Aufgezeichnet 1916 von Pfarrer Josef Dedelbacher in der Pfarrchronik von Altenwörth
Das Gedenkbuch der Pfarre Altenwörth fand der Verfasser der folgenden Aufzeichnungen so vor, wie es im Innern unversehrt geblieben ist. - Mein spezielles Interesse für Landeskunde trieb mich an, bei allen nur erdenklichen Archiven nachzustöbern und so biete ich meinen hochw. Herren Nachfolgern in bescheidener Weise meine einwandfreien, verbürgten Denkwürdigkeiten und geschichtlichen Plaudereien über Altenwörth.
Josef Dedelbacher, Pfarrer.
Altenwörth (einstiges Altenwerd) liegt am linken Ufer der Donau, östlich von der Mündung des Kamp in den Strom, 187 m über dem Meeresspiegel und ist von Feldern, Wiesen, Hutweiden und Auen umgeben. Die Häuser liegen meist inmitten von fruchtbaren Obstgärten.
In geologischer Beziehung herrscht sandiger Lehmboden mit einem Untergrunde von Gerölle vor. Durchschnittliche Jahrestemperatur ist 10° C.
Altenwörth verdankt seinen Namen seiner Lage. Wörth, mittelhochdeutsch wert oder Werder, Althochdeutsch uuarid, kommt von der Wurzel Vat (=wehren). "Werd" ist also das Schutzland, das gegen den Anprall des Wassers (=Donau) geschützte Land (soviel wie "Eiland, Insel"). Jedenfalls gingen, wie man ganz deutlich noch die Rinnsale sieht, hinter Altenwörth mehrere Donau-Arme und so war diese Donau-Au, wo heute das Dorf liegt eine Insel. Wahrscheinlich dürfte auch der Kamp diesseits des Ortes geflossen und erst unterhalb Altenwörth sich in die Donau ergossen haben. Der "alte" Wörth deutet darauf hin, daß zur Zeit als die Ansiedlung geschah, diese Au "alt" genannt wurde, d.h. nicht mehr ganz vom Wasser umflossen war.
Altenwörth reicht weit zurück in der Geschichte, dies beweist der Zusatz "alt" zum Unterschiede von dem jüngeren Grafenwörth.
Die Ansiedlung mag auf das 11. Jahrhundert zurückzuführen sein. Altenwörth dürfte früher auch viel größer, etwa ein Marktflecken gewesen sein, weil im Jahre 1784 auf dem Platze, wo jetzt der Pfarrhof erbaut ist, noch eine Stange aufgerichtet stand, woran eine steinerne Kugel an einem eisernen Ringe gehangen (Zeichen des Marktrechtes - zeitweiligen - Rolandssäule oder auch Prangersäule, woselbst Gericht gehalten wurde). Für diese Annahme spricht auch, daß vor mehreren Jahrzehnten bei der "Totenlacke" oder "Kirchenlacke" (am Wege nach Sachsendorf) große Schlüssel (nach Art gewöhnlicher Kirchenschlüssel) und ein Taufstein ausgegraben wurden.
