Schulchronik Winkl, Schulleiter Ernst Pircher
Am 2. Jänner war eine große Schneemenge gefallen, die in den nachfolgenden Wochen noch durch einige große Schneefälle vermehrt wurden. Heftige Schneestürme verwehten die Straßen derart, daß sie zeitweise unpassierbar waren. Auch der Eisenbahnverkehr war streckenweise durch Verwehungen lahmgelegt. Diese Drosselung der Verkehres hatte eine mangelhafte Versorgung Wiens mit Lebensmitteln und Kohle zur Folge, die beinahe zur Katastrophe geworden wäre.
Allgemach ging der Jänner zu Ende und man hoffte auf milderes Wetter im Feber. Doch man hatte sich gewaltig getäuscht. Der ganze Monat Februar brachte uns weitaus niedrigere Temperaturen als der Jänner und wurde geradezu unerträglich. Selbst in den Wohnungen war jeden Morgen das Wasser dick gefroren und die Haustiere konnten sich in den Ställen kaum mehr erwärmen. Im Hause No 14 (Barbara Grausenburger) hatte in der Nacht ein Schwein Ferkel geworfen, die man am nächsten Morgen als beinhart gefrorene Klumpen auffand. Wiederholt waren Schweine an der Wand des Stalles angefroren, sodaß sie sich, wenn sie aufstanden, die Haut einer ganzen Körperseite losrissen. Auch viele Hühner erfroren sich Kamm und Füße. Die Tiere im Freien litten bitterste Not. Die Hasen kamen ganz zahm in die Häuser, wo man sich ihrer erbarmte und sie fütterte. Im Freien benagten sie nicht nur die Baumstämme, sondern fraßen junge Zweige gänzlich auf. In der „Anschlacht“ fand man 4 erfrorene, besser gesagt, verhungerte Rehe, überall gab es erfrorene Hasen und Rebhühner. Das noch lebende Wild war so matt, daß Kinder es fangen konnten. Die Raubvögel versäumten diese günstige Gelegenheit nicht und schlugen Stück für Stück, worauf sie im Wildstande bedeutenden Schaden anrichteten. Aber auch rohe Menschen erschlugen die bis auf die Knochen abgemagerten Hasen und verkauften das Fell. Viele Obstbäume spalteten sich in Folge der eisigen Kälte mit heftigem Knall der Länge nach. Das Brennmaterial wurde immer knapper, sodaß viele Schulen der Umgebung den Unterricht 8 – 14 Tage einstellen mußten. An hiesiger Schule war keine Unterbrechung.
Eine Folge der großen Kälte war auch die, daß der Eisstoß in der Donau immer weiter vorbaute. Am 13. Feber erreichte er Altenwörth. In den nächsten Wochen baute er, tageweise sehr rasch, tageweise langsamer bis beinahe stillstehend, ja sogar sich rückbildend bis oberhalb Melk vor. In der 2. Märzwoche trat milderes Wetter ein und mit Bangen sah man dem Abgange des Eisstoßes entgegen.
Am Dienstag den 12. März war er in Traismauer abgerissen und setzte sich in Bewegung, doch schon unterhalb Altenwörth bei der Bergau verlegte sich die Bahn und die gefürchtete Stauung trat ein. Das Wasser begann rapid zu steigen. Die Altenwörther erreichten Winkl nicht mehr anders zu verständigen, als durch Glockengeläute und Böllerschüsse. Diese Warnzeichen brachten Bewegung in unser Dorf. Die Keller wurden ausgeräumt und die vom Hochwasser am meisten betroffenen Familien trafen Anstalten zur Auswanderung nach Neustift, wo sie schon Wochen vorher Platz für sich und ihre Tiere zugewiesen bekommen hatten. Doch schon nach kurzer Zeit kam von Altenwörth die erlösende Nachricht vom Abgange des Eisstoßes. Das steigende Wasser hatte die Eismauer gehoben und unter donnerähnlichem Getöse war sie gebrochen. Das Gepolter der Eisschollen hörte man bis Winkl. Dies war am 12. März um 3 Uhr nachmittags.
