Anfänge der Besiedlung
Die Besiedlung des Kirchberger Ortsbereiches reicht weit in die vorchristliche Zeit zurück, wie Funde aus jener Zeit beweisen. Um das Jahr 10 n. Chr. wurde die Donau Reichsgrenze des römischen Reiches. Nördlich der Donau wurden die Markomannen und Quaden sesshaft. In den ersten Jahrhunderten nach Chr. Geburt hatten die Römer südlich der Donau ihren Herrschaftsbereich. Als in der ersten Zeit nach dem großen Markomannensturm der Warenaustausch auf bestimmte Marktplätze beschränkt war, die nördlich der Donau an bestimmten Tagen besucht werden durften, war vielleicht der Ortsbereich vom heutigen Kirchberg am Wagram schon ein solcher Marktplatz gegenüber dem römischen Pirotorto (Zwentendorf). Zur Zeit der Völkerwanderung (395 – 568 n. Chr.) kamen germanische Völker ins Land (Vandalen, Westgoten, Rugier, Heruler, Langobarden). Ab 568 beherrschten durch ungefähr 200 Jahre die Awaren das Land, die ihren Herrschaftsbesitz im Tullner und Kremser Becken durch Verhaue sicherten. Nach Überwindung dieses Räubervolkes durch Kaiser Karl den Großen entstanden in der Karolingerzeit ab ca. 795 entlang des Kirchberger Wagram und im Tullner Becken zahlreiche Siedlungen, die in der Ungarnzeit (ca. 900 – 955 n.Chr.) aber wieder der Zerstörung anheimfielen.
Dass die Wahl des passauischen Verwaltungsmittelpunktes auf Kirchberg am Wagram fiel, war nicht verwunderlich, bestehen die für die Erreichbarkeit notwendigen Verkehrswege zu Wasser und zu Lande bereits seit dem Mittelalter. In nur etwa 6 km Entfernung führte der damals wichtigste Handelsweg, die Donau, vorbei, auf der die wichtigsten Güter transportiert wurden – man war aber in dieser Entfernung und oben auf der Anhöhe vor deren oftmaligen Überschwemmungen sicher. Der Weg unter Kirchberg, die heutige Kremser Straße, hatte damals noch keine überregionale Bedeutung, wohl aber die Landstraße, auch Leeweg bzw. Ochsenstraße genannt, die durch Neustift in Richtung West-Ost verlief und der Handelsweg bis nach Ungarn war. Von Straß über Hohenwart kam der Plekete Weg wahrscheinlich über Stockstall herein, um sich vor Absdorf mit dem Leeweg zu verbinden.
Die eingepfarrten Orte fanden bei Feindgefahr in dieser Kirche eine Zufluchtsstätte, an den Kirchenfesten und den zahlreichen Feiertagen Trost und Erbauung und stilles Gedenken an den Gräbern ihrer Angehörigen in dem die Kirche umgebenden, durch eine Ummauerung geschützten Friedhof.
Dieser Zustrom der Gläubigen führte zur Ansiedlung von Handels- und Gewerbeleuten im Schutz der als Wehrkirche ausgebauten Pfarrkirche auf dem zum Bistum gehörigen Grund. Allmählich entwickelte sich ein Marktverkehr, bei dem sich die Landbevölkerung mit den für Haushalt und Landwirtschaft erforderlichen Geräte, soweit sie nicht in Hausarbeit hergestellt werden konnten, versorgen und ihre eigenen Erzeugnisse tauschen konnten. Diese Entwicklung zu einem Markt wurde allerdings wiederholt durch einbrechende Scharen nördlicher und östlicher Nachbarn gestört.
Es entstanden für die Besucher der Kirchenfeste, für die Marktbesucher und für durchreisende Fremde Herbergen und Wirtshäuser.
Bereits um 1000 strömten Pilgerscharen ins gelobte Land. In drei Kreuzzügen (1096, 1147, 1189) durchzogen gewaltige Heeresmassen das Land, deren Verpflegung aus der Gegend entlang des Marschweges aufgebracht wurde. Reparaturen der Ausrüstung und des Wagenparks mussten durchgeführt werden. Wenn auch der Großteil der Heere auf der alten Römerstraße südlich der Donau seinen Weg nahm, blieb St. Stephan am Wagram doch nicht unberührt. Waren schon in ältester Zeit die Wanderer, die nördlich der Donau von Westen nach Osten strömten, an dem Ort vorübergezogen, brachte dann die Zeit der Kreuzzüge wohl den stärksten Verkehr, den der Ort jemals sah, belebte doch ein unabsehbarer Wagenzug die Heeresstraßen und auf der Donau wimmelte es von Fahrzeugen aller Art.
Erstnennung von „Sigmaresweret“
Nach der Schlacht auf dem Lechfeld 955, wo die Ungarn endgültig geschlagen wurden, kamen deutsche Siedler - Franken und Bayern – die die von den Ungarn zerstörten Orte wieder aufbauten und besiedelten.
Zentrum des kirchlichen Lebens in unserem Gebiet wurde die von Kaiser Heinrich II. im Jahr 1014 unter dem Namen Sigmaresweret gestiftete Kirche. Es ist nicht eindeutig belegt, ob die Kirche zuerst in Altenwörth stand und sie dann wegen der Hochwässer auf den Wagram verlegt wurde, oder ob man diesen Umstand von Anfang an mit berücksichtigt hat und die Kirche gleich auf dem Wagram errichtete. Näheres siehe hier.
Die Urkunde von Kaiser Heinrich II. betreffend die Schenkung von Grund und Boden zur Erbauung von 5 Kirchen in unserer Gegend, Übersetzung aus dem Lateinischen von Dr. Weißensteiner vom Diözesanarchiv Wien: Daher sei allen unseren Getreuen, den gegenwärtigen und künftigen, bekannt, dass wir aufgrund der Bitte des ehrwürdigen Bischofs Berengar von Passau der heiligen Kirche Gottes Güter im östlichen Reich in der Grafschaft des Markgrafen Heinrich geschenkt haben und zwar an den folgenden Orten: in Herzogenburg einen Platz zur Errichtung einer Kirche und wo sich ein Priester eine Wohnung machen kann und eine Königshufe; in Krems aber und in Sigmaresweret und in Tulln außerhalb der Stadt und in Ützensee ebenso an jedem einzelnen Ort je eine Königshufe und an jedem Ort einen geeigneten Platz zur Erbauung einer Kirche und zur Erbauung eines Gebäudes in der Nähe der Kirche für den Priester.
Wie rasch die Dichte der Bevölkerung und die Vergrößerung der Wohnplätze, der Besitz des Bistums Passau in jener Zeit auch am linken Donauufer zugenommen hatte, kann man daraus ersehen, dass bereits 1112 Bischof Ulrichvon Passau in der Lage war, passauische Güter zu Engelmannsbrunn, Seebarn, Kamp, Stein, Weinzierl, Mautern, Perschling, Kuffarn, Pötzleinsdorf u.a.m. dem von ihm gegründeten Kloster St. Georgen an der Traisen nach glücklicher Heimkehr vom Kreuzzuge, dem er sich 1101 neben Welf von Bayern, der Markgräfin Ita, Mutter des Leopold III. und des Erzbischofs Thiemo von Salzburg angeschlossen hatte (die dann alle von den Seldschukken aufgerieben den Tod fanden oder verschollen blieben), zu schenken.
Die Verbindung zum Domkapitel Passau
Die ecclesia Sancti Stephani ad Wachrein scheint erstmals 1147 in einer Urkunde auf. In diesem Jahr verlieh Bischof Reginbert von Passau, als er im Begriffe war, sich mit König Konrad und Herzog Heinrich Jasomirgott auf den Kreuzzug zu begeben, seinem Domkapitel „zur Vermehrung des Einkommens“, einen Teil der Einkünfte der Pfarrkirche St. Stephan am Wagram - ¾ des Zehents, die Hälfte der Steuern und sonstiger Geldeinkünfte - das übrige verblieb dem jeweiligen Priester. Diese Urkunde ist in verschiedener Hinsicht von Interesse und kann als Markstein bezeichnet werden, da sie den Übergang der bischöflichen Eigenkirche in eine domkapitlische Kirche einleitete. Zum ersten Mal wurde hier St. Stephan ad Wachrein urkundlich erwähnt, ebenso wie der Name des Pfarrvorstandes der Kirche aufscheint: Hermanus.
