Maria Knapp, Winkl m.knapp@hf-kirchberg.at

Wie im Nachruf des Winkler Oberlehrers Ernst Pircher zu lesen, war dieser ein profunder Kenner der heimischen Flora und Fauna, der mit verschiedenen Wiener Universitätsprofessoren in engem Kontakt stand. So wurden im Jahr 1930 einzelne, interessante Pflanzenfunde von Pircher aus der Umgebung von Gösing  in einen botanischen Sammelartikel von Dr. Hans Neumayer (Botanischer Garten und Institut für Botanik, Universität Wien) inkludiert (Floristisches aus Österreich einschließlich einiger angrenzender Gebiete. I., Verh. Zool.-Bot. Ges. Wien 79, 336–411).

Pirchers Aufsatz über „Die Flora des Audorfes“ (1930–1931) ist eine Aufzählung der wichtigsten Pflanzenarten von Winkl, wobei Pircher bemerkt, „daß ungefähr dieselbe Flora in jedem Audorfe unserer Umgebung zu finden ist“, womit er wohl das nördliche Tullnerfeld meint.

Bei der Formatierung dieses Textes wurden in einigen Fällen zum besseren Verständnis die modernen, heute verwendeten wissenschaftlichen Pflanzennamen in eckigen Klammern hinzugefügt. Dies folgte in Bezug auf das Standardwerk „Exkursionsflora von Österreich, Liechtenstein und Südtirol“ (Fischer, Adler & Oswald, 3. Auflage, 2008, Biologiezentrum der OÖ Landesmuseen, Linz).

Einige von Pircher genannte Arten sind heute sehr selten oder gelten im Raum Kirchberg  als verschollen, was die Wichtigkeit seiner Arbeit unterstreicht. So sind die natürlichen Vorkommen der Kriechenden Sellerie (Apium repens) in ganz Österreich vom Aussterben bedroht. In den Tullnerfelder Donauauen ist diese Art heute eine absolute Rarität. Eine rare, ursprünglich aus Mittel- oder Südamerika stammende Ruderalpflanze, die Gemeine Spitzklette (Xanthium strumarium), ist mittlerweile ebenfalls vom Aussterben bedroht. Pirchers Angabe des Wasser-Süßschwadens („Glyceria aquatica“) bezieht sich höchstwahrscheinlich auf den heute gefährdeten Großen Wasserschwaden, auch Großes Schwadengras genannt (Glyceria maxima [damals oft als „G. aquatica“ bezeichnet]) und nicht auf das vom Aussterben bedrohte Quellgras Glyceria aquatica [= Catabrosa auquatica]. Glyceria maxima ist aus den Tullnerfelder Donauauen gut bekannt, wohingegen Catabrosa aquatica nicht im Tullnerfeld vorkommt (Janchen 1977: Flora von Wien, Niederösterreich und Nordburgenland, 2. Auflage, Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien, Wien). Der stinkende Gänsefuß (Chenopodium vulvaria) ist laut der aktuellen „Exkursionsflora“ von 2008 in Österreich stark gefährdet und folgende Arten sind als gefährdet einzustufen: der Meer-Ampfer (Rumex maritimus), der Gemeine Alant (Inula britannica), der Nickende Zweizahn (Bidens cernuus), das Schwärzliche Zypergras (Cyperus fuscus), der Erdbeer-Klee (Trifolium fragiferum), die Spießblättrige Melde (Atriplex hastatum [= A. prostrata]), das Niedrige Fingerkraut (Potentilla supina) und der Blasenziehende Hahnenfuß (Ranunculus sceleratus).



