Maria Knapp, Winkl m.knapp@hf-kirchberg.at
Bereits im 16. Jahrhundert gab es Bestrebungen, in Niederösterreich die Seidenraupenzucht einzuführen. Zu diesem Zweck wurden die dafür unerlässlichen Maulbeerbäume gepflanzt, deren Blätter die einzige Nahrungsquelle der Raupen sind. Obwohl im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Versuche unternommen wurden, schlugen diese Bemühungen stets fehl. Näheres dazu hier: 
http://www.1133.at/document/view/id/540  

Immer wieder gab es Vorstöße, die Seidenproduktion in Gang zu bringen, wie hier 1846 berichtet wird:
Die Seidenzucht bleibt Spielerei, da die Preise mit den Kosten nicht im Verhältnisse stehen. Die praktische Ausführbarkeit ist für hier erwiesen, meine Würmer spannen nach 32 Tagen ohne irgend einen Unfall. Wenn Gemeinden nur ihre Ortsplätze mit Maulbeer bepflanzen wollten; so könnten die älteren Ortsbewohner, welche schwere Arbeit nicht mehr zu verrichten im Stande sind, eine leichte Geldbringende Nebenbeschäftigung finden; aber Niemand will für andere pflanzen, und alte Leute nichts Neues lernen
(Aus: Oekonomisdhe Ergebnisse des Jahre 1846 in der Delegation Kirchberg am Wagram vom Delegaten Ritter von Stettner.
Niederösterr. Landw. Wochenblatt vom 9.12.1846, veröffentlicht in ANNO)

Während des Zweiten Weltkrieges, als man von der Rohstoffproduktion im Inland abhängig war, begann man wieder mit der Anzucht, um Seide für die Fallschirmherstellung zu erhalten. Dieses Projekt wurde den Schulen übertragen. Die Kinder mussten wieder einmal zum Sammeln antreten, diesmal für die Maulbeerblätter. 
 

Der Vorgang der Seidengewinnung

Bei der Seidenraupenzucht werden im Frühjahr, wenige Tage vor dem Grünwerden der Maulbeerbäume, die Eier zur Ausbrütung ausgelegt. Eine täglich steigende Temperatur ist dabei Voraussetzung. In 10–15 Tagen schlüpfen die Raupen und müssen dann – mit Ausnahme der vier Häutungsperioden – laufend mit frischem Laub des weißen Maulbeerbaums versorgt werden. Nach 30–35 Tagen hören die Raupen zu fressen auf und spinnen den Kokon als Schutz für ihre Verpuppung. Der Vorgang dauert 3–4 Tage, der Faden des länglichovalen Gespinstes ist 3.000–4.000 Meter lang.
(http://www.1133.at/document/view/id/540)
 

Nur in wenigen Schulchroniken gibt es Berichte über die Seidenraupenzucht. Es ist daher anzunehmen, dass an den anderen, kleineren Schulen, diese nicht durchgeführt wurde. 

Kirchberg am Wagram, Dir. Wilhelm Ziskovsky

Am 3. Juni 1940 wurde an der hiesigen Hauptschule erstmalig mit der Seidenraupenzucht begonnen. Der Direktor richtete das Lehrzimmer der 4. Hauptschulklasse als Zuchtraum ein. Die zur Zucht nötigen Gestelle und Rahmen wurden vom Tischlermeister Ernst Cihal hergestellt und kosteten zirka 260 Rm. Die erste Brut bestand aus 10 g Eiern = 13000 Raupen. Zur Fütterung der Raupen stand ein zum Gemeindebesitz gehörender Maulbeerbaumwald mit zirka 810 Bäumen bereit. Diese Maulbeerbäume wurden vor 12 Jahren vom Hauptschullehrer Eduard Peter angepflanzt. Die Aufzucht der ersten Brut wurde von den Schülern unter Aufsicht der Lehrpersonen durchgeführt.

Am 7. Juli 1940 wurde mit der 2. Brut mit ebenfalls 10g Eiern begonnen.    

Am 30. Mai 41 langten 10 g Bruteier zu Aufzucht ein. Da die Maulbeerbäume noch kahl waren, mußte das Auskriechen der Raupen noch einige Tage verhindert werden. Am 7. Juni fand die erste Fütterung der Seidenraupen statt.

Am 23. Juli 1941 wurden 10,80 kg Seidenkokons von der 1. Aufzucht der Seidenraupen an die Sammelstelle Bruck a.d. Leitha gesandt, wofür die Schule am 5. August Rm 43,30 erhielt.

Am 12. August 1941 wurde mit der zweiten Aufzucht von Seidenraupen, abermals 10 g Eier, begonnen. Daraus wurden am 4. September 20,36 kg Kokons geerntet. Am 4. Sept. 41 wurden von der 2. Aufzucht der Seidenraupen 20,36 kg Kokons geerntet.

Die Volks- und Hauptschule erhielt in Anerkennung der erfolgreichen Bemühungen um die Verbreitung des Seidenbaues von der Reichsfachgruppe Seidenbauer e.V. in Berlin am 16. Dez.1941 ein Anerkennungsschreiben. 

Am 31. Mai 1942 wurde mit der Fütterung der Seidenraupen begonnen. Am 25. Juli 1942 wurde die Seidenraupenzucht in der Schule beendet. Die Kokonernte betrug 23,80 kg. Die Mitteldeutsche Spinnhütte bezahlte hiefür 97,80 Rm. 

Am 26.5.1943 begann in der Schule die Seidenraupenzucht. Am 31. Juli wurde die Seidenraupenzucht beendet. Die Kokonernte von 15 g Bruteiern betrug nur 3,50 kg, da in den letzten 18 Tagen über 80 % der Raupen durch die ansteckende Schlafsucht zugrunde gingen.
 

Neustift, Schulleiter Alexander Popek

Am 28.  Oktober 1939 beteiligte sich der Leiter der Schule an einem in Tulln stattfindenden Vortrag über Seidenraupenzucht. Im Frühjahr 1940 wurden für die geplante Seidenraupenzucht 500 Stück zweijährige Maulbeerpflanzen bestellt.
 

Bierbaum

Auch hier wurde Seidenraupenzucht betrieben.
 

Engelmannsbrunn, Schulleiterin Berta Wetscherek

Die Schulleiterin erwähnt in einem Absatz die Seidenraupenzucht, geht aber nicht darauf ein, ob sie auch an ihrer Schule stattfindet:
Die deutschen Schulen und die deutschen Erzieher sind eine Waffengattung im kämpfenden Volke, der eine besondere Aufgabe zugefallen ist. Diese Feststellung trifft der Reichfachschaftsleiter Volksschulen des NS Lehrerbundes Wilhelm Kircher in einer Übersicht über die Kriegsaufgaben der Schulen. Der Kriegsdienst der Schüler ist gekennzeichnet durch besondere Einsätze, wie Altstoffsammlung, verstärkte Seidenraupenzucht, Ernteeinsatz u.s.w. und durch die Umstellung der gesamten Unterrichts- und Erziehungsarbeit auf die im Kriege geforderte geistige und praktische Bereitschaft. 

Oktober 2013
Maria Knapp