Kollersdorf 3
Am 26. März 1865 wird der Kauf der Liegenschaft im Grundbuch eingetragen. Als Käufer treten die Ehegatten Alois Reiser (geb. am 3.11.1833, verst. am 20.5.1905 in Sachsendorf, Armenhaus), wohnhaft in Kollersdorf 3 und Anna (geb. am 3.6.1834), auf. Anna, geborene Leutner, ist verwitwet nach Michael Steinpatz von Sachsendorf 5. Alois ist, wie schon sein Vater, von Beruf Hauer. Das Schicksal hat es mit dem Ehepaar Reiser nicht gut gemeint. Vier Totgeburten und die Versteigerung des Hofes im Jahr 1879 dürften den Eheleuten schwer zu schaffen gemacht haben. Als Käufer ist Anton Leutner (geb. am 9.10.1818 in Sachsendorf 27, verst. am 19.3.1898 in Sachsendorf 35) aufgetreten, der Eintrag im Grundbuch ließ allerdings sechs Jahre auf sich warten.
Ein erster Hinweis, dass hier das Gast- und Schankgewerbe ausgeübt wird, findet sich 1883. Am 22. Juni ist im Alter von 77 Jahren Theresia Leutner, Eheweib des Anton Leutner, Wirt in Kollersdorf 3, verstorben. 1885 heiratet er die Greißlerstochter Maria Frank aus Thürnthal.
Mit Kaufvertrag vom 10. Februar 1887 erwerben die Ehegatten Franz Leitenhuber (geb. am 8.7.1848) und Anna (geb. am 9.7.1855, geb. Groiß von Oberseebarn 32) das Eigentumsrecht. Franz Leitenhuber, Hausbesitzer und Gastwirt in Oberseebarn, meldet am 24. Februar 1887 bei der Bezirkshauptmannschaft Krems das Gast- und Schankgewerbe an. Die Anfrage vom 16. Mai, ob die Lokalitäten für die Gewerbeausübung geeignet sind, wird vom Gemeinderat einstimmig bestätigt.
Noch im selben Jahr verkaufen die Ehegatten Leitenhuber die Liegenschaft an Karoline Hof aus Sachsendorf. Der Kaufvertrag datiert vom 9. August 1887. Zwei Tage später meldet sie das Gast- und Schankgewerbe an. Auch Karoline Hof betreibt das Wirtshaus nur wenige Jahre. Sie verkauft es im Oktober 1890 an das Ehepaar Johann und Katharina Diewald und meldet die Gewerbeausübung ab.
Ob das Gewerbe durch die neuen Eigentümer fortgeführt worden ist, bleibt offen, ist jedoch eher unwahrscheinlich, da die Ehegatten Diewald ein Jahr zuvor die Liegenschaft Kollersdorf 5 durch einen Grundstückstausch erworben haben und dort das Gast- und Schankgewerbe ausüben. Sicher ist, dass der Gasthausbetrieb spätestens mit der Übernahme durch ihren Sohn Anton und dessen Gattin Franziska im Jahr 1906 geendet hat.
Ein Blick auf den Franziszeischen Kataster von 1823 zeigt, dass der Gebäudebestand nahezu unverändert geblieben ist. Auffallend sind die unterschiedlichen Fenster. Diejenigen rechts vom Einfahrtstor sind Wohnräumen zuzuordnen, links davon war das Wirtshaus eingerichtet. Dies ist auch Josef Diewald, einem Nachkommen, aus Erzählungen in Erinnerung.
Kollersdorf 5
Nach dem Tod ihres Gatten Franz ist Theresia Bennersdorfer im Jahr 1888 alleinige Eigentümerin der Liegenschaft. Durch ein Tauschgeschäft erwerben die Ehegatten Johann Diewald (geb. am 13.10.1851, verst. am 14.12.1932 in Mallon) und Katharina (geb. am 6.11.1853, geb. Grill von Kollersdorf 27, verst. am 25.10.1921 in Mallon), Hausbesitzer in Kollersdorf 28, den Hof mit 23. Mai 1889. Unmittelbar danach, am 2. Juni, beantragt Johann Diewald bei der Bezirkshauptmannschaft Krems die Änderung des Konzessionsurkunde auf den neuen Standort, die mit Datum 8. Juni 1889 erteilt wird.
