Das Haus wurde um 1610 im Renaissance-Stil erbaut. Es handelt sich um einen zweigeschossigen Bau mit einem Speichergeschoß. Die Fenster sind mit profilierten Steingewänden und Verdachungen verziert, darüber befinden sich ovale Luken. Früher befand sich an der Frontseite ein blechernes Marktwappen, heute ist an dessen Stelle eine Relief getreten, geschaffen vom Gastwirt Alois Schiel (1894-1953, Kirchberg 60). Innen sieht man ein Kreuzgewölbe mit Putzgraten.
Im Obergeschoß waren in früher Zeit Wohnungen untergebracht. So wird hier 1785 Anna Christina, Tochter des Marktschreibers Johann Ernst Merz, in Kirchberg 24 geboren. Weitere Kinder werden 1790, 1792 und 1794 genannt.
Karte der Josephinischen Landesaufnahme, um 1780
Dem Marktschreiber Friedrich Zenger und seiner Gattin Katharina, geb. Pachner, werden 1805 und 1806 zwei Kinder in Kirchberg 24 geboren.
Um 1829 ist Franz Moser Ratsdiener in Kirchberg 24, Ehefrau ist Theresia geb. Edthofer, er stirbt hier 1853 mit 63 Jahren.
Um 1835 wohnte hier der Arzt Anton Köck, er ist anlässlich seiner zweiten Heirat genannt.
Der Marktdiener Josef Moser, geb. 1826, heiratet 1854 Anna Maria Weinberger aus Gigging, sie haben vier Kinder. Vor/um 1887 übernimmt sein Sohn das Amt.
Franziszeischer Kataster, um 1830, das Haus mit der Katastralnummer 24
Das alte Rathaus um 1870/80 von Ignaz Spöttl
© NÖ Landesarchiv St. Pölten, Topographische Abteilung
Auf Betreiben des Abgeordneten Josef Schöffel (1832-1910) wurde im NÖ Landesausschuss im Jahr 1886 ein Gesetz zur Errichtung von Naturalverpflegsstationen für wandernde Handwerksburschen beschlossen. Ziel war es, das Vagabundieren und die Wanderbettelei einzudämmen. Sie waren die Vorgänger der Arbeitsämter (was sich allerdings nicht bewährte). Nach diesem Vorbild wurden Stationen in anderen Bundesländern sowie in Bayern errichtet. Insgesamt gab es in Niederösterreich 142 solche Häuser. In Kirchberg war diese Station im Rathaus untergebracht und ist bis in die 1930-er-Jahre dokumentiert.
Im Jahr 1888 errichtete man auf dem Rathaus ein Türmchen nach einem Wiener Vorbild. Die Anregung zu diesem Turm könnte vom Kirchberger Uhrmachermeister Josef Fandl gekommen sein. Aus dem Neuigkeits-Welt Blatt: Thurmbau und Ortsverschönerung. Die Bewohner von Kirchberg sind der dortigen Sparkasse zum Danke verpflichtet, da diese wieder eine Verschönerung des Ortes sich angelegen sein ließ. Es ragt zwar der sechs Meter hohe, mit einer transparenten Uhr versehene, blechgedeckte zierlich geschmückte Thurm wenig über die nebenstehenden höheren Häuser heraus, vom Bahnhofe aus jedoch, zeigt er sich in ganzer Nettigkeit und Sauberkeit.
Laut Pfarrchronik gab es dabei einen Todesfall: Am hiesigen Rathhaus aber wurde durch die Sparkasse ein Thurm mit beleuchteter Uhr aufgesetzt u der Thurm der Spitalkirche gleichfalls neu angestrichen. Bei dem Thurmbau gab man einem Arbeiter zu viel zu trinken, sodaß er in der Nacht im Rausch starb. Bei dem darüber stattgefundenen Prozesse wurden einander die Augen ausgekratzt.
Der Markt mit dem Rathaus, 1900
Karte: Herbert Eder, Kollersdorf
Eisenhandlung Tragschitz und Rathaus
Bezirksgewerbetag in Kirchberg, 1929
Das interessante Blatt, 9.5.1929, veröffentlicht in ANNO
Rathaus um 1930
Foto: Dr. Rudolf Delapina, um 1930
Um 1937 befand sich hier die Gemischtwarenhandlung der Klara Hahn, Abmeldung 1938.
Marktplatz und Rathaus um 1960
Karte: Herbert Eder, Kollersdorf
1977 wurde das Haus Marktplatz Nr. 6 als neues Gemeindeamt angekauft und Adaptierungsarbeiten durchgeführt.
Das nunmehr Alte Rathaus wurde 1992/93 zum 500-Jahrjubiläum der Markterhebung Kirchbergs renoviert. Um den geschichtlich höchst bedeutsamen Fundstücken des unter der Sakristei der Kapelle des Gutes Oberstockstall gefundenen Alchemistenlabors aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einen passenden Präsentationsraum zu bieten, wurde 1993 im Gebäude das Alchemistenmuseum eröffnet.
Im Jahr 2018 wurde das Museum geschlossen, derzeit wird an der Neugestaltung und Wiedereröffnung gearbeitet.
Das Marktwappen, Relief von Gastwirt Alois Schiel (1894-1953)
Fotos: Maria Knapp
Bilder zum Alchemistenfund siehe hier:
https://www.kulturundwein.com/alchemist.htm
https://www.meinbezirk.at/tulln/c-lokales/aussergewoehnlicher-fund-bewegt-die-gemeinde_a4553123
Erneuerung der Fassade, 2020
Foto: Maria Knapp
Renovierung des Uhrturmes, 2020/21
DEHIO-Handbuch - Die Kunstdenkmäler Österreichs, 1990
Maria Knapp