Amtmann Jacob und Chunigunde
Im Oberösterreichischen Urkundenbuch ist die Verleihung der Schütt beim Schwaickhoff zu Cholastorff durch Wolfgang von Wallsee und seinen Vetter Ulrich an ihren Amtmann Jacob in dem Altenwerd imJahr 1380 aufgezeichnet. Es ist anzunehmen, dass es sich dabei um den späteren Freihof gehandelt hat. Aus dem Text der Urkunde geht hervor, dass der Amtmann und seine Gattin zu diesem Zeitpunkt bereits Eigentümer des Schwaickhofes waren und das danebenliegende Stück Land, auf dem Holz und Gras wuchsen, zusätzlich erworben haben.
Ein Schwaighof war im Mittelalter ein auf Viehzucht ausgerichteter herrschaftlicher Eigenbetrieb, woraus sich häufig ein Orts- oder Familien-name entwickelte. Schwaige leitet sich vom mittelhochdeutschen sweige für Sennerei, Viehhof, ab.
Die folgenden Eigentümer liegen im Dunkeln. Erst im Jahr 1584 treten uns wieder namentlich genannte Besitzer entgegen.
Sebastian Indesfelder / Bärtlme Öder
Laut dem bereits auf Seite 20 erwähnten Verzeichnis der Gründt und Wismat, so zu den Hoff zue Chollersdorf so den Gnd. Herrn Herrn Brobbst zue Chlosterneuburg zugehörig hat die Witwe von Sebastian
Indesfelder ihrem Schwiegersohn Bärtlme Öder am 14. Juli 1584 diesen Hof samt den zugehörenden Gründen - 21 Joch Äcker und 16 Tagwerk Wiesen bei der Hanifgrube - verkauft.
Indesfelder ihrem Schwiegersohn Bärtlme Öder am 14. Juli 1584 diesen Hof samt den zugehörenden Gründen - 21 Joch Äcker und 16 Tagwerk Wiesen bei der Hanifgrube - verkauft.
Johann Chrysostomos Neumann von Neuberg
Dieser stammte aus dem böhmischen Adel und besaß den Hof bis zum Jahr 1667. In den Pfarrmatriken von Feuersbrunn im Jahr 1663 scheint er bei der Geburt seines Sohnes Ferdinand Franciscus als edler und gestrenger Herr auf. Dass u.a. der Dechant von Kirchberg am Wagram, Dr. Paul Tschernitz und der Verwalter der gräflichen Herrschaft Grafenegg als Taufpaten genannt werden, ist Beweis für seine hohe Stellung.
Die Grafen von Starhemberg
Im Jahr 1667 erwarb Konrad Balthasar GrafStarhemberg, der unter anderem die Herrschaft Dürnstein besaß, den Hof. Gleichzeitig wurde dieser dem Stift Klosterneuburg untertänige Hof gegen Bezahlung von sechshundert gulten reinischen und acht Reichsthaller aus dem Besitz des Stiftes, der obrikheitlichen Juristiction undt Unterthänigkheit, heraus-gelöst. Die Bezeichnung des Grundbuches lautete: Herr Conrad Balthasar des heiligen Röm. Reichs-Graf und Herr von Starhemberg wegen eines Haus zu Kollersdorf.
Abb. 1: Konrad Balthasar Graf Starhemberg
Der aus dem österreichischen Hochadel stammende Konrad Balthasar Graf Starhemberg (1612-1687) kam ursprünglich aus Oberösterreich. Er war zuerst kaiserlicher Offizier, wurde 1637 Beisitzer des Landrechts in Niederösterreich und wirkte ab 1641 als Rat im Niederösterreichischen Regiment (NÖ Landesregierung). 1657 wurde er Vizestatthalter, 1663 bis 1687 war er Statthalter (Bewährung bei der Bekämpfung der Pest 1679 und Vorbereitung der Verteidigung Wiens 1683). 1665 bis 1687 war er auch Mitglied des Geheimen Rats und Träger des Ordens vom Goldenen Vlies. Sohn Ernst Rüdiger erlangte Bekanntheit als Verteidiger Wiens während der Zweiten Türkenbelagerung.
1688 erbte Sohn Franz Ottokar von Starhemberg (1662-1699) den Hof. Im Jahr 1693 verkaufen ihm die N.Ö. Landschafts-Verordneten (Gesamtheit der Stände eines Landes) das Drittel der Steuer oder doppelten Gült (Vorläufer der heutigen Grundsteuer) bei den Herrschaften Zeillern, Weissenberg, den Kölberhof und ein Untertan zu Kollersdorf.