Am nächsten Tage, Mittwoch den 13. März, war der Rest des Eisstoßes der von Traismauer bis Stein a.d. Donau reichte, (von Melk bis Stein hatte er sich im Laufe der wärmeren Tage zurückgebildet) ins „Gehen“ gekommen. Wieder kam er bei der Bergau ins Stocken. Um ½ 11 vormittags wurden die Schulkinder heimgeschickt, weil das Wasser beim „Granitzhaus“ in der Au bereits über die Straße rann. Diesmal sah man der Entwicklung der Dinge weitaus ruhiger entgegen, als am Vortage, da noch am Dienstag am 12 Uhr nachts 4 Pioniere, 1 Telephonist und 1 Offizier aus Krems eingelangt waren. Durch ein Feldtelephon zwischen Altenwörth und Winkl war man immer genauestens über die jeweilige Lage unterrichtet.
Soeben kommt von Altenwörth die frohe Botschaft, daß heute um ½ 2 Uhr früh, d.i. am 14. März, der Eisstoß abgegangen ist. Ein Alpdruck ist von uns genommen und erst jetzt können wir dem Einzuge des Frühlings frohgemut entgegensehen. Als böse Erinnerung an den vergangenen Winter sollen hier die im Monate Februar im Schulgarten gemessenen Temperaturen folgen:
1.2. | - 25 ° C | 10.2. | - 25 ° C | 19.2. | - 11 ° C |
2.2. | - 25 ° C | 11.2. | - 30 °C | 20.2. | - 14 ° C |
3.2. | - 31 ° C | 12.2. | - 23 ° C | 21.2. | - 23 ° C |
4.2. | - 24 ° C | 13.2. | - 21 ° C | 22.2. | - 30 ° C |
5.2. | - 20 ° C | 14.2. | - 18 ° C | 23.2. | - 12 ° C |
6.2. | - 14 ° C | 15.2. | - 14 ° C | 24.2. | - 9 ° C |
7.2. | - 19 ° C | 16.2. | - 11,5 ° C | 15.2. | - 8 ° C |
8.2. | - 26,5 ° C | 17.2. | - 9 ° C | 26.2. | - 5 ° C |
9.2. | - 10 ° C | 18.2. | - 6 ° C | 27.2. | - 4 ° C |
28.2. | - 9 ° C |
Schulchronik Altenwörth, Oberlehrer Friedrich Süß
Der Jänner 1929 brachte große Kälte mit viel Schnee. Schon seit etlichen Jahren gab es nicht so viel Schnee in unserer Gegend. Strenger Frost war anhaltend; das Thermometer zeigte nur an wenigen Nächten Temperaturen über -10° Celsius. Vom 2. – 3. Februar sank die Temperatur auf – 25° Celsius. Die tiefste Temperatur war am 10.-11.II. abzulesen. Am 10. zeigte das Thermometer um 12 h mittags in der Sonne -20° C; um 4 h nachmittags in der Sonne – 18°C. In der Nacht vom 10. – 11.II. sank das Thermometer auf – 31° C. Die ältesten Leute konnten sich an einen solchen Tiefststand nicht erinnern.
25.II. – 16.III. In der Zeit vom 25.II.1929 bis 16.III. 1929 mußte infolge der großen Kälte der Unterricht in einer Klasse geführt werden. Es hatte die II. Kl. vormittags, die 1. Kl. nachmittags Unterricht.
Eisstoß
Mittwoch, den 13.II., im Laufe das Vormittags, staute sich das Eisrinnen auf der Donau und es bildete sich der Eisstoß. Nächsten Tag wurde bereits ein Übergang ausgesteckt. Haus No 35 a (Mayer Emmerich) 310 Schritte lang. Der Eisstoß baute noch bis Weitenegg vor. Der Eisstoß blieb hier volle 4 Wochen stehen. Viele Fremde aus der Umgebung kamen, um das Naturschauspiel anzustaunen.