Grund der Schenkung Reginberts war, sich die Gewogenheit des Domkapitels für die Zeit seiner Abwesenheit zu sichern. Die Einkünfte der Kirche müssen daher bereits bedeutend gewesen sein, da die Schenkung sonst ihren Zweck nicht erfüllt hätte. – Diese Aktion hat dem Bischof allerdings wenig geholfen da er von diesem Kreuzzug nicht zurückgekommen ist.
Die Schenkung Reginberts v. J. 1147 ist insoferne von besonderer Bedeutung, da durch sie eine Entwicklung angebahnt wurde, die zu Gunsten des Domkapitels die Pfarre St. Stephan am Wagram und die Herrschaft über Grund und Boden mit dem Wirtschaftshof Oberstockstall dem Machtbereich des Bischofs gänzlich entzogen und in den ausschließlichen Besitz des Domkapitels, schließlich zur vollständigen Inkorporation zur Zeit des Bischofs Georg von Hohenlohe 1388 – 1423 gelangen ließ, durch welche die Pfarre aus dem fürstbischöflichen Besitz losgelöst, rein domkapitlisch wurde, d. h., das Domkapitel wurde Eigentümer der Pfarre, hatte den Pfarrverweser zu bestellen und konnte über Grund und Boden und die Einkünfte der Pfarre frei verfügen.
Im Jahr 1159 bestätigte Bischof Konrad von Passau (1149 – 1164), Sohn des Markgrafen Leopold III. des Heiligen, dem Domkapitel die Schenkung des Bischof Reginbert vom Jahr 1147 und gab dem Kapitel zur Vermehrung des Einkommens das gesamte Stiftungsgut, die Pfarrausstattung und die Grundstücke in die Hand. Die reichen Erträgnisse der Pfarrkirche als Mutterkirche und Mittelpunkt eines großen Zehentbezirkes fielen nun zur Gänze dem Domkapitel zu. In päpstlichen Bullen aus den Jahren 1179 und 1182 sicherten die Päpste Alexander III. und Lucian dem passauischen Domkapitel die ausschließliche Administration des Vermögens und die Zugehörigkeit der Kirche St. Stephan am Wagram zu.
Die Ausdehnung der Pfarre
Mitte des 11. Jhdts. war die Ausdehnung der Pfarre am größten, bevor kurz darauf die ersten Orte eigene Pfarren gründeten. Als erste Pfarre trennte sich Ravelsbach ab. Ende des 11. Jhdts. gründeten Mühlbach und Hohenwart eigene Pfarren und zu Beginn des 12. Jhdts. Grafenwörth und Etsdorf. Im 12. Jhdt. wurde durch das Kloster Niederaltaich auch im nahen Absdorf eine selbständige Pfarre errichtet. Im 13. und 14. Jhdt. trennten sich noch Großweikersdorf, Rohrbach, Fels und Ruppersthal ab.
Der Markt Kirchberg
Der wachsende Zustrom der Gläubigen des Pfarrsprengels, vor allem an kirchlichen Festtagen, hatte einen regen Marktverkehr zur Folge. Der Wohlstand des Volkes wuchs, die Bauern, die an Sonntagen für den Kirchgang in besserer Kleidung erschienen und der Prunk- und Putzsucht der Ritter nacheiferten, wie aus den Spottgedichten des Minnesängers Neidhart von Reuenthal (um 1150 geboren) zu entnehmen ist, förderten den Ortshandel. Die Zoll- und Mauteinkünfte, die Wechselgebühren, die Weinausschank in den Gaststätten und der Unterhalt von Herbergen nahmen zu. Das Domkapitel förderte auch aus materiellem Interesse den Verkehr, der immer mehr Händler und Gewerbetreibende herbei zog. Deren Heimstätten lagen auf passauischem Grund und Boden, waren daher nach Passau untertänig.
Infolge des regen Verkehrs wuchsen auch die Aufgaben des Vogtes Ortlieb von Winkel. Dies führte 1222 zu einem Streit über den Anteil am Gewinn zwischen dem Domkapitel und dem Vogt. Der Streit wurde im Pfarrhof zu Krems beigelegt und der Vergleich durch Bischof Gebhard in einer Urkunde festgehalten, in deren Einleitung es heißt: Ortlieb von Winkel, der wegen der Unbilden, die er dem Passauer Domkapitel zugefügt hat, schon öfters die Exkommunikation verdient hat, sowie der Cellerarius des Domkapitels Eberhard von Johannesdorf erwählten zur gütlichen Beilegung der Streitsache als Schiedsrichter: Den Passauer Dekan Propst von Aquilea und den Ortolf von Atzenbrucke und diese begutachten, welchen Anteil die Kanoniker des passauischen Domkapitels und welchen Anteil Ortlieb von Winkel an dem Zoll, dem Geldwechsel haben sollten und wem das Recht des Haltens von Herbergen und des Weinausschenkens in Wirtshäusern zustehen sollte….
Ortlieb von Winkel erhielt bei diesem Vergleich von den oben angeführten Gebühren ein Drittel bzw. die Hälfe sowie noch andere Vorteile zugeischert und vor allem auch das Recht, Herbergen zu unterhalten.
Der Name des Ortes erscheint in der Urkunde 1222 noch nicht mit Kirchberg angegeben, sondern mit St. Stephan. In dieser Urkunde wird erstmals von einem „Marktverkehr“ berichtet.
Ein Zehentverzeichnis des Domkapitels aus dem Jahr 1230 zählt folgende Ortschaften auf, die zur Pfarre gehörten: Kollersdorf, Sachsendorf, Hannedorf, Frauendorf, Seige, Porz, Ruppersthal, Mitter-, Ober- und Unterstockstall, Königsbrunn, Utzenlaa, Thürnthal, Kirchheim, Hippersdorf, Feuersbrunn, Fels, Altenwörth, Dippersdorf, Unter- und Oberthern, Etsdorf, Kibliz, Rohrbach, Glaubendorf, Absdorf, Pome, Bierbaum, Weikersdorf, Neudegg, Mallon, Ottenthal, Wiesendorf, Ameisthal, Zöbing. (Hannedorf, Seige, Porz, Kirchheim, Pome sind abgekommene Orte, meist in der Ebene gelegen und durch Hochwasser bzw. Feindeinfälle vernichtet.)
Der Vogt (Advocatus)
Der Vogt hatte, da das Domkapitel eigenes Vermögen hatte, das Gegenstand verschiedener Rechtsgeschäfte sein konnte und die Kirche und kirchlichen Korporationen ihre Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten nicht selbst austragen durften, da nach damaligen altem deutschen Grundsatz der Geistliche nicht wehrhaft war, der domkapitlischen Pfarre und Herrschaft zur Seite zu stehen. Das Domkapitel mußte sich also durch den Vogt vertreten lassen. Der Vogt war auch als Richter tätig.
Erbvogtherren des Passauer Bezirkes St. Stephan am Wagram waren die Herren von Winkel und Winkelberg, nach deren Aussterben um 1450 die Herren von Puchheim, Sigismund Hager u.a.
Die Herren von Winkel hatten auch die Vogtei über Absdorf und Kirchheim inne. Obwohl die Vögte die Interessen des Domkapitels und Nieder-Altaichs (Inhaber der Güter Absdorf und Kirchheim) zu vertreten hatten, waren die Einwohner nicht selten der Willkür der Vögte ausgesetzt.
Die Passauer Pfarrherren in Kirchberg
Gegen Ende des 13. Jhdt. aber setzte ein rascher wirtschaftlicher Niedergang ein. Der ritterliche Grundherr war durch die Geldentwertung verarmt. Im 14. Jahrhundert kamen fürchterliche Seuchen, Bedrückung der Bauern durch Wucher der Juden. Aus denselben Gründen dürften die Passauer Domherren zum Teil kein sonderliches Interesse an der Pfarrherrenstelle St. Stephan am Wagram gefunden haben, zumal bei der Unsicherheit des Verkehres die weite Reise von Passau zur Pfarre nicht ratsam gewesen sein dürfte.