Entstanden sein dürfte zu dieser Zeit die Mauerabschrägung mit dem Eingang in die Gaststube. Vom daran anschließenden Extrazimmer gelangte man über die Durchfahrt in den Saal, welcher mit einem Podium für die Musikanten ausgestattet war. Der dahinter liegende, an das Gässchen angrenzende große Schuppen, fand bei Kirtagen und Kirchweihfesten Verwendung. An der Südseite des Hofes gab es eine Kegelbahn.
Am 28. Februar 1904 hält der Bezirksfeuerwehrverband Kirchberg am Wagram seinen 18. Bezirksfeuerwehrtag ab, welcher sehr gut besucht war. Johann Diewald übt das Gast- und Schankgewerbe bis 1906 aus. In diesem Jahr übernehmen Sohn Leopold (geb. am 24.10.1878) und seine Ehegattin Anna (geb. am 16.4.1880), Tochter des Freihofbesitzers Anton Söllner in Kollersdorf 40, den Hof. Im Ehe- und Erbvertrag vom 25. April 1906 findet die Gasthauseinrichtung Erwähnung, ihr Wert wird mit 50 Kronen bemessen. Das Konzessionsdekret für das Gast- und Schankgewerbe wird am 8. Mai 1906 für Leopold Diewald ausgefertigt.
Schon wenige Jahre später muss die Familie einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen. Eine Rippenfellentzündung reißt den jungen Familienvater aus dem Leben, Leopold Diewald stirbt im Alter von 30 Jahren am 2. April 1909. Aufgrund dieser tragischen Umstände ist die Witwe gezwungen, alles zu unternehmen, um den Betrieb fortzuführen. Am 6. April beantragt sie die Übertragung der Konzession für das Gast- und Schankgewerbe, wenige Monate später, am 10. August, heiratet sie Alois Walzer (geb. am 2.6.1882) aus Neustift im Felde.
Alois Walzer wird Miteigentümer am Wirtschaftshof und beantragt am 28. September die Gast- und Schankgewerbekonzession. Der zur Abgabe einer Stellungnahme aufgeforderte Gemeinderat befürwortet den Gastgewerbebetrieb, die Konzession wird am 28. Oktober 1909 ausgestellt.
Auch Alois Walzer stirbt jung. Er erliegt am 11. März 1920 im 38. Lebensjahr einem Herzleiden.
Die Witwe steht wieder vor einer großen Herausforderung, im Haushalt leben ein Kind aus erster und vier Kinder aus zweiter Ehe. Sie fasst den Entschluss, wieder zu heiraten. Am 8. September schließen Anna Walzer und Kaspar Pichler (geb. am 21.1.1882), Haus- und Wirtschaftsbesitzerssohn aus Wösendorf in der Wachau, in Mariazell den Bund der Ehe. Anna Pichler legt am 30. Dezember 1920 das Gewerbe zurück. Die Bezirkshauptmannschaft Tulln führt als Geschäftsnachfolger Kaspar Pichler, die Konzessionsurkunde datiert vom 5. Februar 1921. Hinweise in den Jahren 1922 und 1923 berechtigen zur Annahme, dass auch eine Tabaktrafik geführt wird.
1 Magerl, 2 Ploiner, 3 Kaspar Pichler, 4 Rosa Walzer, 5 Eibensteiner,
6 Anna Walzer, 7 Hieronymus Magerl, 8 Franz Hackl, 9 Söllner,
10 Diewald
Im Verlassenschaftsakt, ebenfalls vom Mai 1944, wird Kaspar Pichler als Bauer in Kollersdorf 5 geführt.
Am 21. September 1952 stirbt Kaspar Pichler im 71. Lebensjahr. Seine letzte Ruhestätte findet er in St. Michael in der Wachau. Erst im Jahr 1955 ist im Amtsblatt über die Zurücklegung des Gast- und Schankgewerbes zu lesen. 1957 stellt die Bezirkshauptmannschaft Tulln in einer Anfrage bezüglich der beabsichtigten Gastgewerbeausübung des Franz Bachmayer fest, dass das Gasthaus des Kaspar Pichler seit 1952 nicht mehr in Betrieb und die Konzession damals gelöscht worden ist.