Bis zum Jahr 1751 bildete der Freihof eine eigene Gültbucheinlage. In diesem Jahr verband Johann Ernst Graf von Starhemberg (1716-1786) die Dominikaleinlage mit jener der Herrschaft Dürnstein. In Ermangelung eigener Erben schenkte er alle seine Besitztümer seinem Bruder Georg Adam Fürst von Starhemberg (1724-1807), wofür er sich eine jährliche Apanage von 24.000 Gulden ausbedingte. Letzter adeliger Besitzer des Hofes war Franz Gundacker Graf von Starhemberg.
Der Hof diente zu keiner Zeit der Familie Starhemberg als Wohnsitz, die Bewirtschaftung oblag Pächtern oder Dienstpersonal.
Johann Georg Pable
Am 19. März 1793 erwarb Johann Georg Pable (1734, Hoheneich - 1805) den Freihof von der Familie Starhemberg mitsamt 33 Joch Äckern, 12 Tagwerk Wiesen und ¼ Tagwerk Garten. Zuvor war er Präfekt auf Schloss Gilgenberg bei Waidhofen an der Thaya gewesen, ab 1774 war er Verwalter der Herrschaft Thürnthal. Er stand als Wirtschaftsrat auch in den Diensten der Familie Starhemberg, wofür ihm 1792 eine jährliche Pension in Höhe von 500 Gulden zugesprochen worden war. Johann Georg Pable starb 1805 im Alter von 72 Jahren in Kollersdorf.
Laut der ersten genaueren Karte der Umgebung, der Josephinischen Landesaufnahme, die um 1790 angefertigt wurde, ist der Hof nicht größer gewesen als die umliegenden Anwesen, siehe hier (das fünfte, langgezogene Gebäuderechts der Kirche).
Maria Anna Pable
Maria Anna Pable, Witwe nach Johann Georg Pable, übernahm den Hof 1807, konnte ihn jedoch nicht halten. Sie brachte im selben Jahr beim Kreisamt Korneuburg ein Gesuch ein, von ihrem Besitz 26 Joch Äcker und 10 Tagwerk Wiesen als Überländgründe an Bauern verkaufen zu dürfen, um ihre Steuerbelastung zu minimieren. Dies wurde gewährt. Für Klara Pable, deren Verwandtschaftsverhältnis nicht näher erwähnt wird, waren 5300 Gulden Satzposten (Verpfändungen) vermerkt, sie nimmt aber dessen ungeachtet, ihrer anschlüssigen Erklärung gemäß eine Zerstükung der Grundstücke, nicht den geringsten Anstand.
Die Wirren während der Napoleonischen Kriege verzögerten die Grundverkäufe. 1810 musste neuerlich ein Antrag beim Kreisamt Korneuburg für den Verkauf von 25 Joch Äckern und 8 Tagwerk Wiesen eingebracht werden.
Karl und Theresia Feckerl
Theresia Antonia Pable, jüngstes von insgesamt fünf Kindern des Ehe-paares Pable, heiratete 1812 Karl Feckerl aus Mistelbach (1789-1827) und führte mit ihm den Hof. Sie dürften kinderlos geblieben sein. Karl Feckerl ertrank 1827 in der Hanflacke in der Au zwischen Kollersdorf und Altenwörth. Die Witwe war bis zum Verkauf 1830 alleinige Eigentümerin des Hofes.
In der Karte zum Franziszeischen Kataster 1823 (auch Urmappe genannt), in der bereits die einzelnen Parzellen eingezeichnet sind, ist der Freihof als Parzelle 61 eingetragen. Zum Hofverband gehören die Grundstücke 62 (Scheune), 63 (Garten) und 64 (Garten). Siehe hier.
Johann Georg und Brigitte Kern
Am 23. August 1830 sind der Schullehrer Johann Georg Kern (1765, Waldkirchen - 1842) aus Grafenwörth und seine zweite Gattin Brigitte, geb. Spannagl, Tochter eines Grafenwörther Wirtschaftsbesitzers, auf den Hof angeschrieben worden.
Johann Michael und Barbara Kern
Bereits im Jahr darauf erhielt Johann Michael Kern (1802-1866), Sohn aus erster Ehe von Johann Georg Kern mit Barbara geb. Übelmann, den Hof. Er heiratete 1838 Barbara Bennersdorfer aus Kollersdorf (1813-1888). 1846 wird sie auf dem Hof mit angeschrieben. Von den insgesamt zehn Kindern überlebten nur Johanna (1847-1910) und wahrscheinlich Anna Maria (geb. 1851). Johann Michael Kern starb 1866 an Cholerine, einer abgeschwächten Form der Cholera.