So war es notwendig, einen Vikar zu bestellen, wenn der Pfarrherr die Residenzpflicht (Anwesenheitspflicht) am Pfarrort nicht einhalten konnte oder wollte, oder wenn der Pfarrer als Dekan der Visitationspflicht der übermäßig großen Dekanate nachzukommen hatte. Domherren, denen die Pfarre zu Lehen gegeben war, hielten sich meist nur die Sommermonate an ihrem Pfarrdorf auf, wohl auch um bei der Ernte und der Weinlese (als Weinlesemeister) zugegen zu sein. Für ihre Vikare, Hilfspriester und Gesellen wurde in Kirchberg am Wagram neben der Kirche ein Berufspriesterhaus errichtet. Der Vikar erhielt vom Domherrn als Entgelt einen Teil des Pfarreinkommens.
Bis ins 14. Jhdt. wurden die Pfarren bzw. Vikariate Altenwörth, Bierbaum am Kleebühel, Königsbrunn, Fels am Wagram, Glaubendorf, Ruppersthal und Winkl abgetrennt. Die Pfarre Rohrbach dürfte erst im 15. Jahrhundert errichtet worden sein.
In der Zeit zwischen 1388 – 1423 erreichte das Domkapitel unter Bischof Graf von Hohenlohe durch die Inkorporation, dass das Domkapitel Pfarrinhaber wurde. Sie blieb dies, bis infolge des Reichsdeputationshauptschlusses vom 25.Feb. 1803 Passau seine ganzen Besitzungen in Österreich verlor.
Über diese Inkorporation berichtet die kirchliche Topographie von Österreich, Band 9: Im Jahre 1433 wurde beschlossen, statt Pfarrer nur mehr Vicare in Hollabrunn aufzustellen, Bischof Leonhard entschied nämlich, es sollten die Einkünfte der Pfarre Hollabrunn zwischen dem Domkapitel und dem Domdechante zu Passau dergestalt verteilt werden, daß eine congrua für einen aufzustellenden Vicarius übrigbliebe. Er glaubt dieses desto leichter bewerkstelligen zu können, da schon 1400 ein gewisser Wenzla Thiem, Pfarrer zu Linz für eine ihm verbleibende Präbende (Pfarrpfründe) in dem Domstifte Passau dem dortigen Domkapitel feyerlich versprach, die Inkorporation der drey Pfarren: St. Stephanskirchen auf dem Wagram – Niederhollabrunn – und Petzenkirchen dergestalt zu bewirken, daß sie nur mehr mit Vicaren besetzt werden dürften.
Pfarrer Wenzel Thiem, erhielt für seine Fürsprache bei Papst Bonifaz IX. den Weingarten "Pfaff am Nussberg in Österreich" als Pfründe zu Leibrecht überlassen.
Das Dekanat
In der Diözese Passau werden bereits im 13. Jhdt. Dekane genannt, die, da die Verwaltung der Oberösterreich und Niederösterreich umfassenden Diözese die Kontrolle und Visitation der Pfarrer nicht mehr bewältigen konnte, als Visitatoren fungierten. Die Sitze der Dekanate waren aber noch keine fixen.
Im 14. Jhdt. wurde die Diözese Passau zwecks besserer Verwaltung in mehrere Bezirke geteilt. Diese Bezirke nannte man Dekanate. Die Dechanten hatten die Pflicht, die unterstellten Pfarrer zu visitieren.
Die hierarchische Ordnung war: Die Pfarrherren waren den Dechanten, diese wieder den Archidiakonen untergeordnet. Der Archidiakon war der Vertreter des Bischofs in Regierungs-, Ordinations- und Rechtssachen.
Da die Kirche zu St. Stephan am Wagram als "gute Pfarre" in jenen Zeiten mit Herren aus dem Domkapitel besetzt wurde, kam es, dass man bei Bestellung der Visitatoren auf diese Pfarrherren zurückgriff, was dann dazu führte, das St. Stephan am Wagram ein eigenes Dekanat wurde. Die Übertragung des Dekanates zeigt die Zunahme des Ansehens dieser Pfarrherren an.
Das Dekanat Ad Sanctum Stephanum super Wagrein reichte von der Donau bis zur Thaya und umfasste 85 betreute Pfarren bzw. Vikariate
Pfarrer Alois Edler von Neubauer beschwert sich gleich zu Beginn der Aufzeichnungen in der Pfarrchronik von Kirchberg am Wagram im Jahr 1836 über die (ehemaligen) Passauer Gepflogenheiten: Die von ihm auf die Pfarren geschickten Geistlichen erhielten nur eine beliebige, fast unbestimmte Dotation, ja sie erhielten nicht einmal den Titel Pfarrer, sondern sie hießen bloß Pfarrvikarine, und der mit dieser Benennung nicht zufrieden war, mußte zu Passau um den Titel Administrator der Pfarre einkommen.
Erstnennung von Kirchberg
Die ursprüngliche romanische Kirche war niedrig, so dass sie die sie umgebende Vegetation kaum überragte. Vom Neustifter Feld her, wo sie auf dem Berg lag, sah man sie nicht. Vom Markt her, wo man sie sah, lag sie nicht auf dem Berg. Der Namenswechsel von St. Stephan zu Kirchberg am Wagram kann nur die neue gotische Basilika bewirkt haben. Den Namen St. Stephan gaben die Passauischen Stifter, den Namen Kirchberg das schauende Volk. 1399 nennt sich Johann Hippelsdorfer Pfarrer zu St. Stephan 1400 liest man in einem Göttweiger Urbar erstmals Kirchiperig. Um 1510 scheint der Name ecclesia Kirchperg supra Wagraim in den Passauer Urbaren auf. Bis ins 16. Jhdt. hat sich dieser Name durchgesetzt.
In der ersten Hälfte des 15. Jhdts. begann eine Zeit immer wiederkehrender Kriege und Unruhen, die auch der domkapitlischen Herrschaft in Oberstockstall und der Pfarre St. Stephan am Wagram schwere Einbußen brachten.
Reformation und Gegenreformation
Auch in Österreich verbreitete sich um 1520 die Reformation sehr rasch. In einigen Landesteilen betrug der Anteil der Katholiken nur mehr ein Achtel der Gesamtbevölkerung. In der Kirchberger Pfarre aber konnte die neue Lehre kaum Fuß fassen, da hier ja hohe geistliche Herren vom erzkatholischen Stift Passau saßen.
Anders sah es bei den weltlichen Herrschaften der Umgebung aus. Wo die Herren protestantisch wurden, waren auch die Untertanen dazu angehalten. So bildete sich auf dem Winkelberg in Mitterstockstall ein lutherisches Zentrum. Der Protestant Balthasar von Puchheim zu Raabs war von 1540 – 49 in Besitz dieser Herrschaft. 1549 kaufte Christoph Trenbach, Pfarrherr von Kirchberg, die gesamte Grundherrschaft, um die nahe Konkurrenz loszuwerden, aber bereits sein Bruder musste sie 1572 wieder verkaufen, um die hohen Schulden seines verstorbenen Bruders begleichen zu können. Der Käufer – Christoph von Oberhaim - war aber wieder Protestant.
Unter den evangelischen Predigern des Viertels unter dem Manhartsberg (es waren deren über 60) waren unter anderen: David Maier zu Frauendorff unter Hr. Landmarschall v. Roggendorf
Wolfgang Diek. Pf. zu Neiaigen unter Hn. Hans Chr. von Puchhaim
Paulus Forster Pf. zu Weikersdorf unter Hn. Bernhard Turzi
Jacobus Laurentius, Pf. zu Winkelberg unter H.C. v. Oberhaim
Joachim Magdeburgius, Pf. zu Grafenwerth unter H.H. Rueber
Flavianus Rabbisch Pf. zu Abstorff unter d. Gräfin zu Hardegg, Wittib
Johann Schwinghammer Pf. zu Stöteldorff unter d. Gräfin zu Hardegg, Wittib
Johannes Stupp, Pf. zu Feuersbrunn unter Hr. v. Puchhaim sel. Erben.
Martin Rumpler war protestantischer Prediger in Kirchberg, wie aus seiner Krida-Abhandlung anno 1571 hervorgeht. Er war zwar aus Pflichtbewusstsein nicht verheiratet, hinterließ aber eine Haushälterin mit einem Kind.
