Maria Knapp, Winkl m.knapp@hf-kirchberg.at

Gekürzter Bericht von Josef Weichenberger
http://www.erdstallforschung.at/wie-baut-man-einen-erdstall-ein-experiment/

Womit sind diese Höhlen ausgegraben worden?
Ebenso wie die Einheit im Bau und in den Systemen überall die gleiche ist, so ist auch das Instrument, das zur Herstellung der Höhlen diente, augenscheinlich stets von derselben Art gewesen; es lässt sich dies deutlich an den Wänden der zahlreichen von mir untersuchten Gänge und Kammern erkennen. Überall rühren die Hiebspuren von einem Pickel oder Krampen mit Spitze und Schneide her; das Instrument ist also ähnlich jenen gewesen, wie man es in den Händen der Fossores (Gräber) in den Katakomben abgebildet sieht. Eine eiserne Scharre, womit die Gänge stoßweise ausgearbeitet wurden, wurde in den künstlichen Höhlen zu Nannhofen in Bayern gefunden. Die Hiebmarken sind überall gleich, nur die Breite der Schneide des Instrumentes wechselt, und zwar nach meinen Messungen von 5 bis 8 cm, äußerst selten von geringerem Ausmaße. Spuren von Schaufelstichen habe ich nirgends gefunden. Nur zu Drösing und zu Klein-Weikersdorf sah ich Hiebspuren von einem Hohlbeil.

Wie lange braucht man, um einen – beispielsweise 40 m langen – Erdstall zu graben? Schon mehrere Forscher haben versucht, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Sehr unterschiedliche, ja geradezu widersprüchliche Aussagen sind das Ergebnis. Dies veranlasste nun den Verfasser, durch einen praktischen Versuch die Probe aufs Exempel zu machen. Dazu sollten typische Bauelemente eines Erdstalles - möglichst unter Berücksichtigung der mittelalterlichen Gegebenheiten - nachgebaut werden.

In Tollet bei Grieskirchen (OÖ), in unmittelbarer Umgebung einer Erdstallfundstelle, begannen am 15. Juni 1985 die Grabungsarbeiten. Das Erdreich ist Schlier, ein sehr festes und hartes Material. Nach dem ersten Arbeitstag machte sich Enttäuschung breit, denn wir hatten nicht erwartet, dass das Erdstallgraben so beschwerlich und mühsam ist. Nach dem anstrengenden 8-stündigen Einsatz war der Gang nur wenige Zentimeter tief. Es bedurfte gegenseitiger Aufmunterung und Motivation, um einen weiteren Arbeitstag aufzuwenden. Doch beim zweiten Versuch begannen wir mit mehr System und gezielter zu arbeiten, d.h., dass wir schon eine gewisse Übung in der Handhabung und Anwendung der ungewöhnlichen Werkzeuge hatten. Weitere Arbeitseinsätze vor Ort gab es dann noch am 29. Juni, 20. Juli, 22. und 24. August 1985. Anregend wirkte auch der „Konkurrenzkampf“ zwischen den Schlägel- und Eisenarbeitern und den Keilhauen-Vertretern. Jeder wollte nämlich beweisen, dass seine Vortriebstechnik die ökonomischere sei.

Jene Arbeiter, die den Vortrieb mit Schlägel und Eisen bevorzugten, begannen terrassenförmig das Erdreich abzuschlagen. Die Keilhauen-Arbeiter hieben eine senkrechte Rinne (Rille) ein, die dann breiter und breiter ausgeschlagen wurde, bis die ganze Fläche auf die Tiefe der Rille ausgearbeitet war.

Nach einigen Arbeitstagen konnten die ersten Erfahrungen und Ergebnisse ausgewertet werden:
Der Versuch hat gezeigt, dass im relativ harten Schlier (Härtegrad 2,5) der Vortrieb mit Schlägel und Eisen der Keilhaue überlegen ist. An einem Tag mit 10 (schweißtreibenden) Arbeitsstunden konnte ein Vortrieb von 15 bis 20 cm erzielt werden, das entspricht einer Wochenleistung von ca. 1 m Ganglänge. Der Mineur vor Ort verrichtete dabei schwerste körperliche Arbeit, war an gewisse Zwangshaltungen (ermüdende Körperhaltungen) gebunden, litt unter der eingeschränkten Bewegungsfreiheit und hatte zudem schlechtes Licht und sauerstoffarme Luft am Arbeitsplatz. Seine Berufskrankheiten waren sicherlich Rheuma und Schwerhörigkeit. Rheuma deshalb, weil er ständig der niedrigen Erdtemperatur von plus 8 Grad und der Feuchtigkeit, die einem bis „unter die Haut“ kriecht, ausgesetzt war. Und die Schwerhörigkeit deshalb, weil man mit dem Schlägel wirklich kräftige Schläge auf das Eisen ausführen muss, um eine Wirkung zu erzielen; der dabei entstehende helle Ton (Eisen auf Eisen) bricht sich im engen Gang immer wieder. Schon nach einem Arbeitstag glaubt man halb taub zu sein.

Nach 2 m Ganglänge schlugen wir eine Lichtnische in die Wand. Als Beleuchtungskörper verwendeten wir eine Original-Tonlampe aus dem 13. Jahrhundert. Der Teil der Lampe mit dem Docht stand aus der Wandnische hervor und leuchtete den Gang schön aus. Für den Arbeiter vor Ort brachte das entscheidende Vorteile, nämlich die Ausleuchtung des Arbeitsplatzes und einen vor dem Umstoßen weitgehend sicheren Standplatz für die Lampe.

In einem breiten Gang bzw. in einer Kammer findet sich leichter ein ruhiges Plätzchen für die Lampe, weshalb hier seltener Lichtnischen vorkommen. Verwendet wurden sicherlich auch Kienspäne. Dass es in einigen Erdställen zahlreiche Lichtnischen gibt, in anderen jedoch wieder gar keine, könnte auf die persönliche Vorliebe des Arbeiters für die Öllampe oder den Kienspan als Beleuchtung zurückzuführen sein.

Da der händische Stollenvortrieb mittels Schlägel und Eisen  über Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende, hinweg nahezu unverändert geblieben ist, gibt es viele vergleichbare Anlagen mit Lichtnischen.

In vielen Erdställen finden sich Trockenmauern – dahinter verbirgt sich meist ein verfüllter Bauhilfsschacht. Das Herausschaffen des Abraums dürfte daher ein geringes Problem gewesen sein. Die stündlich anfallende Menge des Abraums beträgt bei einem beispielsweise 1,40 m hohen Gang 15 Kubikdezimeter, das sind 1 ½ Füllungen eines 10 l Kübels (bzw. Korbes oder Sackes). Diese Menge kann man ohne allzu große Anstrengung an die Oberfläche schaffen.

Feststellen mussten wir auch, dass es gar nicht so einfach ist, exakt die Richtung des Ganges beizubehalten. Immer wieder bedurfte es kleiner Korrekturen. Bei vielen neuzeitlichen, mittelalterlichen und antiken Stollen treffen wir auf Richtungsänderungen, ja sogar schlangenlinienförmige Trassenführung.

Quelle
http://www.erdstallforschung.at/wie-baut-man-einen-erdstall-ein-experiment/


September 2024
Maria Knapp