Alois Walzer, geboren am 24. Dezember 1912, der älteste Sohn aus zweiter Ehe, übernimmt den Hof und führt nur mehr einen landwirtschaftlichen Betrieb.
Kollersdorf 28
Für sehr kurze Zeit wird hier das Gast- und Schankgewerbe ausgeübt. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1875 übernimmt Johann Diewald (geb. am 13.10.1851) das Haus und den landwirtschaftlichen Betrieb. Bei der Hochzeit am 9. Mai 1876 geht die Hälfte der Liegenschaft an seine Ehegattin Katharina, eine geborene Grill von Kollersdorf 27. Das Gast- und Schankgewerbe meldet Johann Diewald am 11. Jänner 1887 bei der Bezirkshauptmannschaft Krems an. Das Konzessionsdekret datiert vom 14. März 1887. Ausgeübt wird das Gewerbe bis zum Erwerb der Liegenschaft Kollersdorf 5 im Mai 1889.
Kollersdorf 36
Vinzenz Woboschill übt in Kollersdorf 36 nicht nur das Gast- und Schankgewerbe aus, er ist auch als Viktualienhändler tätig. Der Handel mit Lebensmittel für den täglichen Gebrauch ist in einer Notiz vom 7. April 1851 im Protokollbuch der Gemeinde über die ausgestellten Heimatscheine dokumentiert. Ein sehr interessanter Hinweis findet sich in der Gemeinderechnung von Sachsendorf: Am 27. September 1852 dem Wirte Vinzenz Woboschill den Betrag, welcher durch die Hilfeleistenden bei der Feuersbrunst verzehrt wurde, bezahlt mit … 29 kr. Der Großbrand vom 4. Juli 1852 vernichtete in Sachsendorf 18 Wohnhäuser, deren Nebengebäude und Stallungen.
1865 wird Juliana, Eheweib des Vinzenz Woboschill, in den Pfarrmatriken als Viktualienhändlerin genannt, zwei Jahre später als Ausnehmerin in Kollersdorf 36. Dies berechtigt zur Annahme, dass die gewerblichen Tätigkeiten um 1865 beendet worden sind.
Vinzenz Woboschill verstirbt als Inwohner am 21. September 1879 im Alter von 79 Jahren in Kollersdorf 3, Juliana am 14. Mai 1887 im Alter von 82 Jahren im Armenhaus in Kollersdorf.
Unbeantwortet bleibt die Frage, warum Vinzenz Woboschill seinen Beruf als Schneidermeister in Sachsendorf 14 aufgegeben hat. Als solcher wird er bei seiner Eheschließung im Jahr 1830 im Trauungsbuch der Pfarre Altenwörth genannt.
Kollersdorf 40
In der 2022 erschienenen Broschüre Freihof zu Kollersdorf – Baudenkmal mit Geschichte sind nur wenige Hinweise über die Ausübung des Gast- und Schankgewerbes zu finden, da man sich als einzige Quelle auf die Eintragungen in den Pfarrmatriken beschränken musste. Fest steht, dass nicht die Herrschaft dieser Profession nachging, sondern die Bewohner der Seitentrakte, also die Inwohner, auch Inleute genannt. Sie fanden Unterkunft bei den Hausbesitzern und stellten als Gegenleistung ihre Arbeitskraft für eine bestimmte Anzahl von Tagen zur Verfügung. Beim Gasthausbetrieb ist eher von einem Pachtverhältnis auszugehen.
Der straßenseitige Eingang würde für den linken Seitentrakt sprechen. Zu bedenken ist, dass vermutlich die ohnehin bescheidenen Wohnräume des Pachtwirtes teilweise auch als Lokalität herhalten mussten. Ein in heutiger Zeit überhaupt nicht mehr vorstellbares Szenario.
