1. Vorbemerkung
Eine exakte Gründungsurkunde ist mir bisher nicht bekannt.
Wahrscheinliche Erstnennung um 1280 als NEUSTAT
Tatsächlich bisher bekannte urkundliche Erstnennung am 1. Jänner 1318 als NEUSTIFT
Neustift soll nach hergekommener Überlieferung infolge der Zerstörung der unter dem Niederwagram gelegenen Orte HANNIDORF und PARZ, die einem verheerenden Hochwasser zum Opfer fielen, auf dem höchsten Punkt in der Umgebung als planmäßiges Angerdorf "neu gestiftet" worden sein.
In der "Landständischen Landkarte" aus dem Jahre 1801, erstellt von Nicolaus Kellermann unter Mitwirkung (Triangulierung) von Franz de Paula Triesnecker scheint Neustift als "GROSS NEUSTIFT" auf.[1]
Lange Zeit galt das Jahr 1399*) "Neunstift" im "Historischen Ortsnamenbuch von Niederösterreich" von H. Weigl für die Historiker als urkundliche Erstnennung - siehe "Geschichte der Marktgemeinde Kirchberg am Wagram" aus 1993[2].
*)1399 9. März Hartneid von Herczognpirnbaum (Herzogbirbaum im Weinviertel) und Agnes seine Hausfrau verkaufen "den erwirdigen geistlichen herrn, herrn Gerungen probst, herrn Stephan techant und dem convent ze Sand Pölten (Augustiner Chorherrenstift St. Pölten), iremh goczhaus ......." von ihrem "frein aigen drew phunt und ainen wienner phenning gelts, die gelegen sind auf den nachgeschriben gütern gestifter holden dacz Englmarsprün auf dem Wogram: von erst Stephan Pleattel näun schilling und zwelif phenningc an sand Michels tag, ze weinachten ze weisat zwelif phenning, ze österen zwelif phenning und ze phingsten zwelif phenning; Ortolf Humel von ainer hofstat funfzig phenning an sand Cholmans tag; Mathes Vorster funf und sibenzig phenning von ainer hofstat an sand Michels tag; Erenreich Plankch fünfzehen phenning von ainer hofstat an sand Michels tag; darnach dacz Oberenstokchstal:d Frischnikele dreizzich phenning an sand Michels tag und daselbs von ainer padstuben sechzig phening an sand Michels tag und sechzig phenning auf sand Gorgen tag; darnach dacz der Neunstift: Ott Payr dreizzich phenning an sand Michels tag und neünzehen phenning an sand Gorgen tag, der Glür dreizzich phenning an sand Michels tag und neunzehen phenning an sand Gorgen tag. Und darzu haben wir verchauft auch unsers freien aigen, drei schilling und funf und zwainzich wienner phenning gelts die gelegen sind daselbs auf uberlend, das alles gelegen ist in Sand Stephans pharr auf dem Wagram oder wo das gelegen ist, als wir di egenanten güter und gült mit aller zuegehorung ze veld und ze dorf, gestift und ungestift, versucht und unversücht, mit allen eren nuczen und rechten das darzue gehört unversprochenlich in aigens gewer und rechten innegehabt und herpracht haben an all erbvogtey, und als di an uns kömen sind von dem erbern herrn herrn Eustachen von Scherffenberch.... .“[3]
Der Historiker Heinrich Weigl, der sich um die Erforschung des Alters der Orte aufgrund der Fluranlage bemühte, nahm in seinen Ausführungen [4] die Gründung des Ortes im 11. Jh. an.
Er schrieb: "Ortsanlage: Straßendorf mit schmalanlageförmiger Erweiterung und regelmäßigen Hausmarken.
Fluranlage in Resten erkennbar, daß die meisten Häuser einen langen Ackerlüß, die der Nordzeile nach Norden, die der Südzeile nach Süden haben. Der Ostteil des Burgfriedens besteht aus Kurzstreifen und Vielecken, meist Überländ, sonst herrschen Lüßartige Streifen, mit Überländ durchsetzt vor. Keine Gewanne, keine Zeichen einer Örtlichen Gutsherrschaft.
Zusammenfassung: Der Ortsname Neustift und der Flurname "Altendorf" verraten, daß der Ort verödet und in neuer Lage wiedererrichtet worden ist. Dabei scheint nur ein Teil der Flur (die Hausackerlüsse) neu angelegt worden zu sein.
