester in (unleserliche); von wo er nach Ottenthal kam. Hier blieb er vom Jahre 1830 bis 1841 in welchem Jahre er Schloßkaplan in Rettenhof wurde, und jetzt ist benefiziert im Bürgerversorgungshause in der Währingerstraße in Wien.
Vom Jahre 1841 bis 1846 war Ottenthal wieder ohne Priester. Die Wohnung des früheren Benefizienten war etwas weit von der Kirche entfernt, mithin für einen ältlichen und kränklichen Priester zumal im Winter sehr beschwerlich. Das f.e. Consistorium erklärte daher die Benefizientenstelle in Ottenthal erst dann wieder zu besetzen, wenn in der Nähe der Kirche ein eigenes Wohnhaus für den anzustellenden Priester erbaut wäre. Bis dahin sollte die ganze Seelsorge von Kirchberg aus excurrendo versehen werden. Dieß geschah auch. Aber schon im Jahre 1845 brachte die Gemeinde Ottenthal hart an der Kirche einen ensprechenden Baugrund käuflich an sich, und errichtete noch in dem selben Jahre ein ganz solides zweckmäßiges Benefizientenhaus, so daß schon am 5. März 1846 der hochw. Herr Simon Halmschlager in demselben seine Wohnung aufschlagen konnte. Auch er gehörte der Diözese St. Pölten an, ist geboren im Jahre 1795. Wurde zum Priester geweiht 1823, war früher Cooperator an mehreren Pfarren der Diözese St. Pölten, übernahm wegen Kränklichkeit i. J. 1832 die Stelle eines Seelsorger im Bürgerspital zu Wien, wo er durch 14 Jahre thätig war. Allein für diese anstrengende Dienstleistung reichten seine Kräfte nicht aus, somit nahm er keinen Anstand, den wieder zu besetzenden Posten eines Benefiziaten in Ottenthal anzutreten, den er bis zum heutigen Tage, also mehr als 25 Jahre – bekleidet, und seinen Pflichten mit unermüdlichen Eifer Rechnung trägt. Schade, daß derselbe den 5. März 1871 gegen den Wunsch seiner hochwürdigen Nachbarn und gewiß auch seiner Gemeinde ohne jede kirchliche Feierlichkeit vorübergehen ließ.
Die Bezüge der jeweiligen Geistlichkeit in Ottenthal bestehen seitens der Gemeinde in 200 fn CM: oder 210 f Ö.W. nebst 10 Eimern Weinmost. Der Bau des geistlichen Wohnungshauses kostete 3500 fn. Doch wie sah es in Ottenthal mit den schulpflichtigen Kindern aus? Diese waren vor dem Jahre 1830 nach Großriedenthal eingeschult. Im Jahre 1830 errichtete die Gemeinde Ottenthal im Haus Nr. 25 ein Lehrzimmer um jährlich 20 – 25 fn CM: Der Unterricht wurde hierauf von Riedenthal aus excurrendo ertheilt, und auch die Stelle eines Katecheten versah einige Zeit hindurch der Pfarrer von Riedenthal, Paul Rueff, bis der hochw. Benefizient Josef Eder sich zur Ertheilung des Religionsunterrichtes verpflichtete, welche Verpflichtung auf jeden nachfolgenden Aushilfspriester überzugehen hat. Durch f.e. Cons. Decret vom 5. April 1856 wurde angeordnet, daß vom 1. Mai desselben Jahres angefangen ein Unterlehrer von Kirchberg den Unterricht in Ottenthal excurrendo zu übernehmen habe. Diese Einrichtung dauerte bis zum Jahre 1860, in welchem Jahre dem Unterlehrer auch die Wohnung in Ottenthal angewiesen wurde. Bisher war diese Schule eine Filiale von Kirchberg. Im Jahre 1869 wurde diese Filialschule zur Volksschule erhoben unter der Bedingung, daß ein eigenes Schulhaus mit entsprechender Wohnung für den Lehrer errichtet werde. Die Gemeinde erklärte sich damit einverstanden, und schon ist ein geeigneter Bauplatz in der Nähe der Kirche ausgemittelt.