Altenwörth war in dieser Zeit des akuten Priestermangels nicht besetzt und wieder in Kirchberg eingepfarrt worden.
1545 – 48 stellte das Konzil zu Trient in Südtirol den erschreckenden Umfang der Ausbreitung der Lehre Luthers fest und beschloss die Gegenreformation. Das Passauer Domkapitel schickte schon 10 Jahre früher seinen besten Mann in unsere Pfarre: Christoph von Trenbach wird im Jahreskatalog des Domkapitels 1547 an 1. Stelle genannt, sein Stiefbruder Urban an 16., während bereits 1559 Urban nach dem Tod von Christoph an 1. Stelle steht. Dies zeigt, wie wichtig dem Passauer Domkapitel unsere Pfarre erschien und dass diese stets der Hauptort allen passauischen Wirkens in Niederösterreich war.
Der finanzielle Zustand der Kirche war in dieser Zeit eher schlecht, besserte sich aber im Laufe der Zeit zusehends, vor allem durch ein stetiges Ansteigen der Messstiftungen.
Die Pfarreinkünfte bestanden damals in Pfennigdiensten von behausten Gütern (11 Pfund, 7 Schilling, 3 Pfennig), in Überländdiensten und dem halben Teil des Zols am Oxenmarkt (10 Pfund, 6 Schilling, 5 Pfennig); Getreidezehent: beyderley 24 Muth, 20 Metzen; Weinzehent: 6 Dreiling, 12 Eimer; dann den kleinen Zehent von 17 Viertl Weingärten, von 96 Joch Äcker in alle feldt von 6 Tagwerk Wiesen und einem klein Grasgärtel und schließlich in 7 Gänsen, 28 Hühnern und 29 Käsen.
Im Jahr 1580 unternahm der evangelische Theologieprofessor Pastor Dr. Backmeister aus Rostock eine große Visitationsreise durch NÖ, von der Bernhard Raupach in seinem Werk „Evangelisches Oesterreich, das ist historische Nachricht von den vornehmsten Schicksalen der Evangelischen Kirchen im Erzherzogtum Oesterreich unter und ober der Enns“, Hamburg 1741, berichtet. Er zählt die Angehörigen des Herren- und Ritterstandes, die damals in NÖ evangelisch waren, namentlich auf und führt unter anderem an: Hans Ruber, Freyherr zu Pixendorf und Gravenwerth, Herrn Bernhard Turzi, Freyherrn von Bethlemdorff, zu Grafengg, und Herrn Christoph von Oberhain zu Winkelberg, Land-Unter-Marschall. Er zählt die Ortschaften auf, die evangelisch geworden waren: Absdorf, Frauendorf, Thürnthal, Feuersbrunn, Grafenwörth, Grafenegg, Neudegg, Neuaigen, Stetteldorf, Schloss Weikersdorf, Schloss Winkelberg.
1619, nach der Niederlage der Kaiserlichen (katholischen) Streitkräfte unter General Dampierre bei Hollabrunn plünderten die evangelischen Grundherrn, so auch der evangelische Burgherr auf Winkelberg, Andreas Stadel. Er schaffte vom Kirchberger Pfarrhof zu Oberstockstall auf sein Schloss nach Grafenwörth:
17 Muth Weizen ( = 31.518 Liter),
35 Muth Korn (= 64.890 Liter,)
40 Muth Hafer (74.160 Liter),
100 Eimer Wein (=5660 Liter),
Bettgewand, Bücher, Hausrat, Möbel, Rinder, weiters Pferde und Schweine.
Offizial Karl von Kirchberg, hier Pfarrer, klagte, daß die Bucquoischen Soldaten nicht allein fast alle Kirchen enthalb (nördlich) der Donau ausgeplündert, sondern auch gar die Glocken zerschlagen und deren eine große Anzahl sowohl hiesigen Mercantanten als auch denen von Krems und Stein gleichsam um einen Spott verkauft haben. (Wiedemann, 3. Band)
Nach dem entscheidenden Sieg der katholischen Liga unter General Tilly auf dem Weißen Berg bei Prag über den “Winterkönig“ Friedrich von der Pfalz wendete sich das Blatt: Waren 1597 im Bauernaufstand zur Freude des Adels die Bauern unterlegen, so ereilte die evangelischen Herren nun das gleiche Schicksal. Jetzt war der Weg zur Rekatholisierung und zur Durchsetzung des Absolutismus frei.
Nach einer Eingabe von Generalvikar Freiherr von Kirchberg an General Graf Bouqoui wurde Andreas Stadel wegen des Raubes der Kirchengüter der Hochverratsprozess gemacht. Kaiser Ferdinand II. konfiszierte seine Güter wegen der Mitgliedschaft im Horner Bund und Unterzeichnung der Prager Konvention. Der Raub wurde zurückerstattet und da der Kaiser Schulden bei Graf Althann hatte, übergab er die Herrschaft Winkelberg an Graf Michael Adolf von Althann. Dieser schenkte die Herrschaft 1620 dem Jesuitenkollegium Krems, welches am 25.10.1622 in das Gültbuch eingetragen wurde und sie bis zur Auflösung im Jahre 1773 in Besitz hatte.
In diesen turbulenten Zeiten standen der Pfarre Kirchberg markante Persönlichkeiten vor, so das Brüderpaar Christoph und Urban Trenbeck und die beiden Fugger Viktor August und Sigmund Friedrich. Als 1561 Urban von Trenbeck Bischof von Passau wird, wird er zu einem Mitstreiter Melchior Khlesls (Sohn eines Wiener lutherischen Bäckermeisters), dem späteren ersten Kardinal auf dem Wiener Bischofssitz und Führer der österreichischen Gegenreformation.
1661 ließ der Bischof von Passau, unter dessen geistlicher Jurisidiktion fast alle niederösterreichischen Kirchen außer denen von Wien standen, die Pfarreien des Domkapitels durch Freiherrn Wilhelm von Hofkirchen untersuchen, wobei er über Kirchberg bloß vermerkt: In Kirchberg am Wagram mit Fels wird die Kinderlehr im Advente und in der Fasten gehalten, zu anderen Zeiten erscheinen sie nicht.
In diese Zeit datiert auch die Entstehung der Wallfahrt Maria Trost in Kirchberg, da Johann Christoph Beer im Jahr 1679 in Erfüllung eines Gelübdes die Steinerne Säule mit der Marienstatue am Weg in Richtung Mitterstockstall aufstellen ließ. Die Wallfahrt wird in einem eigenen Kapitel behandelt. Siehe hier.
Im Zuge der Rekatholisierung zogen Kommissäre, von Rumormeistern (ein zum Stab des Regiments gehörender Offizier) begleitet durch das Land um nach Verstößen gegen katholische Regeln zu fahnden. Vornehmlich die Nichteinhaltung der Fastengebote sah man als Zeichen des Abfalles vom rechten Glauben an. So war es auch den Dechanten gestattet, mit bewaffneter Gewalt an Fasttagen in Häuser einzudringen und nach Fleisch zu fahnden.
In den Konsistorialakten von Passau findet sich folgender Bericht: In Kirchberg am Wagram verkündete der Vicarius Mathias Kessborer auf der Kanzel am Katharinafeste 1689, wie die Magd Barbara Zägl am Feste Maria Opferung eine Seele, so 38 Jahre im Fegefeuer gewesen, erlöset habe, weil sie für diese Seele eine hl. Messe habe lesen lassen. Als Testimonium des Gesagten produzierte der Prediger ein vom Geiste angebranntes Tüchlein. Der Vicarius Kessborer erzählte: Der Geist sei in Gestalt eines Totenkopfes zum Fenster hinein, habe die Magd mit warmer Hand in’s Gesicht und mit kalter Hand sonst an dem blosen Leibe berührt, habe in der Kirche zu ihr gesprochen, er sei schon erlöset, wolle ihr aber jetzt nicht danken, denn wenn er das täte, so würde sie vor Schrecken nicht können heimgehen, er komme schon, um zu danken. Der Geist hätte drei spitz als wie drei Flammen auf dem Kopf gehabt, weil er seine Weibsperson im Leben an dem Hochzeitstage, als wäre sie eine Jungfrau, den Ehrenkranz um den Altar getragen, hat noch ganz roth wie der Mondschein ausgesehen und darauf das Zeichen in das Tuch gemacht.