In den Burgfrieden ist auch die Flur des verödeten PARZ ganz oder zum Teil aufgegangen (im Südosten der heutigen Siedlung). Die Neubesiedlung des Ortes dürfte im 11. Jh erfolgt sein.“
Pfarrer Dedelbacher aus Altenwörth setzte im Jahre 1916 die Gründung Neustifts auf das Jahr 1337 ("verheerendes Donauhochwasser"), welches von den Schullehrern Adalbert Hirsch d.J., Prof. Ludwig Piffl sowie anderen Heimatkundlichen Schreibern (Mann, Fandl...) übernommen wurde.
2. Örtliche Literatur bisher
Im Jahre 1894 schrieb der damalige Schulleiter Ludwig Marzani in einer Anlage zur Chronik der Schule Neustift, genannt "Heimatskunde":
Diese Angabe erhebt die Frage um den Namen des "Alten Dorfes" und so schrieb Prof. Ludwig Piffl in seinem Manuskript „Die verschollenen Donauorte im Tullner Becken“:
„Zwischen Kollersdorf und Bierbaum am Kleebühel verschwanden um die gleiche Zeit Hannodorf und Partz. Während ersteres in der Flur Altendorf – nach der Karte des Lorenzo 1817 10) „Im alten Dorf“ vermutet wird, erinnert die Flur Parz an den anderen Ort, dessen Burgfrieden noch 1590 auf alten Karten aufscheint 3). Die Bewohner dieser beiden Orte sollen 1337 in dem neu gestifteten Dorfe Neustift angesiedelt worden sein...
3) Neill – Über verschollene Orte, Bl. f. Landeskunde v. NÖ 1868, 77, 78, 81, 83, 84, 87...
10) Karte des Lorenzo – Josefinische Karte – Administrativkarte“.[6]
Die vorgenannten Orte scheinen in einem Zehentverzeichnis der Pfarre St. Stephan am Wagram (Kirchberg) aus dem Jahre 1230 als „Hannedorf“ und „Porz“ auf, Neustift wird darin noch nicht genannt.[7]
Man sollte sich daher vorher mit der Geschichte der abgekommenen Orte in der Umgebung vertraut machen, deren Bewohner wahrscheinlich im später gegründeten Neustift angesiedelt wurden:
https://www.hf-kirchberg.at/abgekommene-orte/altendorf
https://www.hf-kirchberg.at/abgekommene-orte/glatzmanns(in Bezug auf den von Erwin Kupfer genannten Zwettler Klostergrund)[8]
https://www.hf-kirchberg.at/abgekommene-orte/hannodorf
https://www.hf-kirchberg.at/abgekommene-orte/parz
https://www.hf-kirchberg.at/abgekommene-orte/sygendorf
3. Nachweise
Im Verzeichnis des Wüstungsarchives[9] wird Hannodorf als „nicht geortete Wüstung“ unter Nr. 646, 10 „Hannidorf“ H 103 Tulln Kirch/W Altenwörth, w, in den Auen" und Parz unter Nr. "1338, 10 “Porze” B 386 Tulln Kirch/W Neustift i. Felde s, FIN, Winkl", “Altendorf” unter Nr. 52,10 A 130a Tulln Kirch/W Kirchb/W, sw Neustift/Felde und Glatzmanns unter Nr. 522, 10 G “Glatzmanns” 146 Tulln Kirch/W Altenwörth, in den Auen genannt.
Die urkundliche Erstnennung von Neustift im Felde wurde bisher als „Neunstift“, im „Historischen Ortsnamenbuch von Niederösterreich“ von H. Weigl dem Jahre 1399 zugeschrieben: Der seinerzeitige Pfarrer von Altenwörth, Josef Dedelbacher, setzte das Gründungsjahr auf 1337 2a).[10]
Für die Jahre 1235, 1236, 1275 (3mal in diesem Jahr), 1316 schwere Überschwemmungen verzeichnet, die Dörfer erodiert haben.[11] Die letzte bisher bekannte Nennung Hannedorfs war ebenfalls im Jahre 1316, wahrscheinlich wurde in diesen Jahren der Ort Hannodorf-Hannidorf-Hanifdorf aufgegeben und im schon bestehenden Neustift angesiedelt.
Eine im Prämonstratenserstift “Slage” - (Stift Schlägl, OÖ-Mühlviertel) vorliegende Urkunde**)[12], ausgestellt am 1. Januar 1318 "an dem heligen Ebenbeich Tach" in “Winchel pei der Tvenaw” (“Winkl bei der Donau”) durch Hadmar von Winchel (Hadmar I. von Winkl), in welcher “hoffen dacz Winchel” oder “hoffen dacz der Neustift” (“Höfen des Stiftes Schlägl da zu Winkl oder da zu der Neustift”), hier ist eindeutig Neustift im Felde gemeint, genannt werden, beweist, daß Neustift schon vor dem 1.Januar 1318 bestanden hat und auch schon so genannt wurde.
