Hochwasserstein in Ponsee: 8,34 m.
Schulchronik Winkl, Lehrer Jakob Jungbauer
Schulchronik Neustift, Ludwig Marzani
Pfarrchronik Altenwörth, Pfarrer Franz Frank
Schulchronik Altenwörth, Lehrer Anton Bachner
Vom 14. September bis 19. September Hochwasser. Das Wasser stand höher als im Jahre 1897 und richtete an Äckern und Wiesen sehr großen Schaden an. Einige Keller stürzten ein sonst wie 1897. Siehe dort.
Heimatmappe von Bierbaum am Kleebühel, Oberlehrer Robert Dobrawa
Pfarrchronik Bierbaum am Kleebühel
Schulchronik Utzenlaa, Schulleiter Johann Harrer
Reichspost vom 16.9.1899
Wieder stehen wir in größter Gefahr und Noth. Seit gestern Mittags haben sämmtliche Arme der Donau in den Auen sich angefüllt und heute, den 14. d.M. kommt das Wasser langsam und sicher über Feld und Wiesen. Was Hände und Füße hat, muß helfen, um wenigstens einige Erdäpfel und etwas Kukuruz aus dem Kothmeere zu retten, dem die Aecker jetzt gleichen. Denn nicht nur, daß alles vernichtet ist, wo das Donauwasser nur ankommt, laugt es auch den Boden aus und nimmt ihm die Nährstoffe und trägt den Acker ab. Wann wird endlich für die Gegend von Altenwörth bis Neu-Aigen etwas geschehen. – Jedes zweite Jahr überschwemmt zu werden, ist kein Vergnügen, wenn es auch nur die Bauern trifft. Die Herrschaften Zwentendorf und Grafenegg haben jeder 100 Rettungshügel für die Wild gebaut. Wann werden denn die Menschen gerettet werden? Im Jahre 1890 schlug man nach der Ueberschwemmung Pflöcke; sie sollten die Richtung des Dammes bezeichnen, und so oft seit dem Jahre 1897 die Gemeindevorsteher in Tulln wegen des Dammes vorstellig wurden, zeigte man ihnen auch den Plan des Amtes – damit sollten sie sich trösten. Ja, es wäre eine Jobsgeduld nothwendig, aber auch die hat ihre Grenzen – man muß eben auf die Ursachen zurückgreifen, weshalb hier kein Schutzdamm gebaut wird – das sind genannte Herrschaften – denen könnten vielleicht einige Rehe ertrinken; liebe sollen ganze Gemeinden mit Mann und Maus zugrunde gehen; wie mächtig so eine Herrschaft ist, nur ein Beispiel: Bierbaum verlangt seit Jahren nach einer Straße zur Bahn – aber die Herrschaft Grafenegg möchte sie gerne nach Utzenlaa haben damit die Grafen und andere hohe Herren näher zur Au hätten – und darum darf Bierbaum keine Zufahrtsstraße zur Bahn erhalten. Traurig aber wahr. So steht es um uns. Wann wird man endlich unseren Nothschrei hören?
Deutsches Volksblatt vom 17.9.1899
Rührend ist auch das Elend der Thiere von Wald und Flur. Aus den überschwemmten Auen hört man das Röhren der Hirsche und längs der Bahndämme stehen Rehe, welche in der Noth alle Furcht verloren zu haben scheinen. Auf die Bäume flüchten sich Tausende von kleinen Schnecken, welche den ebenfalls dort aufgebäumten Fasanen zur Nahrung dienen. Hier und da fällt ein ungeschickter oder entrüsteter Fasan ins Wasser und ist dann rettungslos verloren. Auch hunderte von Mäusen kriechen an den Bäumen aufwärts, um sich vor dem Wasser zu retten....