Der erste Unterlehrer daselbst hieß Josef Diri, der jetzige Volksschullehrer heißt Johann Falschlehner. Das Einkommen desselben besteht außer dem gesetzlichen Schulgelde in 12 Mtz. Korn, 10 Eimer Weinmost und 18 fn Ö.W. Gehilfenbeitrag.
Am Ende des Dorfes, auf der Kirchentheilen Seite stand in früherer Zeit ein hölzernes Kreuz, vor welchem einige Betstühle angebracht waren; denn es herrschte der fromme Gebrauch, hier jeden Samstag Abends die Rosenkranzandacht zu verrichten. Im Jahre 1867 ließ Josef Schaupp sen. an dieser Stelle eine ganz neue Kapelle erbauen, und mit einem schönen Gemälde – welches Jesus, Maria und Josef darstellt, ausschmücken. Die Kapelle wurde am 4. Juli 1807 vom hw. Dechant und Pfarrer zu Etsdorf Dominik Sochor unter zahlreicher Assistenz im Beisein der Gemeinde Ottenthal feierlich benediciert.
Um diese Zeit wurde bei der Pfarrgemeinde Großriedenthal und Neudegg der Wunsch rege, es möge ihre Pfarrkirche im Inneren renoviert werden. Der damalige Ortspfarrer Friedrich Heilmann leitete noch im Herbste 1867 eine Weinmostsammlung ein, wodurch eine nicht unbedeutende Summe Geldes erzielt wurde. Dadurch fühlte sich der Abt des Stiftes Melk Clemens Moser als Patron bewogen, im Jahre 1868 eine vollständige Restauration des Inneren der Kirche vornehmen zu lassen. Im Herbst 1868 folgte eine zweite Weinmostsammlung, und im Jahre 1869 wurde die Renovation an der Außenseite der Kirche und des Thurmes vorgenommen, ja der letztere erhielt einen ganz neuen Thurmgiebel, der jetzt der ganzen Gegend zur wahren Zierde gereicht.
Das Beispiel der Riedenthaler und Neudegger blieb nicht ohne Nachahmung. Auch die Kirche zu Ottenthal hatte der Zahn der Zeit bewegt, und besonders hatte der Thurm viel gelitten. Nun beschloß man in ähnlicher Weise wie in Riedenthal vorzugehen, und bei der Weinlese im Jahre 1869 eine Mostsammlung zu veranlassen. Diese fiel besser aus, als man vermuthete, deßhalb folgte im Jahre 1870 eine zweite Mostsammlung und beide Sammlungen brachten die Summe von 450 fn ein. Der hw. Pfarrer von Kirchberg Vincenz Willim erwirkte vom f.e. Consistorium die Erlaubniß, den Überschuß der Kirchenkasse zu Ottenthal im Betrag von 100 fn zum Baue verwenden zu dürfen. Ein Wohlthäter der nicht genannt sein will, spendet ebenfalls 100 fn. Inzwischen waren der Bürgermeister Leopold Paßecker, die beiden Gemeinderäthe Mathias Anhamer und Franz Würtz und sämtliche Außschüße mit Josef Utz, Stadtbaumeister in Krems, der auch in Großriedenthal sämtliche Arbeiten übernommen hatte, in Unterhandlung getreten, die nicht ohne Erfolg blieb. Der Bauplan, die Kirche samt dem einen Thurme vorstellend, fand allgemeinen Beifall, und der Kontrakt wurde am 18. September 1869 abgeschloßen. Der vorgerückten Jahreszeit wegen verschob man den Bau auf das kommende Frühjahr d. J. 1870. Zufolge des strengen Nachwinters konnte die Arbeit erst später, als es gewöhnlich zu sein pflegt, begonnen werden. Aber als man beginnen konnte, ging es um so rascher. Die alten Schale verschwand, und allmählich hüllte sich das Kirchlein in ein neues freundliches Gewand. Der innere Raum wird besonders durch die von Wenzl Fidler angefertigten Wandgemälde gehoben. Über dem Presbyterium zeigen sich zwei Cherubim, kniend um das hochwürdigste