Maria Knapp, Winkl m.knapp@hf-kirchberg.at
Das Leben und Wirken von Lehrer Ernst Pircher, der von 1919 bis 1938 in Winkl gewirkt hat und ein profunder Kenner der heimischen Flora und Fauna war, wird in einem Nachruf von Dr. Heinrich Rauscher ausführlich dargestellt.


Heinrich Rauscher:
Ernst Pircher zum Gedenken 

Entnommen aus: Das Waldviertel – Zeitschrift für Heimatkunde und Heimatpflege, Neue Folge, 6. Jahrgang, 1957, Nummer 1/2, S. 36–38, Josef Faber, Krems an der Donau. 

Nach mehrmonatiger Krankheit wurde der Hauptschuldirektor in Ruhe Ernst Pircher am 4. Jänner 1957 nach Empfang der Sterbesakramente im 67. Lebensjahr vom Erdenleben abberufen. Die sterbliche Hülle wurde am 9. Jänner unter ungewöhnlich großer Beteiligung am Steiner Friedhof bestattet. Die Fachlehrer Matzke und Riedl sowie der Schuldirektor Engelberger aus Winkl würdigten den Heimgegangenen als Menschen, Lehrer und naturverbundenen Wissenschafter und nahmen in bewegten Worten von ihm Abschied.

Ernst Pircher wurde am 28. Februar 1890 als Lehrerssohn in Langenrohr im Bezirk Tulln geboren. Der Vater stammte aus dem Ort Kappl im Tiroler Patznauntal, die Mutter, eine geborene Pandalitschka, aus Kautzen im Oberen Waldviertel. Als der Vater schon 1907 als Oberlehrer in Gösing starb, mußte die Mutter, nur vom Großvater Ignaz Mader unterstützt, acht unversorgte Kinder großziehen.

Ernst kam als Sängerknabe ins Stift Melk und absolvierte das Untergymnasium. Dann besuchte er die Lehrerbildungsanstalten in Wien und Innsbruck. Hier legte er am 25. September 1912 als Privatist die Reifprüfung ab. Seine ersten Dienstposten waren Seebarn und Fels. Der Befähigungsprüfung unterzog er sich am 29. November 1915 in Hollabrunn. Während des Krieges diente er als Einjährig Freiwilliger in Brünn beim Schützenregiment Nr. 21. Nach seiner Beurlaubung im Jahre 1917 war er in Ruppersthal und Kollersdorf und weiter von 1919 – 1938 in Winkl tätig. Am 5. Jänner 1920 schloß er mit Maria Holzinger aus Gösing einen harmonischen Ehebund. Am 6. April 1933 legte er die Hauptschulprüfung für die Fächer Naturgeschichte, Erdkunde und Gesang in Krems ab. 1938 wurde er nach Krems an die Mädchenhauptschule beordert und später mit der Leitung der Hauptschule in Stein betraut. 

In allen seinen Dienststationen wurde Pircher ob seines kindlichen Gemütes, seiner Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Selbstlosigkeit und Ehrlichkeit allgemein geachtet und geliebt.

Nur in einem verhältnismäßig engen Kreis wurde es voll erkannt, welch begeisterter Freund und tiefer Kenner der Natur Pircher war. Schon in der Kindheit wurde er von seinem Vater zur Botanik und von seinem Großvater zur Vogelkunde geführt. Die Neigung zur Natur begleitete ihn durchs ganze Leben. Das Studium naturwissenschaftlicher Fachwerke, Museenbesuche, Exkursionen und Studienreisen in die Alpen und zum Neusiedlersee in Begleitung der Professoren Dr. Franz Reinhold und Hans Riedl vertieften seine Einsichten so sehr, daß die Universitätsprofessoren Dr. Molisch sen. und Dr. Vierhapper mit ihm in wissenschaftlichen Verkehr und freundschaftliche Beziehung traten und daß Universitäten den Schulleiter in Winkl konsultierten. Seine Spezialgebiete in der Botanik waren die Moose, besonders die Lebermoose und die Gräser, in der Zoologie die Vogelkunde, Schmetterlinge, Spinnen und Wanzen. Er entdeckte auch einige neue Moosarten. Er konnte von sich sagen, er kenne jeden Vogel und jede Pflanze Mitteleuropas.

