Inwohner ist keine Berufsbezeichnung, trotzdem soll dieser Stand hier behandelt werden, da er für die Landwirtschaft bis zum zweiten Weltkrieg große Bedeutung hatte.
Unter Inwohnern oder Inleuten verstand man bis nach dem 2. Weltkrieg Menschen, die sich kein eigenes Haus leisten konnten und daher bei Hausbesitzern wohnten und dafür eine bestimmte Anzahl von Tagen bei diesen arbeiten mussten.
Im "Handbuch für Orts-Richter" aus dem Jahr 1840 ist über die Ansiedlung von Inwohnern vermerkt: Es ist nicht erlaubt, Jemanden ohne alle rechtmäßige Ursache zu verwehren, daß er sich irgentwo einwohnungsweise niederlasse. Leuten, welche weder verdächtig, noch auch sonst einer bekannten schlechten Aufführung, und die hiernächst ihr Brod auf eine ehrbare Art zu verdienen im Stande sind, und sich über ihr Herkommen und ihren Erwerb auszuweisen vermögen, ist der Unterstandt oder Aufenthalt nicht zu verweigern.
In unserer ländlichen Gegend waren es meist die größeren Bauern, die die Inwohner entweder in Räumen in ihrem Haus wohnen ließen oder die eigene Inleuthäuser (Inleutstöckl) besaßen, wo eine oder mehrere solcher Familien – oft auf engstem Raum – wohnen konnten. Wie eine alte Frau erzählt: "Wir haben auch nicht viel g'habt, aber die haben armselig g'haust!"
Aus den Pfarrmatriken ist kaum zu erkennen, ob der Eingetragene der Hausbesitzer oder bloß der Benutzer war, die Bezeichnung „Hauer“, die sehr oft vorkam, wurde für beide verwendet. Nur aus dem Grundbuch kann man erkennen, wem das Haus wirklich gehört hat.
Die Inwohnerfamilien haben – aus welchen Gründen auch immer – öfters ihre Wohnung gewechselt. So kann man in Winkl die verschiedenen Fischerfamilien, die bis etwa 1800 hier ansässig waren, in den Pfarrmatriken bei den Geburten ihrer Kinder in verschiedenen Häusern antreffen.
Der Platz der Familie war oft nur auf Küche und ein Zimmer beschränkt, wo sie mit all ihren zahlreichen Kindern lebten. Vom Bauern bekamen sie mesit Platz für einige Nutztiere zur Verfügung gestellt, bzw. einen Acker, auf dem sie sich Gemüse und Kartoffeln anbauen konnten. Viele Inwohner übten einen Handwerksberuf aus, wie etwa Fischer, Schneider oder Schuster.
Nach dem 2. Weltkrieg, als sich die wirtschaftliche Lage allgemein besserte und die Inwohner gut bezahlte Arbeiten fanden, wollten sie entweder die von ihnen bewohnten Häuser kaufen bzw. selbst eines bauen. Diese Praxis wurde von den alteingesessenen Bauern und Hausbesitzern mit Argwohn betrachtet und es kam nicht nur einmal vor, dass ein Inwohner ein Haus nicht erhielt, weil gegen ihn intrigiert worden war – es konnte doch nicht sein, dass sich jetzt schon jeder ein eigenes Haus leisten konnte....
Der Weg in die Unabhängigkeit war nicht immer leicht. Die Männer fuhren frühmorgens in die Arbeit auf den Bau oder in ein anderes Gewerbe. Die Frauen mussten daheim alleine die Arbeit mit dem Ochsen auf den wenigen Äckern verrichten, die die Familie zusätzlich bewirtschaftete.
Bauernkinder als Inwohner
In den Bauernhäusern gab es wie überall viele Kinder, aber nur einer konnte die Wirtschaft übernehmen. Einige konnten bei anderen Bauern einheiraten, doch bei weitem nicht alle. Die anderen mussten als Inleute bei Bauern unterkommen. Da die Frau meist aus ebenso armen Verhältnissen kam, sah die finanzielle Lage trist aus. Bei der Heirat musste man nachweisen, dass man eine Familie ernähren konnte, daher dauerte es oft einige Jahre, bis man überhaupt in den Stand der Ehe treten durfte. Nicht selten gab es daher uneheliche (illegitime) Kinder, die einen noch schlechteren Start ins Leben hatten als die anderen Inleutkinder.
Oft handelte es sich auch um Stiefkinder, die von einem Elternteil in die Ehe mitgebracht worden waren, wie dies bei Herrn Grill und seiner Frau, Anna Vock aus dem Hause Beer, der Fall war. Sie hatten zwar zwei Joch Acker, aber nicht einmal einen eigenen Ochsen. Wenn sie ein Zugtier brauchten, ging Herr Grill zu seinem Halbbruder, Karl Schmidt, um es sich zu borgen, Frau Grill ging zu ihrer Mutter, um sich einige Lebensmittel zum Kochen zu holen, da es an Geld mangelte, da auch die Raten für das erworbene Haus bezahlt werden mussten. Oft hatten die Buben Hunger. Doch in der Zeit nach dem Krieg schafften es alle drei Kinder der Familie, zu Wohlstand und Ansehen zu kommen.
Zwei Familien sollen hier stellvertretend näher beschrieben werden:
Familie Weinwanschitzky, Winkl
Josef Weinwanschitzky stammte aus Putzlitz in Böhmen. Er heiratete 1880 Anna, die Tochter des Halblehners Leopold Blauensteiner von Winkl 18. Hier kamen zwischen 1882 und 1890 sechs ihrer sieben Kinder zur Welt.