Gut in tiefster Demut anbetend. An den beiden Seitenwänden erblickt man je zwei Evangelisten mit ihren Sinnbildern, umrankt von Arabesken, welche in schönen Verschlingungen mit den Rosetten an der Gewölbsdecke sich verbinden. Die Kosten dieser 4 Gemälde betrugen 25 fn Ö:W: welche der H.H. Simon Halmenschlager auf sich nahm. Durch die Großmut eines anderen wohlbekannten Gutthäthers verschwand das Ziegelpflaster, und glatte Kehlheimerplatten bedecken jetzt den Erdboden. An den Kirchensitzen zeigten sich solche Abnutzungen, daß statt einer kostspieligen Reparatur die Beischaffung neuer Stühle beschlossen wurde. Diese Arbeit übernahm der Tischlermeister von Neustift, Georg Biebl, und vollendete sie zur allgemeinen Zufriedenheit. Mittlerweile hatte der Zimmermeister aus Krems, Conrad Heinzl seine Arbeiten zu Ende gebracht und bald sah man das kräftige, schön gearbeitete Thurmgerippe zum Himmel emporragen. Dasselbe ist höher als das frühere gewesen, denn kann man denn wissen, ob nicht etwa, vielleicht bald – hoch oben in den hiezu bemessenen Räumen eine Thurmuhr ihre Wohnung aufschlagen werde? Mit jedem Tag nahm der Thurm eine vollkommenere Gestalt an, und alsbald konnte Rudolf Felbinger, Spenglermeister aus Krems, die Deckung des Thurmdaches mit verzinkten Eisenblech vornehmen. Je mehr sich der Bau seiner Vollendung nahte, desto freudiger schlugen die Herzen der Dorfbewohner, und Jung und Alt sah mit Sehnsucht den 19. Juni des Jahres 1870 entgegen, an welchem Tage das von W. Fidler vergoldete Kreuz samt Kugel auf der Thurmspitze befestigt werden sollte. Allenthalben wurden mit größten Eifer hiezu die Vorbereitungen getroffen, und aller Hände und Köpfe waren vollauf beschäftigt. Während die jungen Burschen in Erwägung zogen, auf welche Weise sie zur Verherrlichung des Festes beitragen könnten, versetzte sich die Männerwelt im Geiste in den Kreis ihrer Bekannten, um ihnen nach bestandenen Mühen des Tages den köstlichen Labetrunk zu reichen; und die Mädchen sich abmühten, am Gewand der Unschuld eine neue Zierde anzubringen, rumorten in den Herzen der Hausfrauen tausend Sorgen, wie sie den gerechten und ungerechten Wünschen und Forderungen ihrer geladenen Gäste gerecht werden könnten. Am Vortage des Festes sah man die Kinder mit Feldblumen beladen und mit wichtigen Mienen nach Hause kehren; denn der 19. Juni sollte ein Doppelfest werden; Vormittags die feierliche Frohnleichnamsprozession, Nachmittags die Aufsetzung des Thrumkreuzes. In sinniger Weise verband der H.H. Pfarrer Vincenz Willim diese zwei Feierlichkeiten. Wie nämlich in der Kirche die Gläubigen ihre Blicke auf das allerheiligste Altarsakrament richteten, um Jesum Christum, der Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit, mit Fleisch und Blut gegenwärtig ist, in tiefster Ehrfurcht anzubeten: so erinnert das hohe Frohnleichnamsfest an die Einsetzung dieses allerheiligsten Altarssakramentes, und die katholische Kirche feiert in demselben den Triumph der Erlösung und der höchsten Liebe; sie erinnert, daß der Herr nicht nur in seinem Tempel, sondern überall gegenwärtig ist, und daß der Gast unter allen Verhältnissen des Lebens sein Aug zu Dem erheben soll, dessen Erlösungszeichen von der Spitze des Thurmes strahlend niederblickt.