Fotos: Lehrer Pircher während seiner Lehrtätigkeit in Winkl    


 
Die Ergebnisse seiner Studien veröffentlichte er in naturwissenschaftlichen Fachblättern. In der Monatsschrift „Das Waldviertel“ erschienen folgende Aufsätze: „Die Arbeitsgemeinschaft Waldviertel“ (1953, 241 f.), „Eine botanische Tageswanderung durch die Fichtenwälder um Karlstift“ (1954, 37 ff.), „Die Melodie der Heide“ (1954, 172 ff.), „Ein froher Wandertag“ (1955, 29 ff.) und das tiefempfundene Gedicht „Spätherbst“ (1955, 238). Besonders wertvoll ist die größere Abhandlung für den „Wachauführer“ von J. Huber-F. Biberschick d. Ä. (3. Auflage, Krems, 1953) unter dem Titel „Allgemeine Übersicht über die Pflanzen- und Tierwelt unseres Gebietes“ (S. 21 bis 52). Die Pflanzen bringt er in natürlichen Gesellschaften und ordnet sie nach ihren Standorten wie Au, Donauwässer, fließende Gewässer, trockene Hügel und Abhänge, Wiesen, Wälder, über Löß und Fels, Föhrenwald, Bergwälder und schließt daran die Unkräuter und Ruderalpflanzen (S. 21 – 40). Die Tierwelt wird S. 40 – 52 dargelegt.

Im Rahmen der Kremser Kulturvereinigung hielt Pircher in Verbindung mit dem ausgezeichneten Lichtbildner Matzke am 25. Feber 1955 einen Farbbildervortrag „Ferien – Farben – Freuden“, der am 24. Mai 1955 wiederholt werden mußte. Pflanzen und Landschaften unserer Heimat wurden in einzigartigen Farbaufnahmen gezeigt. Das gesprochene Wort war in seiner Schönheit und Ausfeilung den Bildern gemäß.

Man hatte erwartet, Pircher werde wissenschaftliche Aufzeichnungen und ein Herbarium hinterlassen, aber es fand sich nichts vor. Er wollte offenbar im Vertrauen auf seine bisherige eiserne Gesundheit und Rüstigkeit noch weitere Erkenntnisse sammeln und erwandern, deren Verwertung er in späteren Jahren vorzunehmen gedachte. Bis in die letzten Tage beschäftigten ihn Pläne für den kommenden Sommer.

Ende Juli 1956 erkrankte er unerwartet, 3 Monate weilte er im Kremser Krankenhaus, wo es trotz Operation und der fürsorglichsten Betreuung nicht gelang, sein Leben zu retten. Er starb in seiner Wohnung. Mit seinem Leben erlosch auch sein umfangreiches und profundes Wissen, was einen unersetzlichen Verlust bedeutet. – Der Verewigte ruhe in Gottes heiligem Frieden! 

Dr. Heinrich Rauscher



Auf diesen Artikel und das große botanische Wissen von Lehrer Ernst Pircher aufmerksam gemacht hat uns dankenswerter Weise der Botaniker Mag. Clemens Pachschwöll aus Krems. 

Den Artikel "Die Flora des Audorfes" von Ernst Pircher siehe hier.

Ein Gedicht von Ernst Pircher:
Es ist so traurig, wie alle Jahr:
Ös ist die Flur, und die Sonne so rar,
und bleiche Nebel brüten und brauen
über den Feldern und zwischen den Auen.
Es ist Allerseelen, wie jedes Jahr,
und eine ängstliche Totenschar
tastet sich scheu durch unsere Herzen,
weckt in uns Sehnsucht und bittere Schmerzen.
Vielleicht, ach, vielleicht schon im nächsten Jahr
Gehst auch du mit der stillen Totenschar
Und bittest die Menschen, daß sie dir schenken
Zärtliche Wehmut und treues Gedenken
Ernst Pircher, Krems. 1955

Dezember 2013, letzte Änderung August 2024
Maria Knapp