Im „Völkischen Beobachter“ erschien am 5.7.1939 ein Artikel über slowakische Wanderarbeiter im Raum Kirchberg am Wagram, aus dem man die Rassedünkel der Deutschen massiv herauslesen kann. Die beschriebene Idylle im Leben der Wanderarbeiter wird es wohl kaum gegeben haben.
7000 Slowaken arbeiten in der Ostmark – Stabschef Murgas[i] wird ihre Arbeitsstätten besuchen.
Über 7000 slowakische Wanderarbeiter sind in der Ostmark für Zuckerrüben, Zichorien- und Getreidearbeiten eingestellt. Da diese Arbeiter in gewissem Sinne auch Gäste des Reiches sind, ist es uns nicht gleichgültig, unter welchen Umständen sie bei uns arbeiten. Um einen Einblick in ihre Lebensverhältnisse zu nehmen, ist ein Mitglied unserer Schriftleitung dieser Tage nach Tulln gefahren, in dessen Umgebung eine größere Zahl slowakischer Arbeiter beschäftigt ist - im nachstehenden geben sie ihre Eindrücke wieder. Im übrigen erfahren wir eben, daß der Stabschef der Hlinka-Garde, Karl Murgas, in Kürze zu uns in die Ostmark kommen will, um sich von der Lage dieser seiner Volksgenossen zu überzeugen.
Die Sonne glüht. Die Früchte des Ackers und des Feldes reifen der Ernte entgegen. Leichter Wind läßt die schweren Getreideähren, die im Glast des Mittags wie helles Gold glänzen, schwanken. Roter Mohn lacht uns an, es ist, als wäre in seinem tiefen Rot die ganze erregende Glut des Sommers geschlossen. Daneben grüßen uns blaue, luftige Kornblumen. Wir stehen inmitten dieser sommerlichen Pracht und halten nach dem Bauer Ausschau, der uns zu seinen slowakischen Landarbeitern führen soll. Da kommt er auch schon aus einer Scheune. Er ist ein Hüne an Gestalt. Eine große Axt in seiner Rechten sieht an ihm gemessen, wie ein Kinderspielzeug aus. Er drückt uns die Hände, daß uns die Finger knacken. Dann knöpft er sein weißes Hemd zu, das eine prächtig gewölbte Brust sehen ließ. Ja, seine Slowaken seien tüchtige Leute, erklärt er dann, er sei mit ihnen zufrieden. Sie verstünden ihre Arbeit und hielten alles sehr sauber.
Wir betrachten den Wohnbau der Slowaken. Er ist licht und hübsch, mit Vorhängen an den Fenstern. Die Frau des Gazda (des Partieführers) bäckt eben das Brot für die kommende Woche. Sie ist ein festes gesundes Weib und ziert sich ein wenig, als unser Lichtbildner die Kamera zückt. Ihre kleine blonde Tochter hält uns einen der großen duftenden Laibe entgegen. Dieses backofenfrische Brot gefällt uns so gut, daß wie beschließen, zwei Laibe zu erstehen. Das ginge leicht, meint die Frau, sie spricht fließend deutsch und läßt die Brote in Papier einschlagen. Geld nähme sie keines, nein. Erst unseren vereinten Bemühungen gelingt es, ihr einige Münzen aufzudrängen. Sie möge Zuckerwaren für die Kinder besorgen, sagen wir. Dann zeigt sie uns mit Hausfrauenmiene die freundlichen Schlafräume. Die Einrichtung ist denkbar einfach. Eisenbetten stehen da, mit Strohsäcken, einige Tische und Stühle, ein Schrank, viele Kleiderhaken. An der Wand hängen Kruzifixe und Rosenkränze, die Slowaken sind religiös. Und das ist auch nicht verwunderlich, hat uns doch gerade die Geschichte der letzten Jahre gezeigt, daß die slowakischen Priester in erster Linie glühende Nationalisten sind.