Edition: Pichler, Isfried H., Urkundenbuch des Stiftes Schlägl, Aigen i. M., 2003, Nr. 101 (S 83), S. 115-116 -Kopialbuch A (1593) 21r. Kopialbuch B (1597) 24r-v. Christoph Hefellner (1639) K. Rumpler (1980) – Literatur: Pröll, Geschichte (1877) 48f. Luger, Dissertation (1936) 134, 186f.
Inhalt: Hadmar von Winkl gestattet dem Kloster Schlägl in des Klosters Höfen zu Winkl oder zu Neustift das Halten von 16 Rindern und deren freie Weide auf seinen, Hadmars, Werden (Inseln) und Auen als Seelgerät für die verstorbenen Söhne und Vorfahren.
Volltext:"Ich, Hadmar von Winchel (1), vergich vnd tun chunt allen den, deu disen brief lesent oder herent lesen, die nu lebent oder noch chunftich werdent, daz ich mit verdachtem muet, vnd mit gutem willen Ortliebes (2), meins suns, durch meiner hovsvrouen sel willen Reichcharten (3), vnd meins svns hern Hadmars (4), den paiden Got genade, vnd auch zve einem ewigen selgeret aller meiner vordren, den guten herren vnd dem gotshaus von dem Slag (5) erlaubet han ze haben ebichleichen sechtzehen rinder in iren hoffen dacz Winchel (6) oder dacz der Neustift (7), also daz diu selben rinder an alle vordrung vnd an allez geding, dhainer miet oder steur vrei waid haben sullen in allen meinen oven oder werden. Dar vber daz disev red stet vnd vnczeprochen weleib, gib ich disen brief mit meinem jnsigel, vnd mit meines brvders insigel, hern Ortlibes von Winchel (8), vnd mit meins suns jnsigel Ortliebes. Des sint gezevch, her Rveger (9) der pfarrer dacz sant Stephan, her Gerunch (10) der pfarrer von Winchel (11), her Ortlieb, hern Ortlibes sun von Winchel (11), Elbein (12) von Leutzenloch, Rinnhart (13) von Pirboum, Herman (14) von Portz (15), Wergant (16) vnd Albrech (17), sein bruder von Portz, her Chunrat (18) von Cezleinstorf, Ulreich (19) vnd Perchtolt (20), die Tyevel, vnd ander pider leut genuech. Diser brief ist gegeben, do van Christes gepurd sint gebesen drevtzehen hundert iar, dar nach in dem achtzechentem jar, an dem heligen ebenbeich tach, datz Winchel pei der Tvenaw. Amen."
In diesem Dokument aus Schlägl werden folgende Personen und Orte direkt oder indirekt genannt:
(1) Hadmar I. von Winchel *)[13]; seine Söhne (2) Ortlieb VI.*) und (4) Hadmar III.*); (3) Reichgart von Sonnberg, die Hausfrau Hadmars I.*); (5) Stift Schlägl in OÖ. unter Probst Ulrich I. (1305-1337); (6) KG Winkl, und (7) KG Neustift im Felde, beide Orte in der Marktgemeinde 3470 Kirchberg am Wagram, Pol.Bez. Tulln; (8) Hadmar I. Bruder Ortlieb IV.*) von Winchel; (9) Rueger, (Rüdiger) der Pfarrer von St. Stephan (Kirchberg am Wagram); (10) Gerunch, (Gerung) der Pfarrer von (11) Winkl-Kirche St. Nikolaus = Gerunch von Bierbaum; Bierbaum am Kleebühel, KG der Marktgemeinde 3465 Königsbrunn am Wagram, entstammte einer niederadeligen Familie aus Tübensee*) und war Hauskaplan und Leibarzt Herzogs Rudolf IV. ?); (11) Ortlieb V.*) (12) Elbein von Leutzenloch (Utzenlaa KG der MG Königsbrunn a.Wagr.); (13) Rumhard von Pirboum (Rinnhard*) von Bierbaum am Kleebühel); (14) Herman von Portz 1233, 1288, 1290, 1303, und hier genannt *);15) Portz-Parz, abgekommener Ort in der KG Neustift im Felde und KG Frauendorf; (16) Wergant von Portz 1303, 1304 und hier- und (17) Albrech sein Bruder von Portz, hier und 1324 genannt; (18) Chunrat von Cezleinsdorf (Katzelsdorf?, welches? bei Tulbing, -bei Poysdorf oder -an der Leitha; Ketzelsdorf?); (19) Ulreich der Tyevel (Teufel), (20) Perchtold der Tyevel nur hier genannt, die Herren von Tyevel (Teufel) werden oftmals als Zeugen und Siegeler genannt, 1384 war ein Hans der Tyevel Burggraf zu Stein, die Grablege der Teufel ist zu 2722 Winzendorf, sie hatten Besitzungen in 2422 Guntersdorf sowie im Kamptal (Gars) und Weinviertel (Bockfließ);
*) http://othes.univie.ac.at/40761/
Dr. Günter Marian: Dissertation "Studien zum mittelalterlichen Adel im Tullnerfeld" Wien, 2015
**) siehe Kapitel Portz-Porce-Parz
Auch für die Jahre 1210 und 1275 sind gewaltige Hochwasser dokumentiert.