Der Pegel in Tulln zeigte gestern Nachmittags um 5 Uhr 563 Centimenter gegen 461 im Jahre 1897; das Hochwasser hat also den hohen Stand der Ueberschwemmung vom Jahre 1897 schon übertroffen. Die Gemeinden im Bezirke Kirchberg am Wagram sind ganz unter Wasser. Die Gemeinden Bierbaum, Utzenlaa, Frauendorf und Gigging sind besonders hart mitgenommen. Am Ärgsten betroffen sind die Gemeinde Neu-Aigen, Triebensee, Fischerzeile und Mollersdorf. Der Verkehr von Neu-Aigen zu diesen Gemeinden ist nur mittelst Kähnen möglich und auch da äußerst schwierig, weil die Strömung des Wassers sehr stark ist. Gestern Mittags sandte die Bezirkshauptmannschaft mittelst Kahn durch den Gendarmerie-Postführer aus Tulln Lebensmittel nach Neu-Aigen….
Die Hauptschuld an der gefährlichen Situation tragen: Die Donauregulierungs-Commission, welche den seit zehn Jahren versprochenen Uferschutzdamm an der Donau bis heute nicht gebaut hat, und das Eisenbahnministerium, letzteres aus folgendem Grunde: Anläßlich der Legung eines zweiten Geleises fand im vergangenen Jahre eine politische Begehung statt und hierbei haben der Landes-Ausschuß, die Bezirkshauptmannschaft, das Landesbauamt und sämmtliche betheiligten Gemeinden eine bedeutende Vermehrung der Durchlässe verlangt. Diese Forderungen wurden im Eisenbahnministerium abgelehnt und unbedeutende Erweiterungen vorgenommen, so daß heute durch den Damm eine Rückstauung des Wassers über das ganze Gebiet verursacht wird.
Bei Bierbaum ist der Damm gerissen, der erst im vorigen Jahre ausgeführt wurde; er ist aus sehr schlechtem Material erbaut und konnte dem Wasser nicht Widerstand leisten, so daß die Gemeinde ganz überschwemmt ist. Das Elend der Bewohner ist groß. In der Gegend von Neu-Aigen erklären die Leute, auswandern zu müssen, wenn ihnen nicht ein ausgiebiger Schutz zutheil wird.
Sehr zu befürchten ist der Ausbruch von Krankheiten, nachdem die Jahreszeit vorgerückt ist und die Häuser jedenfalls über den Winter naß bleiben dürften.
Kremser Zeitung vom 24.9.1899
Das Jahr 1899 kam segenspendend in das Land, zauberte die schönsten Früchte auf allen Fluren hervor und richtete so die vom letzten Hochwasser noch gebeugten Landleute zu neuer Hoffnung auf. Da plötzlich zog es seine milde Hand zurück, hüllte sich in dichte Wolken und ließ hohe, verderbliche Fluten gierig über seine reichen Gaben stürzen. Die Gemeinde Winkl ist heuer wieder hart mitgenommen. Die Nachbargemeinde Neustift mußte neurdings alle Thüren öffnen, um die von den wackeren Dorfburschen und jungen Männern auf Zillen mit Lebensgefahr und äußerstem Kraftaufwande aus den hochinundirten Wohnungen und Stallungen von Winkl hergeführten Menschen und Hausthiere aufzunehmen. Hunderte von Menschen haben vom sicheren Landungsplatze aus das Schauspiel gesehen und gar viele konnten Thränen für die Betroffenen und lautes Lob für die Retter nicht unterdrücken. Drei Tage dauerte die Arbeit. Die Winkler konnten weder Brot für sich, noch Futter für die Thiere mitnehmen. Die ersten zwei Tage sorgte die gastliche Gemeinde Neustift, obwohl selbst schwer getroffen; dann brachen die Herren: Roskopf und Dr. Ruef aus Kirchberg, Gmeiner Franz aus Ottenthal, Mantler aus Engelmannsbrunn reichlich Brot und die Herren: Dechant Hohmann und Neugebauer aus Kirchberg, Eder, Gemeindevorsteher in Mitterstockstall, Gemeinde Mallon und Englmannsbrunn, Herr Pennersdorfer aus Ottenthal Futter genug, so daß bisher niemand leiden mußte. Gott vergelte es ihnen! Hoffentlich wird sich auch wer finden, der den muthigen Männern, die wiederholt in das kalte Wasser bis an die Brust steigen mußten, den Schaden an Stiefeln, Kleidern und den Entgang an Verdienst ersetzt.