1846 ist Josef Berndl als Gastwirt genannt, 1851 und 1852 führt Martin Hütler das Wirtshaus. Der letzte Eintrag in den Pfarrmatriken findet sich 1853. Martin Schlosser, er war zuvor Inwohner in Kollerdorf 50, ist als Maurer und Pachtwirt eingetragen. Die Benennung als Pachtwirt ist bei der Geburt seines Sohnes Josef vermerkt, bei den nachfolgenden Kindern steht nur die Berufsbezeichnung Maurer. Die Familie Schlosser ist jedenfalls bis 1866 hier wohnhaft.
Kollersdorf 55
Diese Liegenschaft ist durch Teilung des rechter Hand liegenden Grundstücks Kollersdorf 37 entstanden. Die straßenseitige Bauparzelle wurde bereits um 1840 abgetrennt, die daran anschließende Gartenparzelle 1883. Dies erklärt, warum die Hausnummer aus der Reihe fällt. Im selben Jahr haben die Ehegatten Franz und Katharina Wurz die Liegenschaft erworben.
In diese Zeit fällt der Beginn einer gewerblichen Tätigkeit, jedoch nicht als Gasthaus, sondern als Krämerei. Geführt wird diese vermutlich in einem Pachtverhältnis von Leopold Metz (geb. am 6.1.1856), Sohn eines Bindermeisters in Gföhl. Er wird bei seiner Eheschließung am 25. Februar 1884 in Altenwörth als Krämer in Kollersdorf 55 bezeichnet. Dies trifft auch bei der Geburt von Tochter Katharina am 5. Juni 1884 zu. Bei zwei weiteren Kindern wird Leopold Metz als Krämer in Kollersdorf 55 erwähnt, die Kinder wurden jedoch in Kollersdorf 43 geboren.
Anfang 1885 erwerben Johann und Magdalena Hallmayer die Liegenschaft, verkaufen sie jedoch wenige Monate später an die Ehegatten Franz und Gabriele Mayerböck. Im Juni 1888 beendet Leopold Metz die Gewerbeausübung, übersiedelt mit seiner Familie nach Altenwörth und betreibt dort eine Greißlerei. Die Eintragungen in den Pfarrmatriken lassen den Schluss zu, dass die Krämerei einige Zeit gemeinsam geführt worden ist, da Georg Mayerböck bei der Geburt seines Sohnes Matthias am 2. Juni 1886 als Gemischtwarenhändler benannt ist.
Am 22. Mai 1890 meldet Georg Mayerböck bei der Bezirkshauptmannschaft Krems das Gast- und Schankgewerbe an. Er übt das Gewerbe bis Anfang Dezember des Jahres 1892 aus. Georg Mayerböck wurde 1853 in Gigling, Pfarre Mehrnbach, Oberösterreich, als uneheliches Kind in ärmlichen Verhältnissen geboren. Am 20. Juli 1882 heiratete er in Znaim Gabriele Halla, Tochter eines dort ansässigen Optikers. Georg Mayerböck war zu dieser Zeit bei der gräflichen Familie Thun in Znaim bedienstet. Von den fünf zwischen 1886 und 1891 in Kollersdorf geborenen Kinder sterben drei im ersten Lebensjahr.
Wegen Übersiedlung beschließt die Familie Mayerböck den Verkauf der Liegenschaft und schaltet folgende Zeitungsinserate:
Neues Wiener Tagblatt (Tagesausgabe), 4. Juli 1892
Hausverkauf sammt Gemischtwarenhandlung und Wirthsgeschäft, k.k. Tabak=
Trafik und Branntweinschank. Das Haus inmitten des Ortes, sehr gut und feuersicher gebaut, mit geräumigem Geschäftslokal und Wohnungen (Keller, Brunnen, gewölbter Stall, Kegelbahn, samt anstoßendem Obstgarten), die Geschäfte im besten Betriebe. Preis 3.800 Gulden. Anfragen beim Eigentümer, Kollersdorf Nr. 55, Post Kirchberg am Wagram.
(Neuigkeits) Welt Blatt, 16. September 1892
Haus=Verkauf. Haus für Gemischtwarenhandlung, Wirthsgeschäft, Branntweinschank, k.k. Tabak=Trafik, die Geschäfte im besten Betriebe, wegen Übersiedlung um 2.500 Gulden sofort zu verkaufen. Anzahlung 2.400 Gulden. Nur direkte Käufer, Antwort mit Retourmarke. Kollersdorf 55, Post Kirchberg am Wagram, Niederösterreich.
