Ab 1914 war Dr. Hans Lerch in Kirchberg Rechtsanwalt. Doch wie aus den folgenden Zeitungsberichten hervorgeht, hat er es mit seinen Pflichten nicht so genau genommen:
Heraus mit dem Flederwisch!
Einen unerwarteten Ausgang hat am 7. September d. J. ein Ehrenbeleidigungsprozeß, den der in Kirchberg ansässige Advokat Dr. Hans Lerch gegen einen Arzt beim k.k Bezirksgerichte Ravelsbach angestrengt hatte. Gegenstand der Klage war der Inhalt einer offenen Korrespondenzkarte, worin sich genannter Arzt beklagte, daß ihm Herr Dr. Hans Lerch trotz Anzeigen an den Disziplinarrat der Wiener Advokatenkammer den schon oftmals und auch grob urgierten Betrag von K. 480,- nicht ausfolgte. „Ich will“, so heißt es auf dieser Karte, „über ein derartiges Benehmen eines Advokaten, eines Hüters der Ehren- und Gewissenhaftigkeit, kein Wort mehr verlieren. Es müßte schlecht um das Anstandsgefühl des Advokatenstandes bestellt sein, wenn er derartige Elemente in seiner Mitte duldet; ich habe in letzter Zeit verschiedene Dinge gehört, die geradezu unglaublich sind. Ist denn das Gericht blind?“ Der angeklagte Arzt war zwar mit seinem Verteidiger und einem umfangreichen Wahrheitsbeweis ausgerüstet zur Verhandlung erschienen, wer aber durch Abwesenheit glänzte, das war der anklagende Dr. Lerch. Zwar ließ er dem Gerichte durch einen Eilbrief mitteilen, daß er wegen einer Hautkrankheit nicht mir dem Rad kommen könne, der Richter aber fand, daß ein Advokat, gegen den so schwerwiegende Beschuldigungen auf offener Karte erhoben werden und dem es um die Reinwaschung seiner Ehre ernstlich zu tun sei, sich nicht durch einen Hautausschlag abhalten lassen dürfe, mit der Bahn nach Ravelsbach zu fahren. Er bewilligte daher keine Vertagung, sondern sprach den Angeklagten wegen Ausbleibens des Anklägers frei. So kam die Oeffentlichkeit um wertvolle Aufklärung über die Person des Herrn Dr. Lerch und dessen Tätigkeit, von welcher wir nach uns zugegangenen Mitteilungen allerdings nicht behaupten könnten, daß es über sie nichts zu sprechen gäbe. Denn was soll man zu einem Rechtsanwalt sagen, dessen Klienten sich wieder an einen anderen Advokaten wenden, ja sogar Klage einreichen müssen, damit sie endlich zu dem von Dr. Lerch einkassierten Gelde kommen? Was soll man denken von einem Advokaten, der seiner Partei von 1000 K, die ihr der Richter zugesprochen, bare 200 K gibt und das andere auf „Spesen“ verrechnet, obwohl die Gegenpartei alle „Spesen“ ohnehin bezahlt hat? Was sollten sich denn die Leute über einen Herrn denken, wenn ihnen die Gastwirtin über gar große Ankreidungen vorjammert, und mit welchem Vertrauen kann man ihm noch begegnen, der den in öffentlicher Gerichtsverhandlung wider ihn erhobenen Vorwurf der Bauernfängerei ruhig eingesteckt hat? Ja, ja, der Ravelsbacher Beleidigungsprozeß ist bei weitem nicht der erste, dem Herr Dr. Lerch in weitem Bogen aus dem Wege gegangen ist. Wie lange noch?
Quelle: Österreichische Land-Zeitung vom 22.9.1917
Eine peinliche Geschichte.
Das Kreisgericht Krems bestätigte in der öffentlichen Berufungsverhandlung vom 13. Dezember das Urteil des Bezirksgerichtes Kirchberg am Wagram, mit welchem der Advokat Dr. Hans Lerch zur Herausgabe einkassierte Parteiengelder im Restbetrage von 156,22 K verurteilt worden war. Wie wir seinerzeit unter derselben Spitzmarke mitteilten, hatte Dr. Lerch den Versuch gemacht, die Forderung seiner Klientin, der Frau Theresia Gaar aus Groß-Wiesendorf durch Aufrechnung einer ungültigen Expesennote aus dem Jahre 1914 zu vereiteln. Diesmal war er aber an den Unrechten gekommen, nämlich an den neuen Vertreter der Frau Gaar, der das Vorgehen des „Kollegen“ schonungslos brandmarkte. Mit diesem Prozesse endigt nun hoffentlich auch die Advokatur des Herrn Dr. Lerch in Kirchberg, über den man nachgerade schon genug des Unrühmlichen erfahren hat. Übrigens wird noch die Advokatenkammer das letzte Wort zu sprechen haben.
Quelle: Österreichische Land-Zeitung vom 22.12.1917
Jänner 2021
Maria Knapp