Eisstoß-Abgang
Am Dienstag, den 12. III. nachmittags setzte sich ein Teil des hiesigen Eisstoßes in Bewegung. Bei Traismauer riß er ab. Vor Zwentendorf stauten sich die Eismassen und das Wasser stieg um mehr als 2 m. Da Hochwassergefahr drohte, mußten von der Heimwehr und der Feuerwehr die ganze Nacht Wachtdienst gehalten werden. Eine Militärtelegraphen-Patroule kam noch in der Nacht und legte eine Telegraphenleitung nach Winkl. Desgleichen langte eine PionierAbtg. ein, die jedoch nächsten Tag nach Utzenlaa abgezogen wurde. Am 13.III. vormittags zwischen 9-10 h setzte sich der Eisstoß wieder in Bewegung, steckte bis 1 h mittags; dann bewegte er sich wieder; aber die gewaltigen Eismassen brachten neuerdings eine Stauung. Das Wasser stieg in der Nacht von 13. – 14.III bis 2,65 m Pegel. Am 14. Um 2 h früh hatten die Wassermassen solche Kraft erhalten, daß die Eismassen fortgeschoben wurden. In etwa 2 h war der Eisstoß weg, aber an den Ufern noch hohe Eisränder (4 m) hinterlassend. Der Wasserstand sank sofort um 3 m. Solch große Eismassen standen am Ende des Mühlenwassers und bei der Mündung des Mühl-Kampes.
Hiezu Bilder von Fr. Mary Pinder, Haushälterin im Pfarrhofe Altenwörth.
Pfarrchronik Kirchberg am Wagram, Pfarrer Karl Rasberger
Pfarrchronik Altenwörth, Pfarrer Josef Dedelbacher
An diesem Tage (10. Febr. Anm.d.Verf.) hatte der Eisstoß das Dorf Altenwörth erreicht (es war am Aschermittwoch) und baute in der Folgezeit weiter bis er am 7. März bei Weitenegg stand. Dieser Rekord-Eisstoß erstreckte sich in ununterbrochener Länge von Orsowa in Rumänien bis Weitenegg (Gesamtlänge 1079 km). Außerdem waren sämtliche Nebenflüsse der Donau total zugefroren und auch oberhalb Passau war die Donau zugefroren. In hiesiger Gegend lag der Schnee beinahe ¾ m hoch, die Schneeverwehungen beeinträchtigten den Verkehr in empfindlicher Weise. Am 12. März setzte sich nach vorausgegangenem Tauwetter der Eisstoß in Bewegung, blieb aber wieder stehen. Altenwörth mußte aufs Ärgste gefaßt sein, tatsächlich stieg das Wasser, der Wasserstand schwankte hin und her, - Tag und Nacht die Ortsbewohner in großer Unruhe lassend. Endlich in der Nacht vom 13. auf 14. März cirka 2 Uhr ging der Eisstoß glatt ab, ohne irgendwie Schaden zu verursachen. Deo gratias!
Schulchronik Kirchberg am Wagram, Dir. Friedrich Hora
Schulchronik Bierbaum am Kleebühel, Oberlehrer Karl Schober
Außer einem kleinen Schneefall Anfang Dezember 1928 zeigte sich der Winter zuerst sehr milde. Ganz unerwartet setzte aber gleich nach den Weihnachtstagen starker Schneefall und Kälte ein, die immer mehr zunahm. Der Schnee bedeckte Felder u. Straßen bis zu 60 cm. Durch große Verwehungen waren die Straßen bald für Wagen und Fußgänger unpassierbar, selbst das Fahren mit dem Schlitten war beschwerlich. Fast durch 3 Monate bis Mitte März war Schlittenbahn. Selbst die ältesten Leute können sich an einen solchen Winter nicht erinnern. Die Kälte nahm immer mehr zu.
An einigen Tagen im Februar wurden Temperaturen von nahe an -30°C abgelesen. Die tiefste Temp. hier soll – 38°C gewesen sein. Wochenlang stieg das Thermometer über – 10°C. Wie begreiflich, war zufolge dieses Schnees u. der grimmigen Kälte der Schulbesuch sehr schlecht, besonders in der 1. Klasse - geschlossen wurde die Schule jedoch nicht wie viele andere, sondern die beiden Klassen wurden zusammengezogen in einer Klasse, hiebei wurde Heizmaterial gespart, an dem es schon zu mangeln begann.