Ernst Pircher: Die Flora des Audorfes 

Entnommen aus: Die Natur – Zeitschrift des österreichischen Lehrervereines für Naturkunde, 6. Jahrgang, 1930, Folge 3, S. 51–53 sowie 7. Jahrgang, 1931, Folge 1, S. 13–15, Deutscher Verlag für Jugend und Volk, Wien 

Im Heft 6/1929 der vorliegenden Zeitschrift war ein wertvoller Beitrag zur Flora des Weinviertels enthalten. Mit Recht beklagt sich sein Verfasser über eine sehr mangelhafte Berichterstattung aus vielen Gebieten unseres Heimatlandes. Dieser Übelstand hat auch schon früher geherrscht und so kommt es nun, daß unsere sonst ausgezeichneten floristischen Werke über Niederösterreich doch durch oft lückenhafte Angaben der Fundorte den Stempel des Unvollkommenen an sich tragen und eben in dieser Richtung nicht ganz befriedigen. Hier müßte die Zusammenarbeit aller Pflanzenkenner und Pflanzenfreunde einsetzen, um zu einer in jeder Beziehung vollkommenen Zusammenstellung der Flora Niederösterreichs zu gelangen. Zu diesem Werke will ich im Folgenden ein winziges Teilchen beitragen, indem ich die Pflanzenarten des Audorfes Winkl, südlich von Kirchberg am Wagram, aufzähle und gleichzeitig darauf hinweise, daß ungefähr dieselbe Flora in jedem Audorf unserer Umgebung zu finden ist.

Es wird vielleicht manchen Leser dieser Zeilen befremden, wenn ich vorerst meist Sumpf- und Uferpflanzen aufzähle. Diese gehören aber untrennbar zum Audorfe. Das Typische einer solchen Siedlung sind eben alte Donauarme, die teils schon ganz ausgetrocknet sind, durch jedes Hochwasser aber neu gespeist werden, teils in ihren tieferen Teilen noch Altwässer enthalten und sich entweder mitten durch das Dorf ziehen oder in seiner nächsten Nähe verlaufen. Die Hochwässer bringen fruchtbaren Schlamm, ferner eine Menge halb verfaulten Laubes und andere leicht verwesende Stoffe, die besonders in solchen Gräben abgelagert werden und nach verhältnismäßig kurzer Zeit in Humus übergegangen sind.

Für die Ammoniakdüngung ist meist bestens gesorgt durch Jauche, die nach starken Regengüssen den Jauchegruben der Bauernhäuser entströmt und den am tiefsten gelegenen Teilen, also den Donaugräben, in verdünnter Form zufließt. Es sind nun Nährstoffe und Feuchtigkeit in Hülle und Fülle vorhanden und hiemit zwei wichtige Faktoren für einen üppigen Pflanzenwuchs gegeben.