Am Vorabende des Festtages aber wurden die Gemüther der Bewohner noch mit banger Besorgniß erfüllt. Einzelne Wolken sah man am klaren Firmamente aufsteigen, die sich immer dichter und dichter zusammenballten. Die Sonne hatte sich unter dem schwarzen Gewölbe verborgen, jetzt erhob sich brausender Sturmwind, und alsbald entlud sich ein schweres Gewitter. Welch ein Bangen und Hoffen! Nichts kündet deutlicher als der grollende Donner und der zuckende Blitz die erhabene Wahrheit: Mensch, du bist in der Hand des allmächtigen Gottes. –
Das Gewitter hatte ausgetobt, durch die Gnade Gottes blieben Felder und Weingärten unbeschädigt, nur ein brausender Wasserstrom durchzog die Niederung des Thales. Alles athmete frei auf, nun fürchtete man für den kommenden Tag, aber welche Freude! Klar und heiter stieg die königliche Sonne empor, fand jedoch die Bewohner Ottenthals schon in der rührigsten Thätigkeit. Die Altäre prangten in frischem Blumenschmucke und unter dem Klang der Glocken wurde der feierliche Umgang gehalten, nach dessen Beendigung Alles nach Hause eilte, um zur zweiten Feierlichkeit der Thurmkreuzaufsetzung seine Vorbereitung zu machen. Schnell verliefen die wenigen Stunden, von allen Seiten trafen Gäste ein, welche der Feierlichkeit beiwohnen wollten, und bald beherbergte das Dorf eine früher kaum gesehene Menschenmenge. Die Christlichkeit, Gemeindevertretung, Junggesellen und Jungfrauen hatten sich im Beneficientenhause versammelt und jetzt ging man daran, die Urkunde, welche in der Kugel des Thurmkreuzes hinterlegt werden sollte, mit den betreffenden Unterschriften zu versehen. Diese Urkunde lautet:
Crux
Balmini hujus turris
Impositae est die 19. Juni 1870.
Imperatore Francisco Josefo I. gloriose Regnante,
Pontifice Pio IX.
Ecclesia gubernacula temente, Principe et Archiepiscopo Josefo Othmaro Aechidioecesi Viennensis feliciter moderante Vincento Willim parochiam Kirchbergensem ad Wagram optime administrante, et Simone Halmenschlager presbytero auxiliario de Ottenthal per bene merente.
Vincentius Willim. Simon Halmenschlager
Mathias Anhamer Josef Schaup
Leopoldi Passecker Franz Würz
Jetzt ertönen Glockenklänge und Böllerschüße und alsbald bewegt sich der festliche Zug aus dem Beneficientenhause in die Kirche. Dort wird das mit Kränzen und Bändern prächtig geschmückte Kreuz in der Mitte des Presbyteriums aufgestellt, während die Junggesellen und Jungfrauen um dasselbe einen Kreis bilden. Nachdem von den anwesenden Priestern die vorgeschriebenen Gebete verrichtet waren, nahm der H.H. Vincenz Willim die feierliche Benediction des Kreuzes vor, durch welche das Zeichen des Sieges und der Erlösung seiner Bestimmung übergeben wurde. Hierauf folgte Vincenz Willim, Pfarrer zu Kirchberg, Simon Halmenschlager, Benefizient zu Ottenthal, Friedrich Heilmann, Pfarrer zu Großriedenthal, Johann Höllerer, Cooperator zu Kirchberg, Franz Zotti, Cooperator zu Kirchberg, die Festpredigt, in welcher der H.H. Pfarrer von Kirchberg das Gefühl der Freude schildert, von dem er durchdrungen sei, und hinweisend auf die hohe Bedeutung des festlichen Tages sprach er mit solcher Kraft und Wärme, daß tiefe Rührung sich der Zuhörer bemächtigte.