Barbara Kern
Ab Mai 1870 war Barbara Kern alleinige Eigentümerin des Hofes.
Anton und Johanna Söllner
Tochter Johanna Kern (1847-1910) heiratete 1871 den Hauerssohn Anton Söllner (1847-1923) aus Neustift 7. Im Jahr 1876 wird beiden der Hof übertragen. Das Ehepaar Söllner hatte sechs Kinder. Anton Söllner war von 1888 bis 1913 Bürgermeister der Gemeinde Altenwörth, zu der Kollersdorf in dieser Zeit gehörte. Die Gemeindekanzlei war vor Ort untergebracht. Diese „Großgemeinde“ (Altenwörth, Gigging, Kollersdorf, Sachsendorf) bestand von 1849 bis 30. Juni 1922.
Seinen Lebensabend verbrachte Anton Söllner bei Tochter Johanna in Altenwörth, die mit dem Gastwirt August Nowotny verheiratet war.
Das Mitwirken der Söhne Anton (Helikon) und Alois (Tenorhorn) bestärkt die Vermutung,
dass die Gründung der Ortsmusik auf Initiative ihres Vaters Bürgermeister Anton Söllner
erfolgt ist. Die aus der Gründungszeit stammende Aufnahme ist im Innenhof entstanden.
dass die Gründung der Ortsmusik auf Initiative ihres Vaters Bürgermeister Anton Söllner
erfolgt ist. Die aus der Gründungszeit stammende Aufnahme ist im Innenhof entstanden.
Alois und Leopoldine Söllner
Der Hoferbe Alois Söllner (1876-1959) heiratete 1908 die Weinhauerstochter Leopoldine Holzer (1882, Grafenwörth - 1965, Kollersdorf), im gleichen Jahr bekamen sie den Hof übereignet.
Alois Söllner war von 1913 bis 1919 Bürgermeister der „Großgemeinde“ und vom 9.9.1945 bis 31.10.1947 Bürgermeister der Gemeinde Kollersdorf. Stellvertretend für seinen eingerückten 17jährigen, als Hoferben vorgesehen Sohn Alfred (vermisst 1943), welcher am 1. Oktober 1939 zum Leiter des Kirchenchores bestellt worden war, hatte er in den Wintermonaten des Jahres 1940 einen neuen Kirchenchor zusammen-gestellt. Alois Söllner erlernte sogar das Orgelspiel, da von der Pfarre ein Harmonium angekauft worden war. Die Chorproben fanden in Kollersdorf statt.
Goldene Hochzeit Alois und Leopoldine Söllner, 25. Februar 1958
Leopoldine Hartl
Leopoldine (1912-1986), eines der vier Kinder von Alois und Leopoldine Söllner, ehelichte 1937 Andreas Hartl, Gastwirt und Greissler in Kollersdorf 55. Nach dem Tod ihres Vaters erbte sie die Hälfte des Hofes, nach dem Tod ihrer Mutter am 21. Mai 1965 den Rest.
1961 ertrank der älteste Sohn Andreas, der als Hoferbe vorgesehen war, beim Baden in der Donau, im selben Jahr starb auch dessen Vater. Die Witwe schloss daraufhin das Gasthaus und führte mit Sohn Alfred, der dafür das Gymnasium in Tulln verlassen musste, Greisslerei und Landwirtschaft weiter.
Alfred und Ernestine Hartl
Alfred (25.7.1947-15.11.2021) erlernte bei der Firma Kolar in Kirchberg am Wagram den Beruf Elektriker und übte diesen bis zu seiner Pensionierung aus. Die Landwirtschaft wurde im Laufe der Jahre aufgegeben und die Äcker verpachtet. Nach dem Tod seiner Mutter erbten er und seine Schwester Ernestine (4.9.1939-24.8.2020) den Freihof. Ernestine führte bis zu ihrer Pensionierung die Greisslerei.
Dr. Erwin Pröll, Landeshauptmann von Niederösterreich a. D., erinnert sich in seinem Schreiben vom 24. November 2021 an die Schulzeit: Ja, wir beide haben gemeinsam das Gymnasium in Tulln besucht. Viele Erinnerungen an ihn reichen in diese Zeit zurück. Alfred war sogar einige Jahre mein unmittelbarer Sitznachbar und ein sehr angenehmer, sympathischer und kluger Schulkollege.