Diese Geschichte erregte ungeheures Aufsehen, wurde geglaubt und trug unter dem Volke mächtig bei, die Lutheraner, „die an keine Messe glauben“ um den Credit zu bringen. Ungläubig war nur der Dechant von Krems Gregory und der Offizial. Letzterer ließ den Vicarius einsperren und gebot ihm die Lehre vom Fegefeuer in einer Predigt bei Maria am Gestade vorzutragen.
Die Prozedur half wenig. Die Erlösung aus dem Fegefeuer geschah jetzt so häufig, dass am Ende selbst das Consistorium daran glaubte. (Wiedemann, Geschichte der Reformation, V. Band)
Die Josephinischen Reformen
1715, vor dem Umbau zu einer barocken Basilika umfasste die Pfarre noch immer 21 Ortschaften mit 4000 Kommunikanten.
Am 17.12. 1728 gab der Bischof von Passau, nachdem Wien 1722 zum Erzbistum erhoben worden war, alle seine Diözesen im Viertel unter dem Manhartsberg an den Sprengel des Wiener Bistums ab. Damit war die Pfarre Kirchberg am Wagram in kirchlicher Beziehung statt an das Bistum Passau an das Wiener Erzbistum gebunden. Der Grundbesitz und dessen Verwaltung verblieb jedoch dem Domkapitel Passau.
Kaiser Joseph II. (1765 – 1790), ein Vertreter des aufgeklärten Absolutismus, betrachtete den Staat als Verwalter der weltlichen Güter der Kirche. Es ließ alles Vermögen der Kirchen, die Sakralbauten und Ausstattungen derselben im Religionsfonds zusammenfassen. Er beschloss die Aufhebung von Filialkirchen und Kapellen, so auch der Wallfahrtskapelle Maria Trost.
Der Fürst-Bischof von Passau hatte das Patronatsrecht über viele Pfarren, weil aber Kaiser Joseph das Passauer Consistorium in Wien aufhob, und überhaupt Ausländern keinen Einfluss auf seine Geistlichkeit gestatten wollte, so trat der damalige Fürst Bischof von Passau, Auersperg, das Patronatsrecht aller seiner Pfarren in Österreich ab. Nicht so das Domkapitel, das sich bis zur gänzlichen Aufhebung dieses Hochstiftes ihr Patronatsrecht über 9 Pfarren in unserer Gegend behielt, und zwar Pischelsdorf bei Bruck an der Leitha, Zwentendorf, Heiligeneich und Petzenkirchen jenseits der Donau und in der hiesigen Gegend Hohenwart, Etsdorf, Fels, Ruppersthal und Kirchberg am Wagram.
Jede Ortskirche sollte über eine Wegstrecke von höchstens einer Stunde für jedes Gemeindemitglied erreichbar sein; für jeweils 700 Seelen sollte eine Kirche zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund wurden in folgenden Orten eigene Pfarrer errichtet:
1778: Neudegg kommt zur Pfarre Großriedenthal, das dem Stift Melk zugehörig ist.
1781: Bierbaum mit Frauendorf und Utzenlaa
1783: Königsbrunn mit Hippersdorf und Zaußenberg.
1784: Altenwörth mit Gigging, Kollersdorf und Sachsendorf
Winkl war nach dem Aussterben der Herren von Winkl wieder der Pfarre Kirchberg einverleibt worden, wo es auch nach dieser Aufteilung verblieb. Weiters gehörten zur Pfarre noch folgende Orte: Kirchberg, Ober-, Mitter- und Unterstockstall, Mallon, Engelmannsbrunn, Dörfl, Neustift und Ottenthal. Davon befanden sich Filialkapellen in Neustift, Winkl, Ober- und Mitterstockstall.
Johann Grädinger, der zu dieser Zeit hier Pfarrer war, erhielt ab nun nebst dem Titel „Pfarrer“ ein fixes Gehalt von 600 fl im Jahr.
Der Sach- und Grundbesitz verblieb vorläufig dem Domkapitel Passau. Der Grundbesitz, der als „Herrschaft Oberstockstall“ verwaltet wurde, ging dem Domkapitel Passau erst durch den Reichsdeputations-Hauptschluss vom Jahr 1803 verloren. Die Herrschaftsgüter übernahm der Kameralfonds. Der viele Jahrhunderte dauernde Zusammenhang der Pfarre St. Stephan am Wagram mit Passau war damit zur Gänze gelöst. Ignaz Scheiger, zu dieser Zeit Pfarrer in Kirchberg, übersiedelte vom Oberstockstaller Gutshof in das Gebäude neben der Kirche, in dem bis dahin die Vikare und Kooperatoren gewohnt hatten.
Der Reichsdeputationshauptschluß
(eigentlich Hauptschluss der außerordentlichen Reichsdeputation) war das letzte bedeutende Gesetz des Heiligen Römischen Reiches. Es wurde auf der letzten Sitzung des Immerwährenden Reichstags am 25. Februar 1803 in Regensburg verabschiedet und trat mit der kaiserlichen Ratifikation am 27. April 1803 in Kraft.
Darin wurde unter anderem festgesetzt, dass die weltlichen Fürsten abgefunden werden sollten, denen im Rahmen der Revolutionskriege Besitz verloren gegangen war. Dies geschah durch Säkularisierung (Verweltlichung) kirchlicher sowie durch Mediatisierung (ein zuvor reichsunmittelbares Gebiet wurde dem Landesherrn unterstellt) kleinerer weltlicher Herrschaften. Dazu wurden die geistlichen Fürstentümer aufgelöst. Auch andere Besitztümer der Kirche, wie Klöster oder die bisherigen fürstbischöflichen Residenzen, wurden enteignet und fielen an weltliche Landesherren.
Mit Konsistorialdekret vom 13. August 1806 wurde auf die geänderten Verhältnisse eingegangen und der Pfarrer von Kirchberg am Wagram über die zukünftige Vorgehensweise in rechtlichen Angelegenheiten informiert: Über das vom H. Pfarrer zu Kirchberg am Wagram Ignaz Scheiger anher überreichte Inventarium seiner nunmehr landesfürstl. Pfarr, welches von dem Consistorio an die hohe Landesstelle übergeleitet ward, wird derselben zufolge Regirungsverordnung vom 21ten voriges, Empfang den 8ten dieses Monaths hirmit zugewiesen, daß er sich in Ansehung der bei seinem Pfarrgebäude eintretenden Reparation zuerst an die k.k. Staatsgüter Administration, bei Ausständen aber in Ansehung der Dotation oder Gerechtsame, an die oben erwähnte Landesstelle zu wenden hat. Dieß Dekret ist wörtlich im Pfarrprotokolle einzutragen, um sich hiernach in vorkommenden Fällen zu benehmen.
Wie wenig der Pfarre (angeblich) von dem reichen Grundbesitz verblieben war, ist aus einer Notiz auf einem der letzten Blätter der Matricula VI. 1755 – 1770, Annalen der Pfarr Kirchberg am Wagram V.U.M.B. fortgesetzt als Denkbuch anno 1832 von Jos. Ignaz Scheiger zu ersehen, in der vermerkt ist: An Grund und Boden besitzt die Pfarre bloß 1/8 Joch ungefähr gegen Neustift liegend, vormals das ‚Röselgärtchen‘ genannt, das der H. Pfarrvicariat Franz Adam Beer, dem es gehörte, gegen eine ihm abzuhaltende Jahrmesse zur Pfarre vermachte.