Kremser Volksblatt vom 24.9.1899
Bierbaum. Das war eine schreckliche Woche! Seit Mittwoch, wo das Wasser bereits die Auen überschwemmt hatte bis wieder Mittwoch, wo man noch immer im Orte waten muß, hatte das Wasser eine Höhe erreicht, wie noch nie in früheren Zeiten. Alle Erdäpfel, Kukuruz, Rüben, Kraut sind vernichtet, die vielen Risse des alten Schutzdammes die Aecker verwüstet, ein Kornbau unmöglich! In einzelnen Vertiefungen drang das Wasser bis gegen den sogenannten Gießgraben zwischen Königsbrunn und Bierbaum vor, in Absdorf reichte es ebenfalls bis an die Häuser. Noch schlechter dran sind Frauendorf, Utzenlaa, Winkel, Neu-Aigen und Trübensee. Wie groß die Noth ist, kann man daraus ersehen, daß die Leute ihr Vieh verkaufen müssen, da es an Futter fehlt, und daß ein Mann aus Verzweiflung ins Wasser sich stützte (er konnte gerettet werden). Samstag kam bereits der Landtagsabgeordnete Herr Leopold Steiner; er versprach Hilfe, so weit es menschenmöglich ist. Häuser sind zum Glück hier keine eingestürzt, aber unbewohnbar sind sehr viele geworden, da im ganzen Ort nur Ein Haus war, das kein Wasser gehabt hatte. Am meisten zu bedauern sind die Abbrandler, denn diese haben doch rein nichts. Auf die Mildthätigkeit der Umgebung können wir diesmal auch wenig Hoffnung setzen, da Mißwachs und Gewitter großen Schaden verursacht haben. Diese Ueberschwemmung wird auch dem Reste des Safranbaues ein Ende bereiten, denn die meisten Safrangärten standen unter Wasser. Wann wird endlich neben der Au der versprochene Schutzdamm gebaut werden? Sehr unedel wurde seitens der Neustifter Jagdgesellschaft gehandelt – während das Wasser am höchsten stand, wurde dort Sonntags gejagt. Nicht gerade schön! Alles ist hier bereits muthlos und verzagt und verbittert, denn heuer war es seit neun Jahren die 5. Ueberschwemmung.
Kremser Zeitung vom 1.10.1899
Anläßlich der Ueberschwemmung in unserem Orte sei noch eine That erwähnt, die im allgemeinen Elende anfangs nicht beachtet wurde. Es ist dies die Lebensrettung des Franz Leutner durch unseren Herrn Oberlehrer Robert Dobrawa. Am Freitag Abend erinnerte derselbe an obigen alten 90jährigen Mann. Drei Pioniere und der Gendarmerie-Wachtmeister machten unter seiner Führung eine wirklich lebensgefährliche Fahrt. Das Wasser hatte im Orte eine reißende Strömung, machte mehrere Wirbel und wäre er nicht als Ortskundiger mitgefahren, es wäre ihnen nicht möglich gewesen, zum Hause des Franz Leuthner hinzukommen. Indes war höchste Zeit; der alte kranke Mann lag im Bette, seine Füße schon im Wasser und sein Weib mit einer Ziege war am Dachboden. Der Herr Oberlehrer sorgte für Stroh, um den Mann in den Kahn legen zu können und trug auch Sorge, daß er in einem Hause Unterkunft fand. Letzteres war in diesen Tages sehr schwer zu bewerkstelligen, weil alle wasserfreien Häuser mit Leuten und Vieh überfüllt waren. Herr Oberlehrer Dobrawa hat also sein Leben aufs Spiel gesetzt, weil in den brausenden Wogen sonst niemand im ganzen Dorfe sich mitzufahren getraut hat, als er allein. Der alte Leutner konnte aber auch nach seiner Rettung nicht genug dem Herrn Oberlehrer danken. Ehre also, dem Ehre gebührt!
