Maria Knapp, Winkl m.knapp@hf-kirchberg.at
Die unten stehende Auszüge über Niederösterreich wurden folgendem Buch entnommen:
 

Geographisches Handbuch von dem österreichischen Staate
Erster Band
Wien, bey Johann Paul Krauß, 1790
NÖ Landesarchiv  

Land unter der Ens.

Das Land hat einen einzigen schiffbaren Fluß, der ist die Donau, die ihren Lauf von Westen nach Osten hat. Bey Greifenstein theilt sie sich in zwey Arme, wovon sich einer südostlich, und der ander nordostlich wendet. Zu den vorzüglichsten Flüssen, welche sich in diesem Lande mit der Donau vereinigen, gehören: die Ens, die Wien ec. Nicht bloß die Wien, sondern überhaupt alle übrigen Flüsse, als: die Als, Trasen, Kamp ec. sind in sich unbedeutend, aber schauervoll sind ihre Verwüstungen, wenn sie die Grenzen ihres Bettes überschreiten, dieses geschieht gewöhnlich bey häufigem Schnee, wenn er im frühen Herbste, da die Erdtheilchen noch nicht genug gefroren sind, dicht fällt, lange die Erde bedeckt, die indessen immer mehr Wasser einsaugt, hierdurch die Oberfläche mehr erweicht, wodurch bey einfallenden Thauwetter die Nässe noch mehr in die Erde dringt, kömmt in der Folge ein jäher oder anhaltender Sudwind hinzu, der nicht selten einen dichten Regen nach sich zieht, so gibt es die Natur, daß die unterirdischen Wasserquellen endlich mit Heftigkeit ausbrechen, und da der Fall dieser Bergwässer sehr hoch ist, so sind auch die Verwüstungen, welche sie stiften, schauervoll, Im gemeinen Leben werden dergleichen Wasserergießungen einem sogenannten Wolkenbruch zugeschrieben. Welch eine ungeheure Masse vom Wasser müßte sich herabstürzen, und von welcher Schwere müßte nicht solche seyn, wenn dasselbe Bäume aus der Wurzen reissen, Häuser aus dem Grunde heben soll. Der sogenannte Wolkenbruch (Schlagregen) öffnet die Bergwasserquellen, aber er macht für sich keine Ueberschwemmung, da es erwiesen ist, daß der heftigste Schlagregen ohne Zufluß eines Flußwassers, kaum die Höhe von zwey Schuh erreicht. 

Die Naturprodukte im Pflanzenreiche sind: Getreide (nicht im Ueberfluß) Hüsenfrüchte, Küchengewächse (die letzteren werden ungemein häufig um Wien erzielt) Flachs- und Hanfbau ist unbedeutend, wichtiger ist der Safranbau. Der unterensische Safran ist seiner vorzüglichen Güte wegen allgemein geschätzt. Auch erzeugt das Land trefflichen Senf; Wein wir überflüßig gewonnen, so auch Obst. (Nach einem sehr mäßigen Anschlag beträgt die Konsumption des Obst in Wien allein jährlich über 1,100.000 Gulden). Die Wälder tragen Eichen, Buchen, Erlen, Linden, Tannen. Im Thierreiche zeichnet sich die Kühzucht, vorzüglich in der Gegend um Wien aus, wo auch ungemein viel Milch und Butter gewonnen und nach Wien zum Verkaufe gebracht werden. An Ochsen ist Abgang, auch an Schweinen und Schafen, obschon einige beträchtliche Schafhöfe in einigen Gegenden zu finden sind. Die Pferdezucht könnte besser seyn. Bienenzucht liegt noch sehr danieder, und Seidencultur kennt man noch wenig. Unter den Fischen zeichnen sich die Forellen aus, deren das Land sehr schmackhafte hat. Im Mineralbereich kommen vor: Gips, Marmor, Bergöl (Petroleum), Salpeter, Steinkohlen, Ocher, Alaun, Märgel, Bley, etwas Silber, Kupfer, Eisen, Marmor. Zu den bekanntesten Gesundbrunnen gehören die in Baden (4 Meilen von Wien) gelegenen Gesundbrunnen, dann der Gesundbrunnen zu Rodaun und Pierawart. 