Durch unseren Ort zieht sich ein solcher Graben und dieser bildet in der Tat einen botanischen Garten für sich. Wo stauende Nässe herrscht und daher der Boden luftarm ist, dort haben sich verschiedene Seggenarten angesiedelt, die sauren Boden lieben. Der Name Segge hängt mit dem lateinischen Worte secare = schneiden zusammen, da Blätter und Stengel der meisten Arten dieser Gattung scharf schneidig sind. Vielleicht deswegen und weil zur Bestimmung der Seggen nicht nur die Blüten, sondern auch die Wurzelstöcke notwendig sind, niemand aber gerne mit bloßen Händen im Schlamm herumarbeitet, werden diese Pflanzen oft auch von Pflanzenfreunden gemieden. Ich aber freue mich jedes Jahr herzlich, wenn gerade dem Schulhause gegenüber im Frühlinge ein ganzer Wald von Sumpf- und Ufersegge (Carex acutiformis und C. riparia) im Winde wogt. Kleiner und zierlicher als diese beiden Arten sind die scharfe Segge (Carex gracilis [= C. acuta]) und die aufgeblasene Segge (Carex vesicaria), ferner der Haar-Segge und die Fuchs-Segge (Carex hirta und Carex vulpina). In Gesellschaft dieser Halbgräser findet sich die Wasserschwertlilie (Iris pseudacorus) mit ihren herrlichen und biologisch interessanten Blüten. Ihre Wurzel kann infolge des Reichtums an Gerbstoff zum Gerben und in Verbindung mit Eisensalzen zum Schwarzfärben verwendet werden. Auch der Kalmus (Acorus calamus), der aus Asien stammt, wird von unserem Graben beherbergt. Nach den neuesten Forschungen von M. Mücke erhielt die erste lebende Kalmuspflanze Matthioli in Prag vom kaiserlichen Gesandten am türkischen Hofe in Konstantinopel im Jahre 1557. Um 1576 ließ sich auch Clusius von dort lebende Pflanzen nach Wien senden, von wo sich der Kalmus dann bald strahlenförmig nach allen Seiten hin ausbreitete. Treue Begleiter der beiden letzteren Arten sind der blasenziehende Hahnenfuß (Ranunculus sceleratus), der Wasser-Ehrenpreis (Veronica anagallis [= V. anagallis-aquatica]), der Froschlöffel (Alisma plantago [= Alisma plantago-aquatica]), ferner der doldige Wasserliesch (Butomus umbellatus) in Menge. Schilfrohr (Phragmites communis [= P. australis]) und breit- und schmalblättrigen Rohrkolben (Typha latifolia und T. angustifolia) brauche ich wohl gar nicht zu nennen. Von etwas selteneren Gräsern kommen hier vor, der Wasser-Süßschwaden und der gefaltete Süßschwaden (Glyceria aquatica [= Glyceria maxima] und Glyceria plicata [= G. notata]). Auch der rotgelbe Fuchsschwanz (Alopecurus aequalis), ein sehr niedliches Gräslein, blüht da freudig und spinnt in nassen Jahren oft ein ganzes Netz über das sich sammelnde Regenwasser.

Im Hochsommer, wenn Seggen und Wasserlilien längst dahin und die süßen Lieder der im benachbarten Haine wohnenden Nachtigall verklungen sind, dann ist der alte Donaugraben von den sengenden Strahlen der Sommersonne vollständig ausgetrocknet. Zu dieser Zeit wuchern in ihm der Ampfer-Knöterich (Polygonum lapathifolium [= Persicaria lapathifolia]), der Floh-Knöterich (P. persicaria [= Persicaria maculosa]), milder Knöterich und Wasserpfeffer (Polygonum mite [= Persicaria dubia] und P. hydropiper [= Persicaria hydropiper]) und auch der Wasserknöterich (Polygonum amphibium [= Persicaria amphibia]) hat bereits seine aufrechte, steifblättrige Landform gebildet. Auch einige Ampferarten gedeihen hier vortrefflich. So z.B. der Teichampfer (Rumex hydrolapathum), der Meer-Ampfer (R. maritimus) und der geknäulte Ampfer (R. conglomeratus). Alle Ampferarten enthalten viel Oxalsäure und Eisen, weshalb gelegentlich auch einheimische Arten in Gärten angepflanzt und als Spinat oder Salat gegessen werden.

Üppigste Vegetation herrscht an den Grabenrändern. Hier sind ganze Bestände vom gemeinen Weiderich (Lythrum salicaria), dessen roter Farbstoff hie und da in Zuckerbäckereien Verwendung findet. In sein weithin leuchtendes Bläulichrot mischt sich das Gelb des Gold-Gilbweiderichs (Lysimachia vulgaris), dessen bitter schmeckendes Kraut früher gegen Skorbut und andere Krankheiten Verwendung fand. Es kann aber auch zum Gelbfärben gebracht werden, während die Wurzel braun färbt. In Mengen sind hier außerdem der europäische Wolfsfuß (Lycopus europaeus) und der gemeine Löwenschwanz (Leonurus cardiaca) anzutreffen. Die Bachminze (Mentha aquatica), deren lieblicher, von Pulegon, Menthol, Menthon und anderen Stoffen herrührenden Geruch allgemein bekannt ist, schließt sich dieser „hohen Gesellschaft“ nach außen hin an.

