Zuvor ein kurzer Überblick über die ersten Versuche der Stromgewinnung mittels Wasserkraft:
1853 wurde an den Niagarafällen im kleinen Maßstab elektrische Energie erzeugt und Ende 1895 dort das Edward-Dean-Adams-Kraftwerk, weltweit das erste öffentliche Großkraftwerk für die Erzeugung von Wechselstrom, in Betrieb genommen.
Im Jahr 1880 nahm der britische Industrielle William G. Armstrong das erste private Kleinwasserkraftwerk für die elektrische Beleuchtung seines Landhauses in Betrieb.
Im Jahr 1886 entstand in der Schweiz das Kraftwerk Thorenberg, welches Wechselstrom produzierte und als Beginn der öffentlichen Elektrifikation in der Schweiz gilt.
In Österreich entstand unter dem Erfinder Friedrich Wilhelm Schindler bereits 1884 ein kleines Wasserkraftwerk, aus dem sich später die Vorarlberger Kraftwerke entwickelten.
Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung im Jahr 1891 in Frankfurt am Main wurde zum Durchbruch für die erste Drehstromübertragung, das stromerzeugende Flusskraftwerk stand in Lauffen am Neckar
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Laufwasserkraftwerk, Abruf vom 5.11.2016
Das erste Donaukraftwerk in Österreich ging nach einem Planungsbeginn Anfang der 1920er Jahre 1959 in Ybbs-Persenbeug in Betrieb.
Das Vaterland, Zeitung für die österreichische Monarchie, 25.8.1886, S. 1, veröffentlicht in ANNO:
Wiener Industrie-Canal.
Nach der Behandlung des Problems der Beleuchtung Wiens mit elektrischem Licht im Gemeinderat, stellte man fest, „dass die Stadt große und leicht zu gewinnende Wasserkräfte der Donau zur billigen Herstellung von elektrischem Strome zur Verfügung hat.“
In späterer Folge stellte der Schreiber fest, dass dieser Strom neben der Beleuchtung auch für Industriebetriebe zu nutzen sei.
Für beide Zwecke ist die Continuirlichkeit der Wasserkraft nothwendig, das heißt dieselbe darf nicht von Eisgang und Hochwasser unterbrochen werden, wie es bei den alten Strommühlen der Fall ist.
Solche Wasserkräfte sind in jenem großen und noch weit größeren Umfange für Wien zu gewinnen durch Ableitung eines Canals aus der Donau von Tulln, oder schon oberhalb von Altenwörth ab. Das Gefälle ist auf dieser Strecke ein großes, es beträgt von Tulln bis Nußdorf 15,33 Meter bei 32,3 Kilometer Stromlänge, und es läßt sich ein nutzbares Gefälle von wenigstens 12 Meter daraus gewinnen. Bei einem solchen Gefälle und bei Annahme von 75percentigem Nutzeffecte der Motoren erfordert eine Effectivkraft von 25.000 Pferdestärken eine Wasserableitung durch den Canal von 208,33 Kubikmetern in der Secunde. Die Donau führt aber bei Nullwasser etwas mehr als das siebenfache und bei dem kleinsten Niederwasser noch das 3,3fache Wasserquantum.
Die Ableitung des Canalwassers erfolgt durch eine Schleuse, welche die zwei Zwecke zu erfüllen hat, den Einlauf des Wassers zu reguliren und das Grundeis des Stromes, wie auch die Eisschollen bei Winterhochwasser von dem Canal abzuhalten, und für beide mit den entsprechenden Einrichtung zu versehen ist.
Der Canal wird durch Schiffschleusen auch für die Schifffahrt verwendbar gemacht, und unter diesen Bedingungen unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß die Concession zur Ableitung jenes und eventuell auch eines noch größeren Wasserquantums ertheilt werden wird. …
Es mag hiebei noch bemerkt werden, daß, wenn mit der Canalleitung von Altenwörth ausgegegangen wird, ein nutzbares Gefälle von 17 Meter bei Nullwasser gewonnen werden kann, womit sich die höchste Vermehrung der Wasserkräfte in der Zukunft erzielen läßt.
Hienach soll noch auf einzelne specielle Gesichtspunkte eingegangen werden.
Indem der Wasserstand im Strome von Null bis 4 Meter über Null steigt, wird das nutzbare Gefälle zwischen 12 und 8 Meter schwanken. Dabei ist aber die Continuirlichkeit der Wasserkräfte dadurch vollkommen zu erreichen, daß man bei steigendem Wasserstande mehr Wasser in den Canal einfließen läßt und eine größere Anzahl von Turbinen in Betrieb setzt. Um die nothwendige Vermehrung des Wasserzuflusses durch entsprechende Erhöhung des Wasserstandes unterhalb der Einlaßschleuse mit Sicherheit zu erzielen, sind dem Canale die richtigen Dimensionen zu geben.
Die Geschwindigkeit des Wassers im Canal wird immer eine geringe sein, und so wird sich bei eingetretendem Froste bald eine Eisdecke bilden. Dann wirken sowohl die geringe Strömung als auch die Eisdecke dahin, daß sich im Canal selbst kein Grundeis bildet. So werden die Turbinen durch Eis nicht beschädigt werden und der Betrieb wird durch Frost nie eine Störung erleiden.
Außer den schon angeführten Schleusen wird der Canal, wenn derselbe unterhalb Tulln abgeleitet wird, keinerlei wesentliche Bau-Objecte erhalten; keine Straße, kein größerer Wasserlauf, keine Eisenbahn kreuzen die Trace. Die Bäche, welche das Niederschlagwasser vom linken Ufer abführen, können weder Schwierigkeiten, noch erhebliche Kosten bedingen. Wenn die Ableitung bei Altenwörth erfolgt, dann wird die Kaiser Franz Joseph-Bahn gekreuzt und erfordert eine entsprechende Ueberbrückung den Dammerhöhung.
Im ersten Falle, Ableitung unterhalb Tulln, wird der Canal in gerader Richtung bis Korneuburg geführt werden, und auf dieser ganzen Strecke unweit des Stromufers zu liegen kommen, so daß derselbe dem großen dortigen Inundationsgebiete zum Schutze dienen wird. Im zweiten Falle würde der Canal von Altenwörth ab am oberen Rande des Innundationsgebietes geführt werden, und im Ganzen 13 Ortschaften, darunter Stockerau und Korneuburg berühren, und allen diesen zu einem bequemen und billigen Localverkehr, speciell mit Producten für den Wiener Markt dienen. Dieser Gesichtspunct erhält noch dadurch eine größere Wichtigkeit, daß es ein Leichtes ist, am Canale eine durch Wasserkraft betriebene Schleppanlage herzustellen, durch welche Schiffe und Kähne jeder Art und Größe in beiden Richtungen schnell und billig befördert werden. …
November 2016
Maria Knapp