An Realitäten besitzt die hiesige Kirche
An in Pacht verlassenen Aeckern | 86 Joch |
An Aeckern auf welchen Jahrtäge haften | 7 Joch |
An Krautäckern | 1 ¾ Joch |
An Weingärten | 18 1/8 Viertl |
An Obstgärten | 2 Achtel |
An Wiesen | 16 ¼ Tagwerk |
An Wiesen auf welchen Jahrtäge haften | 3 ½ Tagwerk |
Weiters besitzt sie an Ueberländgewähren | |
An Aeckern | 79 ¼ Joch |
An Weingärten | 22 Viertel |
An Obstgärten | 4 Achtel |
An Krautgärten | 1 Achtel |
An Wiesen | 4 ½ Tagwerk. |
An Kapitalien besitzt die Kirche | |
An in Silbermünzen verzinslichen Obligationen | 520 f |
An solchen worauf Stiftungen haften | 620 f |
An Stiftungs Kapitalien in W.W. verzinslich | 50710 f |
An detto eigenthümlichen | 2211 f |
Anschließend schlüsselt er seine Einnahmen nach dem ihm zugestellten Bescheid auf, mit dem er offensichtlich nicht zufrieden ist:
Die Dotation des Pfarrers beträgt dermalen, ihm schon von Passau ausgezahlten baren von der Herrschaft Oberstockstall abzugebend | C.M. 600 f |
An 27 Eimern Wein detto à 1 f 30 xr C.M. | 40 f 30 xr |
An eigner Stoll 42 von Altenwörth 20 f 6 xr von Königsbrunn 13 f 54, zusammen 80 f, welche von dem mir ungünstigen Regierungsrath Joseph Buchmayer um 8 f höher angeschlagen wurden also nun | 88 f |
Sa | 728 f 30 xr |
Dem gemäß ich vom Czernitzischen Spital 200 f nämlich für Messen | 80 f |
dann von der Damianischen Stiftmessenstiftung statt der vormaligen 31 f 12 xr izt für 52 Messen 2 Aemter | 22 f |
An eigenen Aemtern statt vormaligen 262 f 27 wegen itzt nur seit dem Finanzpatent fallen und noch Corr. unterliegender Interessen der KirchenKapitalien, samt 3 f von Neustift | 170 f 10 xr |
Sa | 940 f 40 xr¾ |
Dann auf 2 Coop à 250 f | 500 f |
Auf Gebäude Reparationen 30 f | 30 f |
Dann aus dem Religionsfond als Congreaergänzung auf den 2ten Cooperator | 171 f 50 xr |
Sa | 1112 f 30 xr |
Mit Abschlag von 530 f auf Coop und Reparationen abzuschlagenden | 530 f |
Zusammen in | 582 f 30 xr |
Für das fehlende will mir als bar Geld die Buchhalterei 17 f 24 x C.M als bezahlte Stipendie der vorigen Bruderschaftmessen aufdrängen. | 17 f 24 xr |
Sa | 599 f 54 xr |
Da ich mich gegen Annahme desselben erklärt, so wird darüber der Regirungsbescheid erwartet. Wieweit im Regierungsbescheid Änderungen vorgenommen wurden, ist nicht bekannt.
Das Urkundenmaterial der domkapitlischen Herrschaft Oberstockstall, soweit es nach 1803 nach Überführung der Herrschaft an die Staatsgüter-Verwaltung noch im Pfarramt Kirchberg am Wagram vorhanden war, wurde der Pfarre von der Staatsgüterverwaltung abgenommen und nicht zurückgestellt.
Die Ortskapellen
Im 19. und Anfang des 20. Jhdts. erinnern sich die Dörfer ihrer Eigenständigkeit und erneuern bzw. errichten Kapellen, um auch im Ort selbst von Zeit zu Zeit Messen lesen lassen zu können – oft gegen anfänglichen die Widerstand der Obrigkeit. Diese Bemühungen fallen besonders unter Pfarrer Hohmann auf fruchtbaren Boden.
Die Unterstockstaller Kapelle wurde 1803 errichten, Mallon baut aufgrund eines Gelübdes im Jahr 1805 eine, Sachsendorf erhält für die Kapelle im Jahr 1844 die Messlizenz, die Kirche von Winkl wird 1863 umgebaut und erweitert, 1870 wird die Ottenthaler Kirche von Grund auf erneuert, Engelmannsbrunn erhält im Jahr 1880 anstatt des Glockenturms eine Kapelle, Dörfl um Jahr 1893, in Kollersdorf, wo es bereits 1860 eine Messstiftung gab, erhält die Messlizenz endgültig im Jahr 1916. Die Neustifter Kirche wird nach dem 1. Weltkrieg gründlich saniert.
Der erste Weltkrieg
Der Beginn des Ersten Weltkrieges überraschte die Kirchberger am Abend eines Festtages: Fürsterzbischof Friedrich Gustav Piffl hielt am 27. und 28. Juni 1914 im Ort Generalvisitation und Firmung ab. Provisor Wenzel Steiner, der während des ersten Weltkrieges hier Pfarrer war, hat die Ereignisse in der Pfarrchronik aufgezeichnet: Nachmittags nahm Seine Eminenz, überaus befriedigt von allem was er gesehen und gehört, Abschied und wir fuhren nach Ottenthal, wo in der Filialkirche eine kurze Schulprüfung und Visitation stattgefunden hat. Hierauf gings nach Groß-Riedental. Kaum war ich in den Pfarrhof zurückgekehrt, kam Herr Postmeister ganz bestürzt und meldete, der Thronfolger sei ermordet; auf meine Bitte fuhr sofort Herr Postmeister mit dem Rad nach Groß-Riedental, um diese Trauerbotschaft Seiner Eminenz zu hinterbringen. Alle Feierlichkeiten wurden abgesagt, alles war aufs höchste bestürzt, alles ahnte, es kommt der Krieg, wie er auch gekommen so schrecklich, wie keiner sich ihn ausgemalt. Die Visitationen wurden zwar weiter abgehalten, aber alles in Stille. So war wohl die Kirchberger Visitation auch die schönste. Es kamen die Kriegserklärungen nach der Reihe. Alles ahnt, was kommen wird. Jünglinge und Männer rücken ein, zu kämpfen fürs teure Vaterland. Wir zu Hause ergreifen die Waffen des Gebetes. Die ganze Pfarrgemeinde wurde ergriffen von einem wahren Gebetssturme. Namentlich nahm man Zuflucht zur ‚Kapelle Unserer Lieben Frau zum Ursprung‘. In den Abendstunden kamen aus den umliegenden Gemeinden Scharen mit brennenden Kerzen und Fackeln zur Kapelle und beteten um Hilfe in der Kriegsnot; oft hielten wir auch Ansprachen daselbst und das Volk ging wieder betend nach Hause. Das ging so bis in den kühlen Herbst. Es war ein ergreifendes Bild. Täglich wird auch in der Pfarrkirche abends die Kriegsandacht gehalten.
Die Kirche gab den Menschen in dieser schweren Zeit Halt und Trost. Die Kirchenbesuche der sich um ihre Soldaten an der Front sorgenden Angehörigen nahmen rapide zu.
Am 1. April 1918, also noch in der Kriegszeit, trat Pfarrer Karl Rasberger seinen Dienst hier an. Der neue Pfarrer tat sich anfangs insoferne schwer, als er gerade zu einer Zeit eintraf, wo die Lebensmittelnot eine geradezu beängstigende und die Teuerung eine so immense war, dass er nicht einmal im Stande war, die leeren Zimmer des Pfarrhauses zu möblieren.Die Bevölkerung erleichterte ihm aber gleich in den ersten Tagen seines Hierseins das Leben durch zahlreiche Gaben von Lebensmitteln.
Zwischenkriegszeit
Die zu Beginn des Krieges aufgeflammte Gottesfürchtigkeit hat wieder nachgelassen: In religiöser Hinsicht arger Rückgang. Allgemein ist die Leugnung von Gottes Dasein, ‚Es gibt keinen Herrgott, sonst könnte er des Blutvergießen nicht zusehen, das Gebet nützt gar nicht etc., alles umsonst.‘ Überall Gottlosigkeit. Auch der Besuch des Gottesdienstes hat nachgelassen.
Am 12. November 1919 wird erstmals der Nationalfeiertag als Gedenktag der Ausrufung der Republik gefeiert. Kirchliche Feier gab es aber keine, die Geistlichkeit nahm auch an der genannten Veranstaltung nicht teil. Der notleidenden Bevölkerung wäre es auch lieber gewesen wenn die Regierung uns was zu essen gebe als solch jämmerliche Umzüge zu bieten und aufzudrängen. Die Teuerung und der Kampf um Lebensmittel wurden täglich größer.Ende des Jahres 1919 fehlen dem Volk die notwendigsten Lebensmittel und sonstige Artikel, statt Kleingeld gibt es Briefmarken, statt Kerzen und Petroleum bekam man nur mehr das teurere Karbid, Zündhölzchen waren gab es fast nicht mehr zu kaufen, Salz und Kohle fehlen ebenfalls. Der Schleichhandel blühte auf.