Die Gazdarica strahlt über das ganze Gesicht, als wir die Sauberkeit des Gesehenen loben. Sie wird vom Bauer entlohnt, kocht für die ganze Partie, die aus zwanzig Leuten besteht und hält die Räume in Ordnung. Wie das mit den Naturallöhnen (Deputaten) sei, die die Landarbeiter außer den Barlöhnen erhielten, fragen wir. Oh, die Deputate seien reichlich und gut, jede Person erhielte vom Bauern für je 28 Tage oder vier Wochen 28 Kilogramm Mehl, 5 Kilogramm Hülsenfrüchte und Reis, 14 Kilogramm Kartoffeln, 1,8 Kilogramm Fleisch, 2 Kilogramm Schweinefett, 24 Liter Vollmilch, 1 Kilogramm Kochsalz und 2 RM. Zubereitungsgeld. Überdies stelle der Bauer neben der Küche mit dem nötigen Kochgeschirr einen Backofen und alle erforderlichen Brennstoffe unentgeltlich zur Verfügung. Wir fragen noch, ob sie denn auch mit allem zufrieden sei. „Ja“ antwortete sie und wischt sich die noch mehlbestaubten Finger in der Schürze ab, um uns die Hand zum Gruß zu geben, „ja mir sind’s wirkli z’frieden…“
Nun haben wir eine Viertelstunde zu gehen, um die Zuckerrübenfelder zu erreichen, auf denen die Partie heute beschäftigt ist; das kleine Mädchen der Gazdarica hüpft hintendrein. Wir gehen einen vom nächtlichen Regen nassen Feldweg entlang, überqueren einen Bach und sehen dann schon die bunten Kopftücher der slowakischen Frauen und Mädchen über einem Weggebüsch hervorleuchten. Der Gazda kommt auf uns zu und grüßt mit einem lebhaften „Heil Hitler“; auch er spricht recht gut deutsch. Die Augen der Arbeitenden sind auf uns gerichtet, die jüngeren Mädchen bersten schier vor Neugierde. Der Gazda – man sieht ihm seine slowakische Volkszugehörigkeit kaum an, dem Aussehen nach könnte er ebensogut ein deutscher Landarbeiter sein – winkt die Leute heran und erklärt ihnen unsere Wünsche.
Wir lassen unsere Blicke rundum gehen; dabei fällt uns ein älteres Paar auf. Mit Hilfe einiger kroatischer Sätze können wir uns mit den beiden leidlich verständigen. Aus ihren Gesichtern blickt uns eine fremde Welt entgegen. Es sind typisch slawische Züge – breite Backenknochen, kleine Nasen, dunkle, lebendige Augen – aber durchaus sympathisch. Sie lachen und schwätzen und versichern, daß sie sich bei uns in Deutschland ausgezeichnet wohl fühlten. Besonders der Verdienst sei gut. Sie rechneten damit, im Herbst 500 bis 600 Reichsmark in die Heimat mitnehmen zu können. Dies hätten sie dort bitter nötig, denn die vergangenen Jahre seien keineswegs rosig gewesen.
Etwas im Hintergrund steht ein stämmiger Bursche und wetzt seine Sense, mit der er am Wegrain Gras mähte. Ob das auch ein Slowake sei? Ja, er gehöre zur Partie. Unsere Frage war berechtigt, denn er ist blond und sieht gut deutsch aus. Nun betrachten wir die übrigen und finden, auch unter ihnen Menschen, die uns näherstehen als dem Slawentum. So werden uns an diesem Beispiele die furchtbaren Fehler der Vergangenheit klar, die bestes deutsches Blut in fremden Völkern aufgehen ließ, statt es für die Nation zu bewahren. Deutsches Schicksal? Ja, soweit es die hinter uns liegende Zeit betrifft – nie, niemals mehr, wenn wir die Zukunft meinen! Diese leichte Trauer um das unwiederbringlich Verlorene wird aber rasch durch den Lärm vertrieben, den die Frauen und Mädchen machen, als wir sie aufnehmen wollen. Entgegen unseren Mahnungen blickt natürlich alles mit steifem Lächeln starr in die Linse (wovon eine der obenstehenden Aufnahmen Zeugnis ablegt). Wir verteilen an die Männer einige Zigaretten und müssen versprechen, mindestens zwanzig Nummern des „Völkischen Beobachters“ mit der Bildreportage an den Partieführer zu schicken. Einige Worte noch, dann verabschieden wir uns – ein vielstimmiges „Heil Hitler!“ tönt uns nach.
Etwas fällt uns noch ein. Wer bezahlt die Reiskosten der Slowaken? Hin- und Rückfahrt. Von der Grenze hierher nach Kirchberg am Wagram zahle ich, sagt der Bauer.
Wenig später fahren wir in unserem, wegen des Staubes der Landstraße geschlossenen Wagen, der ganz vom guten Duft der beiden Brotlaibe erfüllt ist, weiter. Wir berühren noch fünf andere Dörfer und Märkte des Kreises Tulln und suchen auch dort slowakische Wanderarbeiter auf. Überall finden wir das gleiche Bild, ein fröhliches, fleißiges und zufriedenes Völkchen und ebenso zufriedene Bauern.
Irgendwo in einer weltvergessenen Bauernschenke spülen wir uns mit einigen Gläsern Weines den Staub der Fahrt aus den ausgedörrten Kehlen. „Ja“, sagt einer unter uns, „der heutige Tag hat uns ein gutes Beispiel für die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Völkern, die aufeinander angewiesen sind, gegeben. Das, was hier im kleinen täglich praktisch für den Frieden getan wird, ist mehr wert, als alles demokratische Friedensgerede der Welt zusammengenommen…“. Und damit hat der den Nagel auf den Kopf getroffen!
Hans Boeck
[1] Karol Murgaš (1899- 1972) war ein slowakischer Journalist, Jurist, Politiker und Vertreter des radikalen pronazistischen Flügels der Slowakischen Volkspartei.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Karol_Murga%C5%A1)