Als Käuferin tritt Charlotte Tschinkl, geborene Wanderer, auf. Der Kaufvertrag datiert vom 3. Dezember 1892. Zuvor hat sie in Kollersdorf 8 eine Landkrämerei mit Petroleumverschleiß geführt. Sie übernimmt die Landkrämerei und übt auch das Gast- und Schankgewerbe aus. Ihr Aufenthalt in Kollersdorf ist nicht von langer Dauer. Sie entschließt sich zum Verkauf der Liegenschaft und gibt folgendes Inserat in Auftrag:
Neues Wiener Journal, 11. März 1894
Kleines Haus sammt Gasthaus, Krämerei, Tabak=Trafik, Branntweinschank, mitten im Orte, in guten Betriebe, Kegelbahn sammt anstoßendem Acker, mit Gewölbeeinrichtung um 3.000 Gulden zu verkaufen. Adresse: Kollersdorf 55, Station Fels, Franz Josef Bahn.
Charlotte Tschinkl, sie stammt aus Brünn im heutigen Tschechien, übersiedelt nach Wien.
Der Kaufvertrag vom 24. August 1894 weist die Ehegatten Victor und Maria Wachtl als neue Eigentümer aus. Die Ausübung des Gewerbes findet bald ein jähes Ende. Am 25. März 1895 verstirbt der in Jasowitz in Mähren geborene und nach Wien zuständige Victor Wachtl im Alter von 39 Jahren. Es folgt eine kurze Weiterführung als Witwenbetrieb. Maria Wachtl verkauft am 17. Mai 1895 die Liegenschaft an Andreas und Maria Hartl.
Ende Mai schreibt sie an Bürgermeister Anton Söllner:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Wien am 29. Mai 1895
All die Freundschaft und Gefälligkeit die Sie mir während meines Aufenthaltes in Kollersdorf zu teil werden ließen, veranlassen mich Ihnen, wie auch ihrer werten Frau nochmals, schriftlich meinen herzlichsten Dank abzustatten. Ich bin vorigen Dienstag abends ganz wohlbehalten in Wien eingetroffen und habe mich seither schon ziemlich eingewöhnt. Ich wollte vor meiner Abfahrt von Kollersdorf bei Ihnen Herr Bürgermeister, noch Geld deponieren, im Falle noch Steuern auszugleichen wären, habe aber zum Schlusse ganz darauf vergessen, ich bitte Sie deshalb Herr Bürgermeister, mir mitzuteilen, wenn ein Zahlungsauftrag für mich zugeschickt werden sollte, ich werde das Geld dann gleich schicken. Auch kann ich mich nicht mehr erinnern ob ich Herrn Bürgermeister meine jetzige Adresse mitgeteilt habe, zur Vorsorge merke ich sie unten an. Meine Lose bitte ich einstweilen aufzuheben, wann ich nach Kollersdorf komme, werde ich mir selbe abholen. Sollten Herr Bürgermeister in Wien zu tun
haben, da würde es uns sehr freuen, wenn Sie uns besuchen würden. Zum Schlusse begrüßt Sie Herr und Frau Bürgermeister herzlichst ihre dankschuldige
Marie Wachtl.
Meine Tante schickt auch viele Grüße und Annerl einen Handkuss wie an Mariderl viele Busserln.
Auch Anton, Lois, die Johanna und Annerl grüße ich bestens.
Marie Wachtl, XVI/2, Fröbelgasse Nr. 35, 2 Stock, Tür 13. Wien.