Wie in den meisten kleinen Städten und Märkten wurde 1920 auch in Kirchberg das Notgeld, zunächst 20 und 50 Heller-Scheine, von der Gemeinde ausgegeben. Trotzdem die Kirche den Pachtzins erhöhte, kam der Pfarrer mit dem Geld für die Bezahlung von Wein, Kirchenwäsche und Kanzleiauslagen nicht aus und bezahlte vieles aus eigener Tasche.
Einen „Lichtblick“ gibt es 1921/22: Das elektrische Licht wurde in Kirche und Pfarrhof eingeleitet. Um die Kosten zu bestreiten, reichte der Pfarrer um ein unverzinsliches Darlehen aus dem Religionsfond ein. Am 19. Februar 1922 brannte zum ersten Mal das elektrische Licht in der Kirche.
Die Teuerung hielt an: Für einen Collar (weißer Kragen unter der Soutane) zahlte man anstatt 5 Kronen in früherer Zeit nun 10.000 Kronen. Die Rechnungen für Kirchenbedürfnisse wie Hostien, Wachs und Weihrauch etc. gingen ins Unermessliche. Es konnte nur das Notwendigste gekauft werden, an größere Neuanschaffungen oder Renovierungen war nicht zu denken.
1927 konnten die Pächter der Kirchenäcker ihren Zahlungen nicht mehr nachkommen. Sie waren schon mit 10 Millionen Kronen im Rückstand, auf der Bevölkerung lagen schwere Sorgen: schlechte Weinernte, drückende Steuern, traurige Wirtschaftsverhältnisse und schlechter Geschäftsgang bewirkten eine nie dagewesene Geldknappheit, so dass im hiesigen Steueramt einmal gleichzeitig 60 Exekutionen angeschlagen waren.
Am Sonntag, den 28. Juni 1931 fand in Kirchberg das 3-jährige Gründungsfest der Hitler-Jugend statt, zu dem ca. 260 fremde Ortsgruppen erschienen waren. Sie wohnten trotz Verbotes dem Gottesdienst bei, wussten sich aber dabei nicht recht zu benehmen. Die Begeisterung der Bevölkerung dieser Organisation gegenüber hielt sich in Grenzen.
Am 25. Juli 1934 wurde ganz Österreich in Trauer versetzt: Engelbert Dollfuß wurde von Otto Planetta u. Franz Holzweber im Bundeskanzleramt erschossen. Die Bestürzung im Land war groß, als abends im Radio die Nachricht verbreitet wurde. An den Häusern wehten Trauerfahnen, abends läutete das Sterbegeläute, die Häuser waren beleuchtet. Wie allerorten wurde auch in Kirchberg ein feierliches Requiem gehalten (am 30. Juli). Anlässlich eines Requiems für den ermordeten Bundeskanzler Dr. Dollfuß kam es in Kirchberg zur Verhaftung von vier Personen, die während der Trauerfeierlichkeiten lustige Hitlerlieder gesungen hatten. In späterer Folge wurde links von der Kirchentür ein Dollfußdenkmal angebracht und der ganze Platz in Dollfußplatz umbenannt. Heute existiert das Denkmal nicht mehr.
Nach dem Anschluss im Jahr 1938 hatte das Pfarramt äußerst viel Arbeit mit der Ausstellung von Bescheinigungen zur Erstellung der Ariernachweise. Armen, Arbeitslosen und jung Verheirateten wurden die Scheine unentgeltlich ausgestellt. Pfarrer Josef Pelzmann mußte, nachdem er Monate hindurch täglich 14-16 Stunden in der Kanzlei gearbeitet hatte, auf Krankenurlaub gehen.Die Gebühren waren ein willkommenes Zubrot für den Pfarrer, der damit wieder besser wirtschaften konnte.
Der Fanatismus griff rasch um sich: Nach dem Anschluss an Hitler-Deutschland hielt Kurat Gössinger in Ottenthal eine Predigt, in der er die Nationalsozialisten wüst beschimpfte. Bei einem Gang nach Großriedenthal lauerte man ihm auf und wollte ihn erschießen, nur knapp konnte dies von aufrechten Ortsbewohnern verhindert werden.
1939 zeigten sich dann die Auswirkungen der nationalsozialistischen Ideologie auf die Kirche. Wenn der Anschluss an das Reich sich wirtschaftlich günstig auswirkte, die Arbeitslosigkeit verschwand und der Lebensstandard des arbeitenden Volkes stieg, so hatte doch das katholische Volk in religiöser Hinsicht schwere Prüfungen zu bestehen. Der Religionsunterricht in der Schule konnte nur im Anschluss an den Unterricht der anderen Fächer stattfinden, oder wurde auf die Nachmittage verlegt. Die Kinder mussten sich separat für den Religionsunterreicht anmelden, der nun Konfessionsunterricht hieß. Kapläne und Pfarrer mussten um Unterrichtserlaubnis ansuchen. Statt des Gebetes am Morgen gab es in den Schulen nun eine Morgenfeier mit nationalsozialistischen Liedern und Sprüchen. Die Kreuze wurden aus den Schulen teilweise entfernt und der Besuch des Sonntagsgottesdienstes erschwert.
Der Zweite Weltkrieg
Die Last des Krieges spürte die Bevölkerung schon bald nach dem 3. September, der Beginn der Offensive gegen Polen. Bei der Mobilisierung wurden auch von der hiesigen Pfarre viele einberufen, die sofort dem Ruf des Vaterlandes Folge leisteten.
Schon bald nach Beginn des Krieges wurden Lebensmittelmarken ausgegeben.
Die Religionsausübung wurde erschwert: Das hauptsächliche Verlangen des Volkes in seiner überwiegenden Mehrheit war nur, daß die angestammte katholische Religion erhalten bleiben möge. Aber in dieser Hinsicht scheint keine Änderung eingetreten, sämtliche Klosterschulen schon im Jahre 1938 geschlossen worden waren, ebenso Konvikte und Knabenseminarien. Eine Reihe von Klöstern wurden aufgehoben (z.B. das in der Nähe befindliche Stift Göttweig.
Die Verwaltung des vom ehemaligen Pfarrer Dr. Paul Czernitz gestifteten Alterswohnheimes, das seit 1780 vielen alten Leuten eine Heimstätte geboten hatte, wurde der Verwaltung der Kirche entzogen und der Vermögensrest der Gemeinde übergeben. Sogar um die Messestiftungen musste gekämpft werden. Nur ein Teil konnte gesichert werden (180 RM), so dass von den Zinsen des Kapitals wenigstens einige Messen gelesen werden konnten.
Im Februar 1942 brach in der Sakristei der Kirche ein Brand aus. Die Ursache seines Entstehens konnte nicht festgestellt werden. Die Gendarmerie nahm böswillige Brandstiftung durch unbekannte Täter an und verfolgte die Angelegenheit nicht weiter. Da aber das Feuer durch den Totengräber entdeckt wurde, konnte es gelöscht werden, bevor noch arger Schaden entstanden war. Nur die Ministrantengewänder sind samt dem Kasten, in dem sie verwahrt wurden, verbrannt.
In der Kirche las man jeden Freitag eine Soldatenmesse, die stets gut besucht war.
Die Behinderung der Kirche und der Gläubigen hielt an. 1942 wurde die Jugendsportplatzeröffnungsfeier so angesetzt, dass der Fronleichnamsumzug schon um ½ 7 Uhr beginnen musste, um für die andere Feier den Hauptplatz frei zu machen.
Der seit 1938 ohnehin auf die halbe Anzahl der Wochenstunden herabgesetzte Religionsunterricht in der Schule wurde durch kriegsbedingten Ursachen – Ausfall des Unterrichtes bei Alarm, Kälteferien u.s.w. - sehr eingeschränkt. Es wurde daher Vorsorge getroffen, dass außerhalb der Schule in sogenannten Seelsorgestunden der Unterricht ergänzt wurde. In Neustift wurde in der Filialkapelle einmal in der Woche eine Kinderandachtstunde mit Religionsunterricht gehalten. Für die weibliche Jugend aller Altersstufen wurde eine solche im Oratorium (der Raum über der Sakristei) der hiesigen Pfarrkirche monatlich zweimal eingeführt.