Die Bewohner der Seitentrakte
Die seitlichen Gebäudetrakte dienten Inwohnern als Unterkunft. Unter Inwohnern oder Inleuten verstand man bis nach dem 2. Weltkrieg Familien, die sich kein eigenes Haus leisten konnten, daher bei Hausbesitzern wohnten und dafür eine bestimmte Anzahl von Tagen bei diesen arbeiten mussten. Darunter waren auch Kleingewerbetreibende, die hier ihrer Profession nachgingen.
Nachweise darüber finden sich in den Taufmatriken der Pfarre Altenwörth. Die Angaben sind Momentaufnahmen, wie lange die Familien jeweils dort wohnten, lässt sich nicht feststellen.
1789: Joseph und Cäcilia Espitz
1793: † Eva Maria Egnin, Gattin des Maurers und Inwohners Joseph Egn
1794: Ferdinand und Theresia Leuthner
1829: Franz und Elisabeth Hubner, Schneidermeister
1830: Valentin und Johanna Grüneis (Krenes), Ziegelbrenner
1831: Michael und Theresia Leuthner
1849: die ledige Johanna Göschl
1851: Martin und Theresia Hütler, Bestandwirt
1853: Martin und Anna Schlosser, Maurer und Pachtwirt bis mind. 1866
1858: Johann und Katharina Doppler; Johann † 1872
1860: Franz und Katharina Kaltenbrunner, Schuster
1861: Johann und Theresia Pachmayer, Webermeister
1866: † Franz Doppler, lediger Hauerknecht
1878: Leopold und Anna Magerl, bis mindestens 1881
1901: Johann und Anna Unbekannt, Schneidermeister
1906: Alois und Helene Magerl, Straßeneinräumer
1909: Johann und Anna Weiss, Taglöhner
1915: Franz Leuthner, Hauer mit insgesamt vier Personen
1915: Johann Zimmermann, Schustermeister mit insges. drei Personen
1915: Franz Reiser, Taglöhner und Schuster mit insges. sechs Personen
Die Familie wohnte hier bis mindestens 1928.
1921: Franz und Theresia Hackl, Hauer
1954: Alfred Hubner, Werkstatt des Schuhmachermeisters
Franz Schernbrandtner war bis zu seinem Tod im Jahr 1995 der letzte Bewohner des rechten Seitentraktes. Auf der linken Seite wohnte nach dem Zweiten Weltkrieg niemand mehr, der vordere Raum wurde einige Zeit vom örtlichen Musikverein als Probenraum genutzt.
Das Buch über den Freihof ist bei Frau Heidi Veitl, Sachsendorf, Tel. 0699/81786196, um Euro 10,-- erhältlich.
Bildernachweis:
Abb. 2: Arch. DI Wilhelm Schmid, Wien/Gösing am Wagram
Abb. 3: Dr. Erich Söllner, Wien
Abb. 4-6: Arch. DI Wilhelm Schmid, Wien/Gösing am Wagram
Abb. 7-9: Dr. Erich Söllner,Wien
Abb. 10-12: Alfred Hartl
Abb. 13: Familie Kolar, Kirchberg am Wagram
Quellen:
Archiv Starhemberg, Urkunden, OÖ Landesarchiv
Archiv der ehemaligen Gemeinde Altenwörth
Bundesdenkmalamt
Helmuth FEIGL: Die niederösterreichische Grundherrschaft, St. Pölten 1998
Grundbuch der Herrschaft Dürnstein, NÖ Landesarchiv, St. Pölten
Gewährbuch des Freihofes Kollersdorf ab 1802, NÖ Landesarchiv,
Außendepot Bad Pirawarth
Engelbert HADEYER: Fassadenbefund & Raumbuch Kollersdorf Nr. 40 NÖ, Krems/Stein, 2005
Ernst Heinrich KNESCHKE: Neues allgemeines deutsches Adels-Lexicon, 5. Band, 1864
Niederösterreichisches Landesarchiv, Alte Einlagen
Oberösterreichisches Urkundenbuch
Pfarrmatriken Altenwörth, Grafenwörth, Kirchberg am Wagram, Gösing
Pfarrchronik Altenwörth
Otto SCHILDER: Heimatkunde heute, 1977
Stiftsakten Klosterneuburg
Juni 2022
Herbert Eder
Ludwig Leutner
Maria Knapp