Nun folgen noch niedrigere Kräuter, wie der gemeine Alant (Inula britannica), der dreiteilige und nickende Zweizahn (Bidens tripartitus und B. cernuus). Hie und da steht unter ihnen auch ein scharfes Johanniskraut (Hypericum acutum [= H. tetrapterum]). Auf der Westseite bildet eine Ansiedlung der grauen Weide (Salix cinerea) den Abschluß gegen eine angrenzende Wiese, auf der Gegenseite steigt ein fetter Rasenhang zur Straße an, zu dem niedriges Fingerkraut (Potentilla supina) vermischt mit kriechendem Fingerkraut und Gänse-Fingerkraut (Potentilla reptans und P. anserina) hinführt und so die Grabenvegetation in die der Fettwiese hinüberleitet.

Zwischen den locker stehenden Fingerkräutern, die Luft und Licht in Fülle bis auf den Boden gelangen lassen, finden wir noch einige in unserer Gegend zwar verbreitete, doch nirgends häufige Pflänzchen, die vom Ungeübten fast regelmäßig übersehen werden, weil sie oft in Zwergformen auftreten. Es sind dies die kriechende Sellerie (Apium repens), ein Kind aus der großen Familie der Umbelliferen, dessen Stengel am Boden kriecht und dessen Döldchen ebenfalls dem Boden angedrückt sind, ferner das schwärzliche Zypergras (Cyperus fuscus), das oft nur 1 cm lange Pflänzchen bildet. Ebenso wird der Erdbeer-Klee (Trifolium fragiferum), der an feuchten, kurzgrasigen Stellen hie und da vorkommt, gewöhnlich mit dem kriechenden Klee (Trifolium repens), der überall häufig ist, verwechselt. Ersterer ist aber von letzterem durch die viel kleineren, rötlichen Blüten, besonders aber durch den filzigen, nach dem Verblühen kugelig aufgeblasenen Kelch leicht zu unterscheiden.

An den Rändern des Straßengrabens haben sich mancherlei Wiesenpflanzen angesiedelt. Unter ihnen sind besonders häufig gewisse Gräser vertreten, von denen der gemeine Glatthafer (Arrhenatherum elatius) als Charakterpflanze in erster Linie hervorgehoben sei. Auch der Wiesenschwingel (Festuca elatior [= F. pratensis]), das Wiesen-Rispengras (Poa pratensis), der Wiesenfuchsschwanz (Alopecurus pratensis), ferner die aufrechte und weichhaarige Trespe (Bromus erectus und Bromus mollis [= B. hordeaceus]) gehören zu den häufigen Gräsern. Seltener sind das wollige Honiggras (Holcus lanatus) und das gemeine Straußgras (Agrostis vulgaris [= Agrostis capillaris]) anzutreffen. Sämtliche Gräser sind Windblütler und haben demzufolge unscheinbare, geruch- und nektarlose Blüten. Der gemeine und kurzhaarige Löwenzahn (Leontodon danubialis und L. hispidus), welch beide Arten einander sehr ähnlich sind und auch sehr häufig miteinander vorkommen, sowie der zweijährige Pippau (Crepis biennis), Pastinak und Möhre (Pastinica sativa und Dancus carota) gehören hier zu den allerhäufigsten Erscheinungen. Die beiden letzteren werden schon seit langer Zeit vom Menschen als Wurzelgemüse in Gärten kultiviert. Allgemein bekannt ist die Mai- oder Kuhblume (Taraxacum officiale), die auf Grasplätzen oft massenhaft auftritt und im Mai ihre leuchtend gelben Blüten entfaltet. Da ihre Stengel hohl sind, verfertigen sich die Kinder mancherlei Spielzeug daraus. Aber auch den Erwachsenen kann die Pflanze von Nutzen sein. So wird die „Löwenzahnwurzel“ heute noch gegen Leber- und Gallenleiden, gegen Nierensteine und andere Krankheiten gebraucht. Daß die im Frühjahre bleichgelben Blätter ein sehr schmackhaftes Gemüse liefern, das besonders in Italien, aber auch bei uns gerne gegessen wird, dürfte allgemein bekannt sein, nicht so aber die Tatsache, daß 1 kg geöffneter Blütenköpfe dieser Pflanze mit 4 l kochenden Wassers übergossen, nach 24 Stunden mit ½ kg Zucker versetzt und mit Vierkahefe vergoren, einen ausgezeichneten Wein liefert. Das Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis) blüht ungefähr zur selben Zeit und wirkt recht lieblich durch seine lilafarbigen Kreuzblüten. Einen schönen Schmuck unserer Straßengrabenränder bildet ferner die Wegwarte (Cichorium intybus), die mit ihren herrlichen blauen Blumen besonders am Vormittage förmlich leuchtet. Bei den alten Germanen wurde die Pflanze zu Zaubertränken verwendet. Man meinte, sie mache hieb- und stichfest, können Dornen und Nadeln aus Wunden entfernen, Fesseln sprengen und unsichtbar machen. Die Wurzel wird infolge ihres Reichtums an Inulin im trockenen Zustande besonders in Deutschland als Kaffeesurrogat verwendet („Blümchenkaffee“). An denselben Orten entfaltet auch der Wiesen-Storchschnabel (Geranium pratense) seine lichtvioletten Blüten. Hie und da eingestreut sind der wilde Kerbel (Anthriscus silvester [= A. sylvestris]) und die große Bibernelle (Pimpinella major). Der Kümmel (Carum carvi), der hier auch vereinzelt auftritt, ist von den Dorfbewohnern angebaut, also nicht ursprünglich. Überall, doch nirgends in Menge, ist der stumpfblättrige Ampfer (Rumex obtusifolius) anzutreffen.