Nach der Predigt wurde die feierliche Procession abgehalten. Voran das Banner der Christenheit, die wallende Fahne, nach dieser die Schuljugend an die sich die junge Männerwelt anschloß. Sodann kam das Musikkorps von Kirchberg unter Leitung des dortigen Herrn Schullehrers Anton Langer. Ihm folgten die kleinen weiß gekleideten Mädchen, hierauf das Kreuz, welches auf schön verzierter Tragbahre von vier Junggesellen getragen wurde, während acht Jungfrauen die vom Kreuze niederflatternden Bänder hielten. Hinter denselben ging die Geistlichkeit, Gemeindevertretung und die Gäste, den Schluß machte die ganze Menge des Volkes.
Der festliche Zug bewegte sich unter Böllerschüssen durch die ganze Länge des Dorfes, Gebete und fromme Gesänge wechselten ohne Unterbrechung, bis man wieder zur Kirche zurückgekehrt war. Jetzt wurden die Anstalten zum Aufziehen des Kreuzes gemacht. Die Jünglinge und Jungfrauen erfaßten das Seil und bald schwebt das Kreuz, umfloßen vom Glanz der Sonne in luftige Höhe. Hoch oben steht erwartend der Zimmerpolier Franz Nemczek, und wie das Symbol der göttlichen Liebe sich genähert, ergreift und befestigt er es auf der Spitze des bekränzten und fahnengeschmückten Thurmes, während Hundert von Augen bange und freudig zugleich – demselben nachblickten. Hierauf brachte der H. Spenglermeister Felbinger die üblichen Toaste aus, die von den Anwesenden mit Herz und Mund erwidert wurden. Ein feierliches Te Deum bildete den Schluß des so schönen Kirchlichen Festes. Gewiß werden Alle, die demselben beigewohnt haben, sich dessen stets mit Freude erinnern, und der dreieinigen Gottheit dankend Lob und Preis darbringen.
Preis Ihm, Er schuf und er erhält
Seine wundervolle Welt.
Du sprachst, da wurden Herr, auch wir;
wir leben und dir sterben wir! –
Preis Ihm! Er lebt von Ewigkeit,
wird ein Mensch in der Zeit,
Erlöst, Erlöst hast du uns dir:
Dir leben und dir sterben wir! –
Preis ihm! Es führt des Himmels Bahn,
führt den schmalen Weg hinan!
Geheiligt hast du uns Dir;
Dir leben und Dir sterben wir!
Sing, Psalter! Freudenthränen fließt!
Heilig, Heilig, Heilig ist,
Gott, unser Gott! Jehova, Dir,
Dir leben und Dir sterben wir!
Von dem religiösen Sinne der Bewohner Ottenthals gibt, um von anderem zu schweigen, auch der Umstand ein ehrenvolles Zeugniß, daß man von den gewiß nicht unbedeutenden Kosten keineswegs zurückschreckte, im Gegentheile nach begonnenem Werke lobenswerther Eifer, nach Kräften das Seinige thun, sich kund gab, außerdem noch besondere Spenden gewidmet wurden.
Die Ausgaben stellen sich folgendermassen heraus
1. Renovirung der Kirche im Innern
Maurerarbeiten - fn 92.
Kehlheimerpflasterung - fn 75.
Ventilation samt Kasette - fn 9.
Für das Malen und die Schattierung - fn 9.
Für 24 neue Stühle samt Anstreichen - fn 168.
Für das Malen der 4 Evangelisten - fn 25.
2. Renovirung der Kirche im Äußeren und neuer Thurm.
Maurerarbeit am Thurme und den
Außenseiten der Kirche - fn 156.
Ziegeldeckerarbeit - fn 18.
Zimmermannsarbeit - fn 270.