Auch am Fronleichnamstag 1944 wurden die Prozessionsteilnehmer durch Hitlerjungen verhöhnt, eine Störung des Zuges versucht und nach der Feier der Pfarrhof mit Luftgewehren beschossen. Die Geschosse wurden dann in den Zimmern gefunden und die Einschüsse an den Fenstern festgestellt. Trotz Anzeige bei der Gendarmerie geschah den Übeltätern nichts. Trotz dieser Vorgänge war die Beteiligung der Bevölkerung bei der Feier überaus groß. In diesem Jahr wurden viele Bombengeschädigte aus dem Rheinland im Pfarrhof einquartiert.
Da sich die Schule zur damaligen Zeit im heutigen Pfarrheim vis à vis vom Pfarrhof befand, brachte man die Schulkinder bei Bombenalarm in den sogenannten Pfarrerkeller, der sich am Anfang des Müllergrabens befindet. Die Schüler liefen links am Pfarrhof vorbei dorthin, es führte aber auch ein Weg durch den Pfarrhofkeller in den Müllergraben der gleich gegenüber dem Pfarrerkeller endete.
Am 4. April 2945 wurde ein Feldlazarett nach Kirchberg verlegt. Es blieb bis 16. April. Die Verwundeten wurden von den Seelsorgern (Pfarrer Josef Pelzmann und Kapläne Josef Neumayer, Karl Buchta) betreut und die Gefallenen mit allen kirchlichen und militärischen Ehren bestattet. Als aber dann nur mehr die SS ein Notlazarett hier hatte - nach Verlegung des Feldlazaretts am 16.4.1945 nach Schiltern, - wurde jede geistliche Hilfe sowohl für die Verwundeten wie auch jede Assistenz bei Beerdigung von Gefallenen der SS brüsk abgelehnt. Ein Rottenführer der SS sagte: „Haben wir die Pfaffen im Leben nicht gebraucht, so brauchen wir sie auch nicht im Tode!“
Besatzungszeit
Das Gebäude des Pfarrhofes mit dem Keller war zu Kriegsende und zu Beginn der Besetzung durch die Russen die wichtigste Zufluchtsstätte für die Kirchberger Frauen und Mädchen. Betten und Notbetten wurden aufgestellt und Nacht für Nacht kamen die Geängstigten in immer größerer Zahl.
Als die Ostarbeiter und Russen nach dem 8. Mai, dem Tag des Zusammenbruchs, plünderten und unsagbare Gewalttaten verübten, waren zwischen 70 und 80 Personen in den Pfarrhof geflüchtet. In dieser Zeit verließen die meisten auch untertags ihren Zufluchtsort nicht und wurden teilweise hier verpflegt. Oft freilich hatten sie nur eine warme Suppe.
Nach Abzug der SS ließ Bürgermeister Heinrich, die weiße Fahne am Kirchturm hissen. Bald erschienen am Süd- und Ostausgange des Ortes Russen, um den Markt zu besetzen. Ein großer Teil der Bevölkerung hatte sich in den Pfarrhof geflüchtet und harrte ängstlich der Dinge, die da kommen sollten. Aber die ersten Vorhuten benahmen sich ganz gesittet und manierlich. Was aber dann folgte, erfüllte alle Herzen mit Schrecken und Abscheu. Viele Tage lang zogen Besatzungstruppen die Straße Wien-Krems westwärts, plünderten und raubten alles, was nicht niet- und nagelfest war und vergewaltigten Frauen und Mädchen. Dieses Treiben zog sich über Monate hin. Der Pfarrhof selbst, seine Bewohner und alle, die sich dahin geflüchtet hatten, blieben aber wie durch ein Wunder von all diesen Gräueln verschont. Auch die Kirche wurde weder durch die Bomben, noch durch Artilleriebeschießung, noch durch die darauffolgende Besetzung beschädigt. Der Pfarrer ließ in russischer Sprache eine Tafel am Pfarrhof anbringen, die besagte, dass hier Priester wohnen. So fand keine Beraubung und keine Belästigung statt. Als dann der Pfarrhof zwei Offiziere der Besatzungsarmee aufnehmen mußte und dieser Umstand auf der Tafel in russischer Sprache vermerkt wurde, hatten alle im Pfarrhof ihre Ruhe. Denn die beiden Offiziere, die im Pfarrhof ihr Quartier aufgeschlagen hatten, waren gute und hochanständige Menschen unter deren Schutz sich die Bewohner des Pfarrhofes sicher fühlen konnten.
Der Gottesdienst war in dieser unseligen Zeit nicht gut besucht. Von manchen Filialen getrauten sich die Gläubigen nicht in die Kirche zu gehen. Die Fahrräder konnten als Verkehrsmittel nicht benützt werden, da sie neben der Uhr zu den begehrtesten Artikeln der Besatzungsmacht gehörten und daher, soweit sie nicht ohnehin schon eine Beute der "Befreier" geworden waren, sorgfältig versteckt werden mussten. Die beiden Kapläne gingen jahrelang die weiten Wege zur Schule und zum Gottesdienst in den Filialen Neustift und Winkl zu Fuß. Trotz dieser Schwierigkeiten wurden der Unterricht und auch der regelmäßige Gottesdienst gewissenhaft gehalten.
Die Fronleichnamsprozession 1945 konnte noch nicht im Freien gehalten werden, da die Besatzungsmacht nicht gestattete, dass der Weg an dem Gerichtsgebäude, wo die Kommandantur untergebracht war, als alljährlicher Prozessionsweg benützt werden durfte.
Eine erste Freude nach all dem Jammer erlebte die Pfarrgemeinde 1946 durch die Rückgabe von 4 Glocken, zwei davon für die Pfarrkirche.
Die Pfarre heute
Im Jahr 1951 gab es nochmals eine Änderung des Pfarrgebietes: Winkl, das viel näher an Altenwörth, als an Kirchberg liegt, kam auf Verordnung des Erzbischöflichen Ordinariates vom 6. Juli 1951 zur Pfarre Altenwörth. Damit ist ein langgehegter Wunsch vieler Winkler in Erfüllung gegangen. – liest man in der Altenwörther Pfarrchronik.
Der letzte Ottenthaler Pfarrer, Leopold Gössinger starb 1965 unerwartet. Die verwaiste Stelle wurde nicht mehr nachbesetzt. Kirchberg führt Ottenthal seither als Expositur weiter.
Nach der Pensionierung des letzten Altenwörther Pfarrers Wilhelm Grubmüller im Jahr 1985 kam es, bedingt durch Priestermangel, zu einem Pfarrverband von Kirchberg am Wagram, Altenwörth und Ottenthal unter der Leitung von Pfarrer Josef Morgenbesser.
Quellen:
Johann Nepomuk Buchinger: Die Geschichte des Fürstenthums Passau aus archivalischen Quellen bearbeitet, München 1816
Johann Fahrngruber: Geschichte des Bistums St. Pölten, 1885
Otto Fandl: Die Wallfahrtskirche von Kirchberg am Wagram, 1980
Franz Groiß, Dissertation: Wallfahrt und Mirakelbuch von Kirchberg am Wagram Maria Trost
Hofmann (Hg): Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation 1495-1815, 1976
Kirchliche Topographie von Österreich, Band 9
Adam Maidhof: Passauer Urbare, 1939
Günter Marian: Stadt und Adel. Zur Stadtministerialität von Tulln im 12. und 13. Jahrhundert und zu den Anfängen des Gutes Oberstockstall
Monumenta boica
Bernhard Raupach: Evangelisches Oesterreich, das ist historische Nachricht von den vornehmsten Schicksalen der Evangelischen Kirchen im Erzherzogtum Oesterreich unter und ober der Enns, Hamburg 1741
Theodor Wiedemann: Altmann Bischof von Passau, nach seinem Leben und Wirken dargestellt, Augsburg 1851
Theodor Wiedemann: Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der Enns, Bd. 3 u. 5
Pfarrchronik Kirchberg am Wagram
Rudolf Delapina: Die dem Domkapitel des exempt. Reichsfürstl. Hochstiftes Passau angehörige Herrschaft Oberstockstall, Handschrift, ohne Datum
Homepage des Bistums Passau, 20.6.2013
Dezember 2013, letzte Änderung April 2024
Maria Knapp