Diese Totenlacke ist eine längliche Vertiefung von 3 bis 4 Schuh und zeigt augenscheinlich die Spuren eines dagestandenen und etwas größeren Gebäudes an, das wahrscheinlich im Schwedenkriege (Ende März 1645) zerstört oder auch durch ein Hochwasser verhehrt worden ist. - Speziell im Jahre 1337 soll die Donau durch ein verheerendes Hochwasser dem ganzen Ufer entlang entsetzliches Unheil angerichtet haben. So hat gerade dieses Hochwasser (1337) unter anderen auch das Dörfchen Marquardsurfar (heute bei Donaudorf, Pfarre Haitzendorf) zerstört. - Die Schweden sollen aber auch (1645) in der hiesigen Gegend furchtbar gehaust haben. Möglicherweise könnte die Kirche (bei der Totenlacke) auch im Bauernkriege verheert worden sein, denn 1596 soll bei Kollersdorf die Kaiserliche Reiterei gelagert haben, um die aufrührerischen Bauern zu züchtigen. Die aufrührerischen Bauern gingen gegen jene Ortschaften, die am Aufstand nicht teilnehmen wollten, äußerst gewalttätig vor, so z.B. hatten die Aufständischen den Markt Langenlois angezündet und waren im Begriffe, Krems und andere Ortschaften zu brandschatzen.-
Übrigens dürfte die hiesige Gegend zu wiederholtenmale der Schauplatz der verhängnisvollen Kriegsszenen gewesen sein, weil das ebene Terrain für Heeresbewegungen wohl zustatten kam. Wie leicht also konnte eine Ortschaft, oder speziell eine Kirche ein Raub der Flammen geworden sein! - Um einen Beleg für diese Ansicht anzuführen, sei die geschichtlich erwiesene Tatsache erwähnt: In der Umgebung von Sachsendorf soll der große Herrscher der Franken, "Karl der Große" im Jahre 791 einen glänzenden Sieg über die Avaren erfochten haben. (Die Avaren verschanzten sich bekanntlich hinter ringförmigen Erdwällen, sogenannten "Avarenringen" – und außerhalb Sachsendorf will man noch Spuren von Avarenringen erkennen.
Altenwörth gehörte ursprünglich dem Stifte Göttweig und dieses Stift sorgte auch für die Seelsorge und errichtete eine Kirche; noch heute heißt ein Feld unterhalb des Dorfes das Köttweinfeld. Bei Göttweig verblieb es bis 1715, wie folgender Tauschvertrag bezeugt: "30. Dezember 1715. Tauschvertrag zwischen dem Stifte Göttweig und der Herrschaft Grafenegg, wodurch das Patronatsrecht über die Filialkirche zu Altenwörth der Herrschaft Grafenegg überlassen wird. - Von jetzt ab fällt die Seelsorge der Pfarre Kirchberg am Wagram zu."
Im Jahre 1715 wurde am Kirchenplatz die Statue des Hl. Johannes von Nepomuck von den Ortseinwohnern errichtet und dieser Heilige als besonderer Patron in Hochwassergefahr fortan verehrt.
23. Juni 1766: Franziska Gräfin v. Regas von Grafenegg bat die Kaiserin Maria Theresia, daß zu Altenwörth ein Benefiziat angestellt werden dürfe. Sie begründete ihr Ansuchen damit, daß zu Altenwörth "ein uraltes, ehemals dem Stifte Göttweig gehöriges und nunmehr der Passauer Pfarre Kirchberg am Wagram zugeteiltes Filial-Gotteshaus sich befinde – und nicht nur im besten Stande zugerichtet sei, sondern auch zirka 10.000 Gulden Vermögen besitze (und zwar an Kapitalien und Grundstücken zusammen). Als weiteren Grund führte die Antragstellerin die beträchtliche Entfernung von der Pfarrkirche zu Kirchberg an, - und daß für einen Benefizienten ohnedies eine taugliche Wohnung vorhanden sei; die Dotierung von jährl. 300 fl. solle aus dem Kirchenvermögen genommen werden.
Diese Filialkirche war dem hl. Apostel Andreas geweiht und stand an der gleichen Stelle, wie heute die Pfarrkirche. Diese Filialkirche besaß schon von jeher ihr Vermögen, das sie heute besitzt und ist jedenfalls als Stiftungsvermögen vom Stifte Göttweig gelassen worden.