Deutsches Volksblatt vom 19.11.1899
Kremser Zeitung vom 3.12.1899
Kremser Zeitung vom 17.12.1899
Dienstag den 5. d. M. fand eine neuerliche Commission statt wegen des Dammbaues zwischen Bierbaum und Utzenlaa. Die Utzenlaaer verlangten die gänzliche Schleifung desselben, weil sie durch denselben nur Schaden haben. Die Bierbaumer aber verlangen eine Wiederherstellung. Die Verhandlungen verliefen ziemlich hitzig, da jede Partei ihre guten Gründe hatte. Selbst sind aber die Gemeinden derzeit so arm und gerade durch die vielen Dammrisse an Grund und Boden derart geschädigt, daß jetzt das Land diesen Gemeindedamm zu bauen beschloß; so war wenigstens beiden Gemeinde geholfen; diesmal werden Teichgräber die Arbeit besorgen. Aus alledem aber geht hervor, daß wir noch recht weit weg sind von der Errichtung eines großen Schutzdammes in oder längs der Donauauen. Es ist übrigens in der Sache manches gar merkwürdig – es brauchete nur das Weingartelwasser wieder aufgemacht und unter Altenwörth das sogenannte „Bschlacht“ um 2 Schuh erhöht werden, so wäre die ganze Calamität nicht; aber das würde zu wenig kosten, das würde dem gesunden Menschenverstand entsprechen und die Grafenegger im „großen Grund“ die gewonnenen Auen verlieren – darum soll lieber alles hin werden. Ebenso kurios ist es, daß in den Ueberschwemmungsgebieten die Steuern unerbittlich eingetrieben werden, währende der Schaden noch nicht einmal ganz aufgenommen ist. Aber ein Gutes haben wir doch: „Die Wienerlichten“ ist seit dem neuen Gas so hell, daß sie unsere traurigen Verhältnisse auch dort erleuchten könnte, wo es nöthig wäre, wenn man alles sehen wollte.
Ein nachdenklicher Artikel ein Jahr nach dem Hochwasser
Uebermaß und Uebermuth
Es ist am kommenden Sonntag (16.) gerade ein Jahr, daß unser Ort am ärgsten wohl von der Ueberschwemmung heimgesucht war. Die Erinnerung daran sollte recht eigenthümlich gefeiert werden. Nicht genug, daß wir am 2. und 3. September Tanz und Musik hatten, es sollte unser Kirchtag bis Ende der Woche dauern – denn am 8., am Feste Maria Geburt, da wurde erst der Schluß gemacht, natürlich mit Musik und Tanz. Es ist dies auch gar nicht zu verwundern. Gelegentlich des Hochwassers wurden uns so viele Spenden zutheil, daß dieselben ausreichten, nach einem Jahre noch über acht Tage lang zu jubilieren und wenn das Wasser wieder kommen sollte, da werden Gott und gute Leute schon wieder für uns sorgen. – Dann – ist aber seit einigen Jahren ein ganz anderer Geist, nämlich ein hoher, aus den „Beringa“ draußen bei uns eingezogen. Eine christliche Zeitung mußte im Gasthause der „Landzeitung“ Platz machen – einige „Herren“, die wünschten es. – Der n.ö. Landesausschuß, der ist nur gut zum Geldhergeben – dafür hält man jenes Blatt, das den Geber beschimpft. – Sind denn in Winkl keine Männer mehr. Männer, die Kopf und Herz am rechten Fleck haben.
(Kremser Zeitung vom 16.9.1900)
Dezember 2020, letzte Änderung April 2024
Maria Knapp