Laut Grundbuch wurde das Haus 1883 - wahrscheinlich aufgrund von Geldschwierigkeiten - an das Ehepaar Löschel verkauft, die Weinwanschitzkys sind als Inleute weiter im Haus geblieben. Als Tochter Anna im Jahr 1891 verstarb, wohnte die Familie schon im Inleuthaus der Familie Engelmann, Nr. 32. Hier kam im Juni 1893 noch die letzte Tochter, Marie, zur Welt. Wie den Schulmatriken zu entnehmen ist, zog die Familie im Oktober 1893 nach Korneuburg.
Familie Grill, Winkl
Inwohner, deren Nachkommen noch im Ort leben, waren Leopold Grill und seine Gattin Leopoldine, geb. Vock. Er war der uneheliche Sohn von Katharina Grill aus Kollersdorf, die Johann Schmidt von Winkl 26 heiratete. Auch Leo-poldine war ein uneheliches Kind. Nach ihrer Heirat lebten sie im zugigen, schwer heizbaren Inleuthaus der Familie Wimmer in Winkl 11. Sie verdingten sich als Taglöhner, unter anderem beim Wiesenmähen. Nach Jahren mühevoller Arbeit konnten sie 1932 das Haus Nr. 35 erwerben.
Die Abzahlung des Kaufpreises war nicht leicht, die wirtschaftlichen Verhältnisse blieben lange Zeit angespannt. Leopold Grill holte sich wiederholt das Pferd seines Halbbruders Karl Schmidt für Feldarbeiten, seine Frau ging um Lebensmittel zu ihrer Mutter, um für ihre drei Kinder kochen zu können. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war Leopold Grill schon so angesehen, dass er zum Bürgermeister gewählt wurde.
Durch viel Fleiß und harte Arbeit brachten es zwei der Söhne zu Wirtschaftsbesitzern, Herbert, der jüngste Sohn war Postbediensteter und betrieb im Ort einige Jahre lang eine Heurigen.
Inwohnerhäuser in Winkl
Inwohner in Kirchberg
Aus der Dissertation von Dr. Franz Eiselt:
Inleute waren meist Knechte, Mägde und Taglöhner, aber auch Gesellen. Man galt als Inwohner, wenn man verheiratet war und ein Bürger, bei dem man wohnte, die Bürgschaft übernommen hatte. Die Heiratserlaubnis erteilten Richter und Rat. Die Inwohner zahlten an Zins und Vogtgeld 1 fl 30 xr an den Markt. Außerdem waren sie verpflichtet, bei jedem Bürger, der es wünschte, zur Arbeit zu erscheinen. Beim Verwalter zu Oberstockstall mussten sie, auf Marktgerichtsbeschluss hin, gegen billigen Lohn beim Mähen helfen. Die kaiserlichen Befehle hatten sie nach Stockerau oder Krems zu überbringen. Bei jeglicher Weigerung drohte man ihnen mit Ausweisung aus dem Markte.
Überdies waren die Bürger bestrebt, nur Tagwerker, und keine Handwerker als Inwohner aufzunehmen, denn die Tagwerker leisteten sämtliche Feldarbeit und brachten auch die Ernte ein, von den Handwerkern aber fürchtete man die Einengung des eigenen Wohlstandes.
Der Rat war darauf bedacht, dass nicht zu viele Inwohner den Ort belasten und lehnte daher viele Aufnahmeansuchen ab. Genaue Inwohnerverzeichnisse sind für die Jahre 1765 bis 1783 bekannt. Bei einer Obergrenze von 17 (1765) und einer Untergrenze von 9 Inwohnern (1780) ergab sich insgesamt ein Durchschnitt von 13 bis 14 Inwohnern pro Jahr.
Die Hinterlassenschaft des Berhard Kirchthaller, Viehhalter, betrug laut Inventar aus dem Jahr 1758:
Bargeld | 6 fl 15 xr |
Hausrat | 11 fl 56 xr |
18 fl 11 xr | |
ab Passiva | 14 fl |
4 fl 11 xr |
Grundstücke | 52 fl |
Hausrat | 28 fl 17 xr |
80 fl 17 xr | |
ab Passiva | 53 fl 46 xr |
26 fl 31 xr |
Dr. Franz Eiselt beschreibt in seiner Dissertation das Los armer Gewerbetreibender, die oft als Inwohner im Markt geduldet wurden: 1765/66 werden auf Ansuchen ein Knöpfemacher und ein Strumpfwirker in den Markt aufgenommen; sie verschwinden aber bald wieder von der Bildfläche. Der Nadler Franz Ullmann hatte das gleiche Schicksal. Er wurde 'inwohnungsweis' aufgenommen, nachdem vor ihm bereits ein Nadler mit folgenden Worten abgespeist wurde: 'Weil aber kein haus um solches künftlich an sich zu bringen dermahlen vorfindig, überhaupt aber sein gewerbtrieb hier nicht viel seyn will, als ist ihm nadler von raths wegen mitgegeben worden, daß in sein bitten nicht gewilliget werden kann, und sohl sein glück in einem andern orth suchen.
Robotleistung der Inwohner
Quellen
Dissertation von Dr. Franz Eiselt: Beiträge zur Geschichte des Marktes Kirchberg am Wagram unter besonderer Berücksichtigung des Zeitraumes 1650 – 1806, Wien 1973
Pfarrmatriken Kirchberg am Wagram
Handbuch für Orts-Richter, Thomas Hofer, 1840
Grafenegg Handschriften
Juni 2014, letzte Änderung April 2024
Maria Knapp