Im August erscheinen an grasigen Orten der Herbst-Löwenzahn (Leontodon autumnalis [= Scorzoneroides autumnalis]) und das habichtskrautähnliche Bitterkraut (Picris hieracioides) in Menge. An diese Wiesenflüchtlinge schließt sich die Ruderalflora an. Es ist dies in erster Linie die Pflanzenwelt der Wege und Straßen, die der Hausmauern und wüsten Plätze. Diese Gewächse werden einerseits vom Menschen durch keinerlei Bearbeitung des Bodens in ihrem Wachstume gestört, andererseits aber durch die Ausscheidungen unserer Zugtiere (Wege, Straßen) oder durch verschiedene, vom Menschen absichtslos hingeworfene Abfallstoffe (Schuttplätze, Hausmauern), die verfaulen und nach kurzer Zeit in nährstoffreiche Erde übergegangen sind, gedüngt. Da ihnen auch Licht und Feuchtigkeit in genügender Menge zur Verfügung stehen, wachsen sie meist recht üppig. Gegen Tierfraß schützen sie sich durch die verschiedensten Mittel wie Stacheln (Disteln), Brennhaare (Brennessel), Milchsaft (Wolfsmilch) giftige Stoffe (Hahnenfuß, Bilsenkraut) u.a.m. Für die sichere Verbreitung der Samen ist durch verschiedenartige Einrichtungen gesorgt. Man denke nur an Klette, Zweizahn, Reiherschnabel, Schöllkraut usw. Ist der Standort trocken, so schützen Wachsüberzüge, dichte Behaarung, Verkleinerung der Blattoberfläche und andere Vorkehrungen vor allzugroßer Verdunstung. Die Pflanzen an Wegen und Straßen haben sich auf das „Niedergetretenwerden“ eingerichtet, indem sie kriechenden Wuchs annahmen. So ganz besonders der Vogel-Knöterich (Polygonum aviculare), dessen Kraut in hiesiger Gegend heute noch gegen Lungenleiden, Gicht und Rheumatismus Verwendung findet. An stickstoffreichen Stellen stoßen wir überall auf Gänsefußarten. So finden wir auf wüsten Plätzen den weißen Gänsefuß (Chenopodium album), der eine Unmenge verschiedener Formen bildet, und den Bastard-Gänsefuß (Chenopodium hybridum), an etwas feuchten Ruderalstellen den seegrünen Gänsefuß (Ch. glaucum), und den vielsamigen Gänsefuß (Ch. polyspermum), an Hausmauern den stinkenden Gänsefuß und den Mauergänsefuß (Ch. vulvaria u. Ch. murale). Der weiße Gänsefuß wird in manchen Gegenden als Gemüse benutzt und im südöstlichen Rußland werden in Hungerjahren Brote gebacken, zu denen das Kraut des Gänsefußes verwendet wird. An den gleichen Orten finden sich auch verschiedene Melden. So meist einzeln die ausgebreitete Melde (Atriplex patulum [= A. patula), während die spießblättrige Melde A. hastatum [= A. prostrata]) hie und da herdenweise vorkommt. Die Gattungen Chenopodium und Atriplex werden im Volke nicht voneinander unterschieden.