Industrie behagt der Nation im Ganzen noch nicht sehr, man wandelt noch so ziemlich auf dem Wege seiner Großväter fort. In Wien, wo die Lebensbedürfnisse alle im hohen Preise stehen, und der Luxus, sein non plus ultra hat, ist die Industrie, vielmehr Raffinerie, vorzüglich im Fache der Modewaren, aufs höchste gespannt. 

Das Land zählt 36 Städte, darunter 19 landesfürstliche, dann 236 Märkte, darunter 11 landesfürstliche, ferner 4300 Dörfer, 600 Schlösser und 560 Dominien. Die Hauptstadt das Landes, und der sämmtlichen östreichischen Provinzen ist Wien, sie ist zugleich der Sitz des teutschen Kaisers und des Beherrschers der sämmtlichen Staaten Oestreichs. 

Die Kunstproducte des Landes sind: Kattune (Stoffe), Eisen-, Messing-, Blech und Kupferwaren, Hüte, Tuch, seidene und leinene Tüchel, Wollenzeuge, Seidenzeuge, Seidenbänder, seidene, leinene und wollene Strümpfe, Stahl- und Galanteriewaaren (modische Accessoires), orientalische Waaren, Papier, Porzellän (vortreffliches), Spiegel, Perlen, Erdgeschirr, Compositionswaaren (zusammengesetzte, aus verschiedenen Stoffen bestehende Waren, besonders chemische Erzeugnisse), Gold-, Silber und Eisendraht, Salmiak, Vitriol, Berlinerblau, Wundersalz (Glaubersalz), Frankfurterschwärz, Bleyweiß, Bleystiften, Feld-, Taschen- und Schubspiegel, Cremor tartari (Zubereitungen aus Weinstein, in der Medizin und Chemie verwendet), Areanum Duplicatum (Kaliumsulfat), Scheidewasser (Salpetersäure), Berggrün (Chrysokoll), Tapeten, Wachsleinwand, Weinessig, raffinirter Zucker, Glaswaaren, Fischbein, Leder, Tobak, Tobakpfeiffenköpfe, Hemdbesatz etc. 

Die beträchtlichen Einfuhrartikel aus den Erblanden sind:
Aus Ungarn: Getreide, Hafer, Heu, Hornvieh, Schweine, Pferde, Knoppern (Galläpfel zur Herstellung von Eisengallustinte oder Farbe), Tobak, Wild, Federvieh, Kupfer, Fische, Wachs, Honig, Wein, Potasche, Alaun, Bley, Eisen, Strohdecken, Grünspann, Kobold, Obst, Schwefel, Brantwein, Vitriol, Liqueurs ect.

Aus Böhmen: Leinwand, Zwirn, Wollzeug, Tuch, Mußelin, Glas, Hopfen, mineralische Wässer, Karlsbadener-Waaren (Kunsthandwerkliche Erzeugnisse aus dem Kurort Karlsbad), Hasenbälge, Strümpfe, Papier, Spiegel, Federvieh, Wild, Fische, Blech, Mußelin, Butter, Schmalz, Granaten, Zinn, musicalische Instrumente, Bücher etc.

Aus Mähren: Schmalz, Butter, Käs, Knoppern, Galläpfel, Wollenzeug, Tücher, Schweine, Federvieh, Leinwaaren, Steingeschirr,

Aus dem Lande ob der Ens: Salz, Leinwand, Wollenzeuge, Zwirn, Bau- und Brennholz, Holzwaaren, Erdgeschirr, Eisenwaaren, Fische, Mühl- und Schleifsteine, Schießpulver, Obst, Manschester (Cordstoff), Batist, Mußelin etc.

Aus Tyrol: Kupfer, rohe Seide, Handschuhe, Feuersteine, Castanien, Teppiche, Mußelin, Käse, Wein, edle Früchte,

Aus Steyermark: rohes Eisen, Stahl, Federvieh, vorzüglich Kaupauner (kastrierter, gemästeter Hahn), Kattun, Mußelin.

Aus Kärnten: Galmei (Zinkerz, war früher unerlässlich zur Herstellung von Messing), Bleyweiß, Bleystiften, Tücher, Bley, etc.