Andreas Hartl (geb. am 10.3.1861), Sohn eines Viertellehners aus Berg bei Bruck an der Leitha, übte zuvor in Traismauer das Gast- und Schankgewerbe als Gasthauspächter aus. Seine Ehefrau Maria - die Eheschließung hat am 17. Oktober 1893 in Traismauer stattgefunden - wurde am 8. September 1870 in Mutten, Pfarre Sitzgras, Bezirk Datschitz in Mähren, als Tochter des Schneidermeisters Mathias Gangl geboren. Andreas Hartl führt das Gasthaus und die Krämerei. Den Eheleuten werden sechs Kinder geboren, drei Knaben und drei Mädchen. Josef und Johann sterben bald nach ihrer Geburt. Andreas (geb. am 4.3.1898) beginnt 1912 eine Schiffbauerlehre, ist aber als Betriebsnachfolger vorgesehen.
Im Februar 1929 erhält Andreas Hartl in Anerkennung der 36jährigen erfolgreichen Ausübung das Gastgewerbes ein Anerkennungsdiplom des Gewerbeförderungsinstitutes der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Wien verliehen. Die feierliche Überreichung der Auszeichnung erfolgt am 21. April in Kirchberg am Wagram.
Am 10. April 1932 findet die Baukommission für die Errichtung einer Kegelbahn statt. Die mit Ziegeln gedeckte Holzkonstruktion hat eine Länge von 19 und eine Breite von 1,90 Metern. Die Kegelbahn grenzt unmittelbar an den Verbindungsweg zwischen Landesstraße und Hintausweg an und ist bis heute erhalten geblieben.
Im Jahr 1937 kommt es zu einem Generationswechsel. Der Übergabsvertrag vom 1. Juni ist Grundlage für die Fortführung des Gastgewerbes und des Gemischtwarenhandels ab 1. Jänner folgenden Jahres durch die Brautleute Andreas Hartl (geb. am 4.3.1898) und Leopoldine Söllner (geb. am 26.1.1912), Tochter des Freihofbesitzers Alois Söllner von Kollersdorf 40. Am 22. Juni 1937 haben die Brautleute in Wien, Pfarre Fünfhaus, die Ehe geschlossen.
Am 30. April 1939 langt bei der Gemeinde ein Schreiben der Reichspostdirektion Wien, betreffend die Errichtung einer Telefonanschlussstelle, im Gasthaus Hartl ein. Am selben Tage fasst der Gemeinderat den Beschluss, Andreas Hartl zu befragen, ob er der Errichtung einer Sprechstelle zustimmt. Für den Fall einer Ablehnung sollte Franz Magerl, Gastwirt in Sachsendorf, befragt werden. Wann genau dieses Projekt umgesetzt worden ist, bleibt offen. Im Telefonbuch von 1947 sind die Dienststunden der öffentlichen Sprechstelle wie folgt angegeben: wochentags von 8 bis 12 Uhr und 14 bis 18 Uhr, sonn- und feiertags von 9 bis 10 Uhr.
Am 29. August 1946 stirbt Andreas Hartl, Gastwirt in Ruhe, in Kollersdorf 55 im 86. Lebensjahr, am 22. Dezember 1958 seine Ehefrau Maria im 89. Lebensjahr.
Nur wenige Jahre später trifft die Familie ein folgenschwerer Schicksalsschlag. Sohn Andreas (geb. am 23.2.1942 in Krems) ertrinkt am 8. August 1961 in der Donau bei Altenwörth. Er ist als Geschäftsnachfolger vorgesehen. In seiner Verzweiflung unternimmt der Vater einen Selbstmordversuch und verstirbt am 9. Oktober 1961 im Tullner Krankenhaus an den Folgen einer Schussverletzung. Der Fortbetrieb durch die Witwe Leopoldine Hartl und den minderjährigen Erben Alfred (geb. am 25.7.1947), wird von der Bezirkshauptmannschaft Tulln am 30. November 1961 zur Kenntnis genommen. Mit Einantwortungsurkunde vom 6. März 1962 wird sie als alleinige Eigentümerin der Liegenschaft in das Grundbuch eingetragen.
Um die Gast- und Schankgewerbekonzession nicht zu verlieren, kommt es von 1962 bis 1976 zu Anmeldungen des Nichtbetriebes und des Wiederbetriebes. Mit 31. Dezember 1976 wird das Gewerbe zurückgelegt.