Oft sehr unangenehm bemerkbar machen sich die große und kleine Brennessel (Urtica dioica und Urtica urens). Sie sind lästig wegen der Brennhaare, die aber nicht, wie man vielfach annimmt, mit Ameisensäure, sondern mit einem eiweißartigen, dem Schlangengifte ähnlichen Stoffe gefüllt sind. Junge Brennesseln werden in vielen Gegenden als Spinat gegessen und sind so zubereitet sehr schmackhaft. Der grüne und rauhhaarige Fuchsschwanz (Amaranthus viridis [= A. blitum] u. A. retroflexus) sind ebenfalls ganz gemeine Ruderalpflanzen. Die feinblättrige Rauke (Sisymbrium sophia [= Descurainia sophia]) fällt durch ihre graugrünen, fein zerteilten Blätter (Schutz gegen allzugroße Verdunstung) auf. In ihrer Gesellschaft kommt oft die gemeine Rauke oder der Wegsenf (Sisymbrium officiale) vor. Die Schuttkresse (Lepidium ruderale) und der kleine Storchschnabel (Geranium pusillum) sind wenig auffällig und werden daher leicht übersehen. Die übersehene und wilde Käsepappel (Malva neglecta und M. sylvestris) gehören heute noch fast überall zu den volkstümlichen Heilkräutern. Ihre Blüten enthalten viel Schleim und werden gegen Geschwüre und Entzündungen jeder Art als Linderungsmittel verwendet. Eisenkraut (Verbena officinalis), schwarzer Nachtschatten (Solanum nigrum), Stinkandorn (Ballota nigra) und der gemeine Beifuß (Artemisia vulgaris) sind ebenfalls sehr häufige Ruderalpflanzen. Sehr selten kommt der einjährige Beifuß (Artemisia annua) vor, der durch seinen sehr starken Geruch bei Berührung sofort auffällt. Er ist aus Asien eingeschleppt und oft unbeständig. Die Wegdistel und die nickende Distel (Carduus acanthoides u. C. nutans) sind ausgezeichnet durch schöne Blattformen und zierlich geflügelte Stengel. Zu den schönsten Ruderalpflanzen gehört auch noch die Eselsdistel (Onopordon acanthium [= Onopordum acanthium]). Meist vereinzelt tritt das bekannte Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) auf. Es ist durch das in allen seinen Teilen enthaltene Hyoscyamin sehr giftig. Im Mittelalter machte man mit den Samen dieser Pflanze das Bier berauschender und atmete bei Zahnweh den Rauch verbrannter Bilsenkrautblätter ein. Ersteres wurde bald verboten, da es oft zu Vergiftungen führte. Heute noch gebraucht man aber Bilsenkrautöl mit gutem Erfolg gegen Rheumatismus. Die wollige, große und kleine Klette (Arctium tomentosum, A. lappa u. A. minus) besitzen in den Widerhaken ein vorzügliches Samenverbreitungsmittel. Aus ihren Wurzeln gewinnt man das „haarbodenstärkende“ Klettenwurzelöl. Die gemeine und rauhe Gänsedistel (Sonchus oleraceus u. S. asper), deren weißer Milchsaft ungefähr 15 % Kautschuk enthält, sind überall häufig. Die gemeine Spitzklette (Xanthium strumarium) treffen wir meist nur einzeln an. Sie ist bei uns eingeschleppt und meist unbeständig. Der gemeine Erdrauch (Fumaria officinalis), das Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris), die rote Taubnessel (Lamium purpureum) und das gemeine Greiskraut (Senecio vulgaris) sind überall gemein. Das Gänsefingerkraut (Potenilla anserina), bei jedem Dorfteich in Menge anzutreffen, enthält viel Gerbsäure und wird daher als Tee besonders gegen Diarrhöe, Ruhr, Geschwüre, aber auch gegen allerlei Krämpfe mit Erfolg angewendet. Als Ruderalpflanze harmlos, als Segetalpflanze (Ackerpflanze) aber desto unangenehmer ist die Sumpfkresse (Rorippa sylvestris). Wo sie einmal auftritt, ist sie kaum mehr auszurotten, da aus jedem Wurzelstückchen eine neue Pflanze entstehen kann. Die taube Trespe (Bromus sterilis), die Dach-Trespe (Bromus tectorum) und die Mauergerste (Hordeum murinum) sind nicht selten, viel häufiger aber begegnen wir dem graugrünen, quirligen und grünen Borstengras (Setaria glauca, S. verticillata u. S. viridis) und der Hühnerhirse (Echinochloa crus galli). Die letzten 4 Arten sind eigentlich in erster Linie Unkräuter in Gärten und Hackfruchtäckern. Zum Abschlusse der Ruderalflora sei noch genannt der Stechapfel (Datura stramonium), der als Giftpflanze jedermann bekannt ist. Er kommt wie Spitzklette und Bilsenkraut in der ganzen Gegend selten und immer nur einzeln vor. Als massenhaft auftretende Pflanze wüster Plätze wäre noch zu erwähnen der flaumige Hohlzahn (Galeopsis pubescens), der von anderen Arten seiner Gattung leicht durch die purpurrote Krone, besonders aber durch die meist orangerot gefärbte Blumenkronröhre zu unterscheiden ist.