Möglicherweise liegt die Gründung auch früher.
So schreibt der Historiker Erwin Kupfer, Wien, in seiner Diplomarbeit 1995 "Die Siedlungsgeschichte des politischen Bezirkes Tulln. Von den Anfängen bis zum Ende des Hochmittelalters" Seite 174:
"8.3 .2 .14. Neustift im Felde
Nach Mann wurde die frühere Siedlung, die 1337 durch Hochwasser weggeschwemmt worden war, neu angelegt und Neustift benannt. Vermutlich handelt es sich um eine Siedlung auf Klostergrund. Im Jahre 1208 hatte das Kloster Zwettl hier Grundbesitz erhalten 80):
80) Janicek "Besiedelung" S. 66" ?[14]
Karl Janicek schrieb in seiner Diplomarbeit, Wien, 1935 "Geschichte der Besiedlung und Grundbesitzverteilung des nördlichen Tullnerfeldes und angrenzenden Hügellandes": Seite 88:
"Im Augebiete der Donau hatte auch Niederaltaich Besitzungen, wie wir bereits wissen. Nun findet sich in einem Lehensverzeichnis , das aus der Zeit um 1280 stammt, unter der Ueberschrift "Feoda nobilia in Austria" unter Punkt 7 die Eintragung: Item domini de Winkel habent in feoda Bona in Frauendorf, in Winkel, in Neustat ..... 3)." Die beiden ersten Orte sind uns bereits bekannt. Wo liegt nun N e u s t a t? Ich vermute dasz dieses Neustat N e u s t i f t i. F. ist, das in der Nähe dieser Orte liegt, allerdings schon in die Ebene herausgezogen."
3) M.B.XI, S 323" (Tatsächlich ist diese Eintragung auf Seite 322)
Dies würde bedeuten, daß Neustift schon im Jahre 1280 unter dem Namen Neustat bestanden hat, was sich durchaus mit der Herausbildung der Herrschaft Winkelberg deckt:
Dr. Günter Marian: Dissertation "Studien zum Mittelalterlichen Adel im Tullnerfeld" , Wien 2015 6), S.60, 65:
"Nach dem Tod des letzten Babenbergers († 1246 Juni 15) gelang es Ortlieb (III.), seine Herrschaft im engeren Machtbereich des Wagramgebietes zu festigen, was sich neben dem Nachweis einer ansehnlichen rittermäßigen Mannschaft322 vor allem im Bau der Burg Winklberg in Mitterstockstall ausdrückte, die wahrscheinlich während der Zeit des "österreichischen Interregnums" (1246–1251) errichtet wurde.
322 Siehe dazu S. 143 ff.
Vor der Vermählung Ortliebs mit Gisela von Feldsberg kam es zwischen ihm und seinem Bruder Hadmar zu einer Teilung des väterlichen Erbes, wobei der Seniorität gemäß die modernere und vermutlich auch repräsentativere Burg Winklberg Ortlieb zufiel, indessen sich Hadmar mit der traditionsreichen, aber älteren Stammburg Winkl zufrieden geben mußte. Daß die bevorstehende Hochzeit Ortliebs der unmittelbare Anlaß für die Aufteilung auf zwei Herrschaften gewesen sein könnte, legt die Chronologie nahe. 1276 siegelt der in der Ankündigung nach Winkl genannte Ortlieb noch mit dem väterlichen Rundsiegel, während er sich 1279 als Gatte Giselas bereits nach Winklberg nennt und ein eigenes Siegel führt, in dessen Umschrift der neue Herrschaftssitz ebenfalls schon namengebend geworden ist369.
369 HHStA, AUR 1279 VI 16, Wien."
Diese Umstände legen nahe, dass für die Gründung von Neustat - Neustift im Felde, falls die Überlieferung "nach dem Hochwasser" richtig ist, am ehesten jene 3 Hochwässer des Jahres 1275 der Anlass waren und gemeinsam mit der vorerwähnten Herrschaftsteilung und der beträchtlichen Mitgift, welche die Heirat einbrachte, die Neugründung des Dorfes initierten.
Quellen:
Andreas Nowotny, Jänner 2012
Letzte Änderung Dezember 2017