20. August 1766: An diesem Tage beantwortet das bischöfliche Konsistorium in Passau das Ansuchen der Gräfin dahin, sie solle einen Bevollmächtigten zum Konsistorium schicken behufs Aussprache wegen der Anstellung eines Benefizienten. Auch die Gemeinde-Vertretung ward vorgeladen: Termin der Tagsatzung ist 10. September. Auf Bitten des Pfarrvikars der Mutterpfarre Kirchberg, Franz Xaver Perwein wird die Tagsatzung auf den 26. September verschoben. Unterdessen hatte der Oberverwalter von Grafenegg Franz Scharnagl am 15. Sept. gleichfalls ein Gesuch eingereicht um die Anstellung eines Benefizienten und dieses Gesuch begründet, daß ein Benefizient auf ein Jahreseinkommen von 450 fl. hoffen könne. Die Pfarre Kirchberg aber sucht die Anstellung eines Benefizienten zu hintertreiben, erhebt immer wieder dagegen Vorstellungen (Grund: Sorge wegen etwaiger Schmälerung des Einkommens (vide: Matth. 6, 31 u. 32)). Da stellte die Gräfin Franziska Regas einen Revers aus, daß durch Anstellung eines Benfizienten in Altenwörth die Einkünfte für Kirchberg keine Einbuße erleiden sollte, und sandte diesen Revers am 4. Oktober 1766 ans Konsistorium nach Passau. Dieses sah sich nunmehr veranlaßt, die seinerzeit zitierte Tagsatzung unwiderruflich für den 19. November festzusetzen und lud alle Interessenten ein.
Jedenfalls kam nach Altenwörth kein eigenes Benefiziat.
1784 - Gründung einer eigenen Pfarre
Kaiser Josef II., bekannt durch seinen Hang zum aufgeklärten Absolutismus, erließ mit Beginn seiner selbstständigen Regierung (1780) ins kirchliche Leben tief einschneidende Edikte und Reformen, die als "Josefinismus" den geschätzten Leuten sattsam bekannt sind. Binnen kurzer Zeit hob er auch in Österreich 738 Klöster auf und deren Vermögen erwuchs zum Religionsfond (= zu Seelsorgs-, Schul- und karitativen Zwecken). Viel wurde auch verschleudert. Ob Joseph II. dazu berufen war, die Klöster aufzuheben, deren Eigentum einfach ihnen aufzuheben, darüber zu urteilen, möchte ich einfach sagen: Non sum, qui indico; Deus est qui indicat!
Aber seine Diözesanregulierung sowie die Gründung so vieler Pfarreien ist zweifelsohne etwas Gutes. Dieser Reformtätigkeit Josefs II. verdankt auch Altenwörth, daß es zur selbstständigen Pfarre erhoben und der Erzdiözese Wien einverleibt wurde. Mit Dekret vom 20. Juli 1783 wurde bestimmt, daß Altenwörth (damals 200 Seelen) von Kirchberg abgetrennt und eine eigene Pfarre sein sollte mit den Filialen Gigging und Winkel (386 Seelen). Kollersdorf sollte bei Kirchberg verbleiben und Sachsendorf nach Grafenwörth eingepfarrt werden. Doch wurde diese Einteilung noch im selben Jahre rückgängig gemacht und es kristallisierte sich die heutige Form heraus: Pfarre Altenwörth mit den Filialen Gigging, Kollersdorf und Sachsendorf.
Durch das Dekret der Congregatio consistorii vom 8. November 1784 wurde das V.U.M.B. vom Passauer Bistum losgelöst und in die Erzdiözese Wien einverleibt, folglich auch unsere Pfarre Altenwörth.
Im selben Jahre wurde die Kirche erbaut und der Pfarrhof. Wo heute der Pfarrhof steht, war früher der Ortsfriedhof. Der neue Friedhof wurde an dem Wege nach Kollersdorf außerhalb Altenwörth angelegt und ist Eigentum der Pfarrgemeinde.
Bei dem Baue der neuen Pfarrkirche wurde die Kanzel von Mistelbach gebracht und zwar aus der dortigen Gruftkapelle im Jahre 1784 .. (vide Topographie von N.Ö., VI, Seite 633). Im Jahre 1870 wurde eine neue Kanzel angekauft und die alte wanderte den Weg alles Irdischen und Vergänglichen.
Im Jahre 1787 erhielt die Pfarre Altenwörth aus dem Maria-Schneekirchlein zu Kaltenberg in der Ortsgemeinde Lichtenegg (auch St. Oswalds- oder St. Radegunds-Kapelle) 2 Glocken (vide: Topographie von N.Ö., V, Seite 27).
Die Schule bestand schon vor Gründung der Pfarre, wie lange ist nicht bekannt.
November 2012
Maria Knapp, Andreas Nowotny