An Aubäumen und Sträuchern, die sich in unseren Donaudörfern angesiedelt haben, wären zu nennen die Feld- und Flatter-Ulme (Ulmus campestris [= U. minor] u. U. laevis), erstere viel häufiger als letztere, die Esche (Fraxinus excelsior) und die Stieleiche (Quercus robur). Alle genannten sind vorzügliche Nutzhölzer. An Sträuchern finden wir den gemeinen Spindelbaum (Euonymus europaea), den wolligen und gemeinen Schneeball (Viburnum lantana und Vib. opulus), ferner Rainweide, Schlehdorn und Sauerdorn (Ligustrum vulgare, Prunus spinosa und Berberis vulgaris). Der Baum der Holla, d.i. Hollunder (Sambucus nigra), fehlt natürlich in keinem Hause und findet daselbst vielfache Verwendung („Hollerkrapfen, Hollertee, Hollerschnaps“). Die Gattung Salix ist hauptsächlich durch Silber- und Purpurweide (Salix alba und S. purpurea) vertreten. An sumpfigen Stellen finden wir auch die graue Weide (Salix cinerea).

Hiermit sei die Reihe unserer Dorfpflanzen geschlossen. Es könnten wohl noch Dutzende von Gewächsen aufgezählt werden, die zwar auch im Dorfe vorkommen, jedoch für andere Formationen typisch sind.
Ernst Pircher.


Auf diesen Artikel und das große botanische Wissen von Lehrer Pircher aufmerksam gemacht hat uns dankenswerter Weise der Botaniker Mag. Clemens Pachschwöll aus Krems, dem wir auch für die erklärenden Worte am Anfang danken. 

Dezember 2013
Maria Knapp