Anfang Jänner mußte das Verkehrsflugzeug Wien – Berlin bei Absdorf nach langer Irrfahrt im Schneegestöber landen. Schon am 26. Okt. 1929 verirrte sich ein tschechoslowakischer Militärflieger und landete ganz nahe bei Bierbaum. Für viele war dies das erste Flugzeug, das sie in der Nähe sahen.
Am meisten litt unter dem vielen Schnee und unter der riesigen Kälte das Wild. Die zu Skeletten abgemagerten Hasen kamen bis ins Dorf in Scheunen und Ställe. Rebhühner fand man oft erfroren neben dem Weg. Noch ärger war das Wildsterben in der Au. Nach der Schneeschmelze konnte man auf Schritt und Tritt besonders in der Nähe der Tränken Tierkadaver treffen.
Der Schaden an den Obstbäumen kam erst im Frühjahr und Sommer zum Augenschein. Fast alle Marillenbäume waren eingegangen und auch die Nuß- und Apfelbäume hatten stark gelitten.
Pfarrchronik Bierbaum am Kleebühel
Der Jänner 1929 war sehr kalt. Auf der Donau bildete sich ein furchtbarer Eisstoß. Nur eine Strecke von 500 m bei Zwentendorf ist noch eisfrei. Die Donau ist bei uns zur Gänze zugefroren und die Leute wandern tagtäglich hin und besichtigen den Eisstoß. Am 12. März löste sich ein Eisstück aus Altenwörth und blieb bei Utzenlaa stehen. Der Eisstoß türmte sich 5 m hoch auf. Um 15.00 Uhr kam der erste Bericht aus Altenwörth. Donau bis zu den Ufern gestiegen.
Schulchronik Utzenlaa
Der Winter 1928/29 war von langer Dauer und großer Kälte. Der Schnee lag 70 cm hoch und verschwand erst Mitte März. Der Februar brachte ausnahmslos Temperaturen unter -15° C. Die tiefste Temperatur wurde in der Nacht vom 9. zum 10. Februar gemessen, - 29° C.
Das Wild hatte ungeheuer zu leiden und ging zum größten Teile zu Grunde. Die Hasen kamen schon während des Tages in die Häuser. Die gesamte Bevölkerung fütterte fleißig.
Auf der Donau war ein gewaltiger Eisstoß, der von der jugoslawischen Grenze bis über Weitenegg reichte.
Vom 18.2. bis 20.2. Kälteferien. Sämtliches Brennmaterial, das für den ganzen Winter reichen sollte, war bereits verheizt, Kohlen waren keine zu bekommen. H. Förster Direder verschaffte etwas Holz für die Schule.
13.3.: Die ganze Bevölkerung ist in der größten Aufregung. Der Eisstoß setzte sich in Bewegung. In Altenwörth staute sich das Eis und es drohte große Gefahr. Zum Glück erhielt das Wasser durch eine schmale Rinne Abzug. Nochmals staute sich das Eis im Utzenlaaer Gebiet am sogenannten "Raindorfer Eck". Auch diese Gefahr ging vorüber. Am 14.3. früh war der Eisstoß abgegangen.
In diesen Tagen gab es für unseren Ort besonders zu sehen: Pioniertruppen mit Pontons und in der Schule Telephonstation. Die meisten Kinder sahen zum erstenmale Soldaten.
Anna Schabl, Königsbrunn
Zum großen Eisstoß im Jahre 1929 fuhren wir mit dem Pferdeschlitten nach Altenwörth a.d. Donau, wo ich einmal im Leben zu Fuß die Donau überqueren konnte.
Kleine Volks-Zeitung vom 14.2.1929
Der Eisstoß hat den Stromkilometer 1982 oberhalb Altenwörth erreicht, wobei oberhalb Zwentendorf eine 500 Meter lange Strecke eisfrei geblieben ist. er wird voraussichtlich morgen, Donnerstag, unterhalb Krems erwartet.
Der Stau beträgt bei der Reichsbrücke in Wien 279 Zentimeter und in Zwentendorf 820 Zentimeter. Der Eisstoß in der mittleren Donau ist demnach von Mohacs bis Altenwörth mit einer Länge von rund 550 Kilometern geschlossen.
November 2012, letzte Änderung April 2024
Maria Knapp