Tochter Ernestine übernimmt die Greißlerei. Sie erhält die Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe, eingeschränkt auf den Einzelhandel. Verlautbart wird dies von der Bezirkshauptmannschaft Tulln im Amtsblatt Nr. 12 vom 15. Juni 1977. Der Betrieb läuft mit Ende des Jahres 1999 aus. Im Amtsblatt ist die Endigung mit Wirkung vom 5. Jänner 2000 angegeben.
Kollersdorf 63
Erich Danzer, Betreiber eines Irish-Clubs in Wien, unterbreitet im Juni 1964 der Gemeindevertretung seine Absicht, an diesem Standort im kommenden Jahr ein Lokal (Espresso) und einen Minigolfplatz errichten zu wollen. Im selben Jahr sollte auch mit dem Bau eines öffentlichen Schwimmbades begonnen werden. Die Geschäftsidee ist, durch den Bau eines Irish-Country Clubs die Wiener Gäste vor allem an den Wochenenden nach Kollersdorf zu bringen und, da viele von ihnen passionierte Reiter sind, auch ein entsprechendes Angebot zur Verfügung zu stellen.
Am 7. Mai 1965 ergeht an die Gemeinde Kollersdorf die Aufforderung, zum Ansuchen des Erich Danzer um die Verleihung einer Konzession zum Betrieb des Gast- und Schankgewerbes in der Betriebsform eines Kaffeerestaurants vom Standpunkt des Lokalbedarfes Stellung zu nehmen. Die Entscheidung des Gemeinderates fällt am 29. Mai mit acht Stimmen dafür und drei Stimmen dagegen.
Bei der kommissionellen Verhandlung am 19. August wird festgestellt, dass die Betriebsräume für die Gewerbeausübung im 1963 errichteten Wohnhaus geeignet sind. Diese umfassen ein Espresso mit 52 m², ein Stüberl mit 23 m² und eine Küche mit 20 m².
Die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 25. August 1965 erteilte Konzession zum Betrieb des Gast- und Schankgewerbes sieht folgende Berechtigungen des § 16 Gewerbeordnung vor:
Einschränkung auf kalte Speisen und Verabreichung von Suppen und Grillspeisen
Ausschank von Bier, Wein und Obstwein
Ausschank und Kleinverschleiß von gebrannten geistigen Getränken
Ausschank von Heil- und Mineralwässern sowie von nichtgeistigen Kunstgetränken
Verabreichung und Verkauf von Kaffee, Tee, Schokolade und anderen warmen Getränken und von Erfrischungen in den im § 17 näher bezeichneten Umfang
Haltung von erlaubten Spielen
Diese Bewilligung ist jedoch an die Erfüllung der im Bescheid festgelegten Vorschreibungen geknüpft, deren Umsetzung bis spätestens 20. Mai 1966 der Behörde anzuzeigen sind. Dies ließ offenbar auf sich warten, das Konzessionsdekret datiert vom 5. April 1968.
Erich Danzer betreibt das Kaffeerestaurant anfänglich selbst, später kommt es zu Verpachtungen. Letzter Pächter ist Adolf Lukas, wohnhaft in Fels am Wagram. 1975 schließt das Lokal, die Zurücklegung des Gast- und Schankgewerbes ist im Amtsblatt vom 15. September 1975 kundgemacht. Als „Eselbar“ erlangt das Kaffeerestaurant überregionale Bekanntheit. Kommerzialrat Erich Danzer verstirbt am 3. Juli 2000 im 73. Lebensjahr, beigesetzt wird er am Friedhof in Altenwörth. Seine Mutter war Maria Heßler aus Kollersdorf, sein Vater Wiener.
Weder der Minigolfplatz noch ein öffentliches Schwimmbad gelangten zur Umsetzung. Nach Einstellung des Geschäftsbetriebes wurde links vom Wohnhaus ein kleines Schwimmbecken errichtet.
Dieses, am 12. Jänner 2025 aufgenommene Foto, ist bereits Geschichte. Mitte Februar haben die Abbrucharbeiten begonnen.
In dem, 1983 im Verlag Hämmerle in Lustenau erschienenen Buch Kaffee-Spezialitäten, stellt Erich Danzer eine große Anzahl von Rezepten vor, die er im Laufe vieler Jahre auf der ganzen Welt gesammelt hat.