Maria Knapp, Winkl m.knapp@hf-kirchberg.at

Bis 1848 gab es in jedem Ort den sogenannten Dorfrichter, der entweder von der Herrschaft bestellt oder mit Einverständnis der Herrschaft gewählt wurde. Ihm wurden meist vier „Geschworne“ oder „Gewählte“ zur Seite gestellt.

An festgelegten Tagen wurde das „Banntaiding“ abgehalten. Das war die Versammlung der Bewohner eines Ortes an festgelegten Tagen, um Beschlüsse über das Leben im Ort zu fassen sowie Verlautbarungen zu verkünden.

 

Aus dem Handbuch für Orts-Richter

Thomas Hofer, St. Pölten, 1840

In den unterthänigen Ortschaften sind bey jeder Gemeinde eigene Ortsvorsteher (Orts- oder Dorfrichter) aufgestellt. Sie sind in Allem und Jedem der Ortsobrigkeit (Herrschaft) untergeordnet.

Ihre vorzügliche Bestimmung ist, die Besorgung des Polizeywesens in dem Ortsbezirke; - das ist: zur beständigen Aufmerksamkeit, daß die Gesetze und Anordnungen auf das Genaueste vollstrecket, Ruhe und Ordnung, Sicherheit und öffentliche Anständigkeit gehandhabt, und so viel es möglich ist, Alles, was immer dem allgemeinen und Privatwohle nachtheilig seyn könnte, verhindert werde.

Die Wahl des Ortsrichters geschieht von den Gemeindegliedern, jedoch unter Einfluß und gegen Bestätigung der Dorfherrschaft.

Zum Ortsrichteramte sind jedesmal nur die tauglichen, unbefangenen, und durch ihre Bescheidenheit sowohl, als ihren sittlichen Wandel, bewährtesten Männer zu wählen, und es ist verboten, dieses Amt von Haus zu Haus, ohne Rücksicht, ob das betreffende Individuum hierzu geeignet sey, zu übertragen.

Die Dauer dieses Richteramtes, welches nicht erblich ist, ist auf drey Jahre beschränkt, nach deren Verlauf eine neue Richterwahl vorgenommen werden muß;  wobey jedoch der abtretende Gemeinderichter wieder gewählt werden kann.

Aussagen oder Zeugnisse der Dorfrichter über Schuldhandlungen, welche sie bey der Ausübung ihrer Amtspflicht erhoben haben, verdienen eben dieselbe volle Glaubwürdigkeit, die nach dem § 364 des II. Theiles der St.G.B. dem Zeugnisse eines beeideten Beamten zugestanden wird; da sie die Obrigkeit in der Gemeinde vorstellen, auf Ruhe und Ordnung zu sehen, und die Polizey-Aufsicht zu pflegen haben, auch zu diesem Ende gleich öffentlichen Beamten beeidiget sind. Daher können sich auch Dorfrichter des Mißbraches der Amtsgewalt schuldig machen, und bey vernachlässigter Amtspflicht abgesetzt werden. 

Sobald ein Gesetz gehörig kund gemacht worden ist, kann sich Niemand damit entschuldigen, daß ihm dasselbe nicht bekannt worden sey.

Mit der Unwissenheit der Gesetze über Verbrechen und schwere Polizey-Uebertretungen kann sich Niemand entschuldigen, da das Unrecht bey Verbrechen unverkennbar ist, und die schweren Polizey-Uebertretungen insgesammt solche Handlungen oder Unterlassungen sind, die entweder jeder als unerlaubt von selbst erkennen kann, oder wo der Uebertreter die besondere Verordnung, welche übertreten worden, nach seinem Stande, seinem Gewerbe, seiner Beschäftigung, oder nach seinen Verhältnissen zu wissen verpflichtet ist.

Jede gesetzwidrige Verhandlung unterwirft einer Verantwortlichkeit; überhaupt sind alle diejenigen gesetzwidrigen Handlungen strafbar, welche der Sicherheit im gemeinen Wesen nachtheilig sind.

Unter Uebertretungen gehört ferner, wenn etwas, so durch die Gesetzte, um Verbrechen oder Uebertretungen vorzukommen, oder Nachtheil abzuwenden, zu thun verboten ist, gethan; - oder etwas, was zu diesem Ende zu thun geboten ist, unterlassen wird.


1848 wurde die Bezeichnung auf Bürgermeister geändert.
 

Die wichtigsten Aufgaben des Bürgermeisters und der Gemeinde

zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Schautafel in der Gemeindestube im Museumsdorf Niedersulz):

Verwaltung des Meldewesens für Dienstboten (später Landarbeiter)
Der Bürgermeister bestätigte die Eintragungen in die Dienstbücher der Knechte und Mägde, die im Gemeindegebiet tätig waren.
 
Verwaltung und Kontrolle des Heimatrechts der Gemeindebürger
Das Heimatrecht gab den Anspruch auf ungestörten Aufenthalt und auf Armenpflege durch die Gemeinde im Falle der Not. Das Heimatrecht konnte durch einen 10-jährigen ununterbrochenen Aufenthalt in der Gemeinde, durch Abstammung und Eheschließung erworben werden. Durch zweijährige Abwesenheit konnte man es verlieren. Die Gemeinde führte die ‚Heimatrolle‘ und stellte Heimatscheine aus.
 
Einsetzung eines Wein- und Flurhüters
Der Flurhüter hatte unbeaufsichtigte Weidetiere von Feldern und Wiesen zu entfernen, das Gehen auf fremden Wiesen und Feldern zu verbieten und jeden beim Bürgermeister anzuzeigen, der sich an fremdem Besitz vergriffen hatte. Ab dem Spätsommer überwachte der Weinhüter die Einhaltung des festgesetzten Beginns der Weinlese und bewachte die reifen Trauben vor Dieben und Vogelschwärmen (Stare).
 
Einsetzung eines Viehhirten (‚Halter‘)
Meist wohnte der ‚Halter‘ in einem gemeindeeigenen Halterhaus und kümmerte sich dort um die männlichen Zuchttiere (Stier, Eber) der Gemeinde. Er war für komplizierte Viehgeburten zuständig und behandelte einfachere Krankheiten der Haustiere. 
 
Einsetzen des Gemeindedieners
Er übernahm die Tätigkeiten des Nachtwächters, Totengräbers und Schuldieners. Er verkündete die Gemeinde-Mitteilungen durch ‚Einsagen‘, ‚Austrommeln‘ oder ‚Schreien‘.
 
Versorgung der Armen, Kranken und Einleger
Wer das Heimatrecht in der Gemeinde hatte, wurde im Falle von Krankheit oder Alter in gemeindeeigenen Armen- und Siechenhäusern versorgt. Bedürftige ohne Heimatrecht wurden tage- oder wochenweise den Bauernhäusern zugewiesen und mussten dort verpflegt werden (‚Einleger‘).
 
Ausstellung von Viehpässen
Wurde Vieh über das Gemeindegebiet hinaus verkauft, war ein Transportpass erforderlich.
 
Meldung der militärpflichtigen jungen Männer des Dorfes an das Militär und Überbringung der Musterungsbefehle
Ausstellen von ‚Sitten- und Moralitätszeugnissen‘
Diese waren unter anderem bei der Anmeldung eines Gewerbes vorzulegen.
 
Verwaltung des Gemeindewaldes, der Allmende
(gemeindeeigene Weideflächen) und der gemeindeeigenen Obstbäume
 
Oktober 2014, letzte Änderung April 2024
Maria Knapp