Aus Görz: Quecksilber

Aus der Lombardie: Früchte, Käse, Seidenwaaren, rohe Seide etc.

Aus den Niederlanden: Tücher, Spitze, Leinwand, Zwirne, Menschhaar, Käse, etc.

Aus Galicien: Hornvieh, Potasche, Wachs, Honig, Pferde

Aus Schlesien: Leinwand, Zwirn, Batist, Mußelin

Aus den Vorlanden (Vorderösterreich, Sammelname für die früheren Besitzungen der Habsburger westlich von Tirol und Bayern): Granaten, hölzerne Uhren, Genferuhren, Chrystallwaaren, etc.

Aus Triest: raffinirter Zucker, Liqueurs, Wachs, Limonien, Oel, Seife, Piquetkarten, Wein.

Die beträchtlichsten Einfuhrartikel aus fremden Staaten sind: rohe Seide, Baumwolle, Schafwolle, Kaffee, Thee, Zucker, Gewürz, Bücher, Borax, Salmiak, Oel, Apothekerwaaren etc. 

Im ganzen Lande liegen: 5 Infanterieregimenter, Ein Cavallerieregiment, ein Artillerieregiment, 3 Grandierbataillons, ein Fuhrwesencorps, Ingenieur- und Sappeurcorps (Trupenhandewerker), und ein Pontoniersbataillon (leistet Unterstützung bei der Annäherung von Kampfbrigaden über Gewässer). Die Fuselierregimenter (mit Steinschlossgewehr bewaffnete Infanteristen) haben diese Werbbezirke als: Carl Toskana einen Theil des Obermannhartsberg, Preis das Viertel Unterwienerwald, und die Freygründe in Wien; Teutschmeister den westnordlichen Theil des Viertels Unterwienerwald, sammt der Stadt und den Vorstädten Wien; Pellegrini des Viertel Oberwienerwald. Außer diesen 5 Regimentern haben auch die Regimenter Klebeck und Langlois einige Werbbezirke in dieser Provinz, und zwar Langlois, den westlichen Theil des Viertels Oberwienerwald, und Klebeck den südwestlichen Theil des Viertel Obermannhartsberg. Das Generalcommando für das Land ob und unter der Ens, und für die Vorlande, wird seit dem Tode des Fürsten Carl von Lichtenstein, der zugleich Stadtkommandant von Wien war, indessen von dem Feldmarschallieutenant Baron Terzi versehen. Die Montirungs- und Oeconomie-Hauptcommißion war vormahls in Stockerau, nun aber ist solche in Wien am Rennwege. 

Zur Versorgung der Armen, hat das Land: mehrere Siechenhäuser, dann Häuser für Unheilbare, das sogenannte Armeninstitut, Findel- und Waisenhäuser. Für Kranke ist das in Wien gelegene allgemeine Krankenhaus geordnet, für Schwangere das Geburtshaus, und für Wahnsinnige der Irrenthurm. Der Orden der barmherzigen Brüder, und der Nonnen, der St. Elisabeth, haben die Verpflegung der Kranken, nach Verschiedenheit der Geschlechter, unter sich getheilt. Die Weltpriester haben in Wien ihr eigenes Spital, so wie die Miliz, dessen herrliches Krankenhospital in Wien, vor dem Schottenthor gelegen, und ein stählernes Denkmal Joseph II. ist. 

Die Einkünfte dieser Provinz bestehen bis jetzt in der Dominical- und Rusticalsteuer, Erbsteuer, Pferdesteuer; in Mautehn, Accise (Verbrauchs)- und Haussteuer. Die Gewerbesteuer in Wien besteht aus 7 Classen. 



Orte aus der Umgebung, die im Buch angeführt sind:
Altenwerd, ein Pfarrdorf, an der Donau
Birnbaum, ein Pfarrdorf
Kirchberg, am Wagram, ein Markt mit einer Pfarr zwischen Städteldorf und Hadersdorf im Korneuburgerdistrikt.
Weikersdorf, ein Markt mit einer Pfarr, westnordlich von Wien, im Zistersdorferdistrikt. Hier ist der Postwechsel zwischen Stockerau und Meißau. 

Juni 2015,, letzte Änderung April 2024
Maria Knapp