Spenglerarbeit - fn 120.
Schloßerarbeit - fn 25.
Für das Malen der 4 Zifferblätter - fn 9.
4 Stück Jalousien a 13 fn - fn 52.
Trotz dieser für eine kleine Gemeinde gewiß nicht unbedeutenden Auslagen ging man noch weiter. Die Gemeinde Schlickendorf an der Donau hatte im Jahre 1869 eine ganz neue Kapelle erbauen lassen. In der früheren Kapelle war ein schöner Altar, das Geschenk des Baron Geymüller. Da der Altar sammt dem Altartische in Ottenthal im Laufe der Zeit viel gelitten hatte, wurde auf Anrathen des Baumeisters Utz dieser Altar seitens der Gemeinde Ottenthal besichtigt und auch um 50 fn angekauft. Nun handelte es sich um die Adaptierung desselben, da er für die hiesige Kirche zu groß war. Und diese Aufgabe löste Maler Fidler in befriedigendster Weise und in kurzer Zeit, so daß noch am 12. Dezember 1870 die Benediction des Altares vor sich gehen konnte, die auch in recht erbaulicher Weise vor sich ging. Um 10 Uhr benannten Tages versammelte sich die Gemeinde vor der Kirche, bald erschien die Christlichkeit, welchen weiß gekleidete Mädchen vorausgingen. In der Kirche wurde zuerst gebethet, dann folgte die feierliche Benediction des Altares durch H. Pfarrer Vincenz Willim, welcher hierauf eine heilige Segenmeße las. Nur selten wird in kommender Zeit der Gesang so vollstimmig erklingen, wie es an diesem Tage der Fall gewesen; denn man kann in Wahrheit sagen, daß damals die Gemeindeglieder – groß und klein – vollzählig erschienen waren, um Zeugen zu sein von dem schönen Akte der Altarsbenediction. Nach Beendigung der h. Messe bestieg der H.H. Pfarrer von Kirchberg die Kanzel, und hielt an die Anwesenden eine erhebende Ansprache, in welcher er die Bedeutung eines geweihten christlichen Altares hervorhob, auf welchem täglich das große Opfer der Versöhnung dargebracht wird. Schließlich dankte er der ganzen Gemeinde für das schöne Werk, das sie zur Ehre Gottes zu Ende geführt mit gerührtem Herzen, und fordert Alle auf, bei ihren religiösen Grundsätzen fest zu verharren, und ihren kathol. Glauben durch fleißigen Besuch ihres so schön prangenden Gotteshauses zu bethätigen.
Nach den gewöhnlichen Schlußgebeten war die religiöse Feierlichkeit zu Ende, und hocherbaut verließ die christliche Versammlung die Kirche.
Zusammenstellung.
Ausgaben: Einnahmen
1. Innen Renovation Aus der Kirchenkassa 100 fn.
2. Thurm und äußere Renovation. Der gesammelte Weinmost 450 fn.
3. Neuer Altar 50 fn Von einem Wohlthäter 100 fn.
4. Zurichtung 80 fn. Ersatz der Kehlheimerpflasterung
5. durch einen Gutthäter 75 fn.
Die Mehrausgabe wurde aus der Gemeindekassa bestritten. Somit habe ich mein gegebenes Wort eingelöst, und das Wichtigste, was über Ottenthal theils in alten Urkunden zu finden war, theils noch in der Erinnerung lebte, in diesen Blättern niedergelegt.
Zum Schluße spreche ich den aufrichtigen Wunsch aus, daß der allgütige Gott die Ottenthaler Gemeinde von jedem Unglück bewahren und über sie die Fülle seines Segens ausgießen möge. Mich aber, da ich in derselben so manche schöne Stunde verlebte, empfehle ich – nah und fern, im Leben wie ihm Tode – ihrem Gebete und freundlichen Andenken!
Friedr. Heilmann
Pfarrer in Großriedenthal
September 2012
Maria Knapp