Maria Knapp, Winkl m.knapp@hf-kirchberg.at

Vortreibhaus EngelmannsbrunnMit dem Auftreten der Reblaus wurde es notwendig, die Reben zu veredeln[1]. In vielen Weinbauorten bildeten die Winzer Vereine, um gemeinsam ihre Weingärten neu anzulegen, weil der Schädling die Kulturen vernichtet hatte. Die jungen Veredlungen mussten aber angeregt werden, eine Verbindung mit der Unterlagsrebe einzugehen und dazu waren genau dosierte Temperaturen notwendig um die Kallusbildung[2] anzuregen.

Warum war es notwendig die Weinreben zu veredeln? Dazu muss man wissen, dass Ende des 19. Jahrhunderts die Reblaus großflächig die Weinkulturen zerstörte. Durch verschiedene Versuche fand man heraus, dass die Reben in Amerika gegen diesen Schädling immun waren und begann, diese Amerikanerrebe als Unterlage zu verwenden und unsere gewohnten Rebsorten darauf zu pfropfen. Berühmt war die Veredlungsstelle in Kirchberg am Wagram im Weingut Anker, später Kominek zuletzt Anton Mantler:

Weingut Anker

Im Weingut AnkerDie Weinbauern wurden eingeschult und lernten, selber die Weinreben zu veredeln.

1909 beschloss die Gemeinde Engelmannsbrunn, selbst ein Vortreibhaus zu bauen.

Vortreibhaus BauplanDer Bauplan des Vortreibhauses

Laut Bauplan konnten in diesem Vortreibhaus 118 000 Reben vorgetrieben werden.

Die Amerikanerreben oder Unterlagsreben, genannt „Mutterreben“, wurden und werden als lange Ruten gezüchtet, im Herbst abgeschnitten, in ca. 33 cm lange Stücke geschnitten, alle Augen geblendet[3], in Wasser und Chinosol[4]  getunkt und im Keller in dunklen Plastiksäcken gelagert. Beim winterlichen Rebschnitt sucht man von passenden Sorten Edelreiser, bei diesen werden kleine Stücke mit je einem Auge geschnitten, ebenfalls in Wasser und Chinosollösung getunkt und kühl aufbewahrt.

VeredelungsmaschineIm zeitigen Frühjahr wurde veredelt, und zwar zuletzt mit einer Veredlungsmaschine, bei der die Maschine bei der Unterlagsrebe einen Omegaschnitt[5] macht und gleichzeitig das Edelreis gegengleich eingefügt wird. Man muss dabei darauf achten, Reben in annähernd gleicher Stärke zu verwenden. 

Die veredelten Reben werden dann in speziellem Wachs getaucht, um Austrocknung und Infektionen zu verhindern.  
 

Einlegen der Veredlungen

Einschichten der Verdelungen

Sortenweise werden sie in Rebkisten gepackt. Dafür werden Sägespäne gut befeuchtet und zuerst in die Kiste geschichtet, dann kommt eine Lage Veredelungen, dabei ist darauf zu achten, alle aufgepfropften Stücke in der gleichen Richtung zu lagern.

Dann folgt wieder eine Schicht Sägespäne, abwechselnd bis die Kiste voll ist, bei kleineren Mengen einer Sorte wird eine Schnur als Abteilung dazwischen gelegt. Abgeschlossen wird mit Sägespänen, dann wird die Kiste verschlossen.  

Im VortreibhausIm VortreibhausDie fertiggepackten Kisten wurden zu bestimmter Zeit ins Vortreibhaus gebracht, abgestellt und so das ganze Haus angefüllt. Einige Männer des Dorfes waren als Heizer angestellt und hatten die Aufgabe ein feuchtheißes Klima zu schaffen, um den Austrieb anzuregen. Das Vortreibhaus war mit unterirdischen ausgeklügelten Schiebern versehen und das Feuer durfte Tag und Nacht nicht ausgehen. Über zwei Wochen wurde geheizt und die Luft befeuchtet. Im Vorraum des Hauses stand für die Männer ein Bett bereit, denn auch in der Nacht wurde geheizt. Nach dieser Zeit hatten die Reben ausgetrieben und sie wurden wieder abgeholt. Die frischen Ruten wurden zurückgeschnitten und wieder in Wachs getaucht.

 im Vortreibhaus

nach dem Vortreiben

Dann ging es in die Rebschule, das dafür vorgesehene Stück Acker wurde beackert und angehäufelt, darauf kam eine dunkle Folie, in die Löcher gestochen wurden. In diese Löcher steckten man in 10 cm Abständen die jungen Weinstöcke. Die Rebschule war eingezäunt und wurde gegossen und bei Bedarf gespritzt.

Reben stecken
junge Reben

Im HerbstIm Herbst wurden die jungen Stöcke ausgeackert, aussortiert, gebündelt und über den Winter in Erde oder Sand eingeschlagen.
 

 

 

 

 

Junger Weinstock Erst im nächsten Jahr konnten die Jungstöcke in den Weingarten ausgesetzt werden. Zuvor mussten die Wurzeln und die Triebe wieder eingekürzt und neuerdings in Rebwachs getaucht werden.

Das Vortreibhaus in Engelmannsbrunn war ca. bis 1980 in Betrieb, danach erwarb der Anrainer das Grundstück und baute ein Kellerstüberl.

Heutzutage gibt es in unserer Gegend in Mallon einen Rebenveredler und die Winzer erwerben dort oder bei anderen Anbietern ihre jungen Rebstöcke.
 

[1] Vegetative oder ungeschlechtliche Vermehrung eines Weinstocks

[2] Verbindungsgewebe zwischen Mutterrebe und Veredelung

[3] ausgebrochen

[4]  Mittel zur Desinfektion und Keimabtötung

[5] Schnitt in Form des griechischen Buchstabens Omega
 

Juli 2025
Marianne Eckart, Engelmannsbrunn